Wohl keine Fußball-Weltmeisterschaft ist bereits im Vorfeld so kritisch beäugt worden wie jene, die am Sonntagabend in Katar begonnen hat. Die Kritik reicht vom Umgang mit Menschenrechten über Repressionen gegen Homosexuelle bis hin zur Ausbeutung von Bauarbeitern – es sind viele Aspekten, über die in den vergangenen Tagen und Wochen breit diskutiert worden ist. Dazu kommt die Tatsache, dass die WM erstmals im Winter ausgetragen werden muss, weil angesichts der hohen Temperaturen im Gastgeberland eine Ausrichtung des Turniers im Sommer kaum denkbar schien.
Der Zeitpunkt ist ein Novum, das besonders die ohnehin unter Druck geratenen privaten Sendergruppen vor eine echte Herausforderung stellt, schließlich wirbelt die Weltmeisterschaft ausgerechnet das für sie eigentlich so wichtige Weihnachtsgeschäft gehörig durcheinander. Man durfte also gespannt sein, wie groß das Interesse an dieser Weltmeisterschaft der Fans zwischen Boykott-Aufrufen und der eigentlich deutlich höheren TV-Nutzung als im Sommer sein würde. Die nun vorliegenden Quoten des Auftaktspiels zwischen Katar und Ecuadar geben jetzt eine erste Antwort.
Das Eröffnungsmatch holte nämlich deutlich niedrigere Reichweiten und Marktanteile als etwa die Auftaktpartie zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Konkret sahen ab 17 Uhr im ZDF 6,21 Millionen Menschen die Partie zwischen Gastgeber Katar und Ecuador. Als die WM im Sommer 2018 eröffnet wurde, kam das Spiel zwischen Russland und Saudi-Arabien noch auf etwas mehr als zehn Millionen Fans. Belief sich die Quote damals auf 52 Prozent, standen diesmal gerade 28,2 Prozent zu Buche. Nicht nur insgesamt, sondern auch bei den 14- bis 49-Jährigen lief dieser WM-Auftakt deutlich schlechter. 1,64 Millionen 14- bis 49-Jährige (33%) schalteten am späten Nachmittag ein. Vor rund viereinhalb Jahren waren es knapp 3,3 Millionen, die damalige Quote lag ebenfalls über 50 Prozent.
So kam es auch, dass eine zur Primetime gezeigte "Traumschiff"-Folge am Sonntag ähnlich gefragt war wie das WM-Eröffnungsspiel. Der 90-Minüter sicherte dem ZDF 6,14 Millonen Zuschauerinnen und Zuschauer, der ermittelte Marktanteil lag bei 19,8 Prozent. Mit genau einer Million Zusehenden im Alter zwischen 14 und 49 Jahren wurden 13,1 Prozent gemessen. Tagessieger wurde indes ein Krimi. Ein frischer ARD-"Tatort", zu sehen im Ersten ab 20:15 Uhr, interessierte deutlich mehr Personen als die Winter-WM. 9,25 Millionen Menschen sahen die Folge "Katz und Maus"; mit 29,8 Prozent Marktanteil insgesamt und etwas mehr als 25 Prozent bei den Jüngeren lief es für die Reihe erneut fabelhaft.
In Sachen WM wird sich aber erst in den kommenden Tagen zeigen, ob Boykottaufrufe und der ungewohnte Zeitpunkt des Turniers wirklich dauerhaft zu niedrigerer Nutzung führen. Schon am Dienstagmorgen könnte etwas mehr Klarheit herrschen, starten am Montag doch unter anderem namhafte Teams wie die Niederlande oder England ins Turnier. Übrigens ist noch etwas anders als im Sommer 2018. Parallel zu den öffentlich-rechtlichen Sendern überträgt auch die Deutsche Telekom auf ihren Magenta-TV-Kanälen die Spiele. Exakte Abrufzahlen liegen nicht vor. Während der Euro 2020, ausgetragen im Sommer 2021, zeigte sich der Telekommunikationsanbieter mit den Reichweiten aber sehr zufrieden. Am Sonntag werden sie die Verluste, das dürfte ziemlich sicher sein, aber nicht wettgemacht haben.
Quelle für alle Daten in diesem Artikel, sofern nicht anders vermerkt: AGF SCOPE 1.8; Marktstandard: Bewegtbild; vorläufig gewichtete Daten; Tages-MA: Auswertungstyp TV-Zeitintervall; nutzungsbezogen; Sendungsdaten: Auswertungstyp TV; produktbezogen;