Und dann war da auch noch Viva Plus: Der Sender, der später durch Comedy Central ersetzt wurde, sollte sich wiederum an eine eher männliche Zielgruppe zwischen zehn und 34 Jahren richten. Dies sollte mit "Hot Music, Games und Fun" erreicht werden. Es war nicht der erste Versuch, dem Sender eine neue Ausrichtung zu geben. Anfang 2002 in der Hoffnung gestartet, Viva Plus als "CNN des Musikfernsehens" mit Korrespondenten in London, Los Angeles, Hamburg und Berlin zu etablieren, mussten die Verantwortlichen schnell feststellen, dass das eigentlich vorgesehene Konzept keine ausreichend große Anhängerschaft fand.
Anstelle weiterer Korrespondenten-Plätze in aller Welt gab es eine komplette Umgestaltung des Senders - inklusive der Geburt des noch heute bei Viva gezeigten Voting-Formats "Get The Clip". Und MTV? Der Musiksender musste in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik einstecken, nicht zuletzt durch die verstärkte Ausstrahlung von Dokusoaps im Programm. Dass es in der Öffentlichkeit immer wieder Kritik am Kurs von MTV gebe, liege jedoch vielmehr daran, dass "Journalisten keine Ahnung von der Zielgruppe haben", erklärte die damalige MTV-Chefin Catherine Mühlemann Anfang 2008.
Und weiter: "Es ist doch nun mal so: MTV spiegelt den Zeitgeist wider." Das Programm von früher würde "heute keinen Jugendlichen mehr vom Hocker reißen". MTV Networks sei "als Unternehmen erwachsen geworden, aber das ist doch nichts Schlechtes." Für eine Schlagzeile war MTV allerdings auch in der jüngeren Vergangenheit immer mal wieder gut, so wie etwa im Jahr 2006, als ein Zeichentrick-Papst für Wirbel sorgte. "Popetown" hieß die Serie, die Strafanzeigen, einstweilige Verfügungen, Forderung nach einem Verbot sowie dem Entzug der Sendelizenz für MTV mit sich brachte.

Kurios war das vor allem deshalb, weil all das geschah, bevor der Großteil derer, die sich so entrüsteten, überhaupt nur eine Folge der umstrittenen Comic-Serie gesehen hatten. Nach den massiven Protesten hatte MTV entschieden, zunächst nur eine Folge ins Programm zu nehmen und diese in eine Diskussionsrunde einzubetten. In der Marketing-Abteilung von MTV dürften angesichts dieser massiven kostenlosen PR wohl schon vorab die Sektkorken geknallt haben - so viel Aufmerksamkeit für MTV gab es selten zuvor und wäre mit normaler Werbung wohl auch kaum zu erzielen gewesen.
Immerhin 380.000 Zuschauer sahen schließlich die erste Folge, in der Zielgruppe lag der Marktanteil mit 2,4 Prozent drei Mal so hoch wie der Durchschnittsmarktanteil, den MTV im ersten Quartal 2006 erreichte. Die Diskussionsrunden, in die die erste Folge eingebettet wurde erzielten ebenfalls recht ansehnliche Werte. Das "MTV News Mag Special" vor der "Popetown"-Folge kam immerhin auf insgesamt 200.000 Zuschauer, die anschließende Diskussion auf 210.000 Zuschauer.
Für Schlagzeilen und Quoten dieser Art ist MTV seit dem Abschied ins Pay-TV nicht mehr gut gewesen. Immerhin sorgte der Musiksender vor seinem Wechsel ins Bezahlfernsehen noch für den ersten Lacher des Jahres 2011: Ausgerechnet "Viva Forever" war der letzte Song, der bei MTV im Free-TV gespielt wurde. Dass dann auch noch ein letzter Werbeblock mit den unerträglichen Spots für Klingeltöne und Handy-Downloads lief, wirkte fast wie gewollt. Das war's dann auch. Viva dagegen ist inzwischen zu einem "frei zugänglichen Schaufenster" für MTV geworden. Das hätte sich vor zehn Jahren wohl nur die wenigsten träumen lassen.