Unter dem Schlagwort Diversifizierung versuchen die TV-Konzerne schon seit langer Zeit, unabhängiger von Werbeeinnahmen zu werden - doch dass die Privatsender weiterhin maßgeblich davon abhängen, hat sich bislang nicht geändert, und mit Blick auf die sich jüngst zeigenden Wachstumsgrenzen im SVoD-Markt wird das wohl auch noch länger so bleiben. Umgekehrt können trotz sinkender linearer Nutzung auch werbende Unternehmen kaum aufs Fernsehen verzichten, denn noch immer vermag es kein anderes Medium, so schnell so hohe Reichweiten zu generieren - dass auch ein Online-Werberiese wie Google das Fernsehen ausgiebig als Werbemedium nutzt, kommt schließlich nicht von ungefähr.
Grund genug also, dieses von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägte System, das die gesamte TV-Branche am laufen hält und kreative Arbeiten erst ermöglicht, in den kommenden Tagen einmal genauer zu betrachten. Wir greifen dafür einmal mehr auf die Daten von AdScanner und Vodafone zurück, wollen aber anstelle der Kleinteiligkeit der täglichen Ausweisung, die wir seit nunmehr knapp sieben Monaten bieten, ein umfassenderes Gesamtbild zeichnen.
Zunächst ein paar Worte zur Erhebung der Daten: Die Messung der Reichweiten basiert auf der sekundengenauen Erhebung der TV-Nutzung in rund einer Million Vodafone-Haushalten. Ganz wichtig: Die Daten sind nicht repräsentativ, sie bieten durch die große Datengrundlage aber trotzdem eine große Aussagekraft. AdScanner wertet alle ausgestrahlten Werbespots aus und kann dank der sekundengenauen Ausweisung detaillierte Brutto-Haushaltsreichweiten (von AdScanner als XRP bezeichnet) für jeden Spot, jedes Produkt und jedes Unternehmen berechnen - genauer als das mit den bislang öffentlich ausgewiesenen Werbeblock-Reichweiten möglich war, denn auch innerhalb der Werbeblöcke gibt es durch Zapping-Verhalten größere Reichweiten-Unterschiede.
Bevor es in den kommenden Tagen um die Unterschiede zwischen Öffentlich-Rechtlichen, größeren und kleineren Privatsendern geht, steht heute das Werbemedium TV als Ganzes im Mittelpunkt - und die Frage, welche Branchen es besonders stark für sich nutzen. Das waren in den letzten zwölf Monaten Unternehmen aus dem Bereich Freizeit. Hierunter subsummiert AdScanner eine Reihe recht unterschiedlicher Produkte, die von Reisen über Video-Games und Streamingdienste bis zu Spielzeug und Fast Food reichen. Mehr dazu am Donnerstag in einer detaillierteren Betrachtung der Branchen. Auf sie entfielen 14,3 Prozent der insgesamt im TV erzielten Brutto-Werbereichweiten.
Viel Schönheit, weniger Autos
Im Fernsehen bekommen wir in der Regel bestens geschminkte und gestylte Personen zu sehen. Aus Sicht der Kosmetik-Branche offenbar das passende Umfeld, um die eigenen Produkte auch den Zuschauerinnen und Zuschauern zuhause auf dem Sofa schmackhaft zu machen. Die Kosmetik-Branche sortiert sich in der AdScanner-Auswertung auf Rang 2 in Sachen TV-Werbedruck ein - noch vor dem Handel und den Lebensmittel-Herstellern, die das Fernsehen unter anderem auch stark für Abverkäufe einsetzen.
Diese Top 4 dominieren den Branchen-Mix ziemlich deutlich, dahinter kommen erst mit deutlichem Rückstand Finanzdienstleister und Pharma-Unternehmen. Letztere wenden sich bekanntlich häufig an ein älteres Publikum - und da dieses das lineare Fernsehen weit überdurchschnittlich nutzt, dürfte eine starke Belegung hier durchaus Sinn ergeben.
Das bei vielen immer noch als Status-Symbol fungierende Auto wird im Fernsehen hingegen weniger stark beworben als man meinen könnte: Mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent an der gesamten Brutto-Werbereichweite sind Auto-Spots in den vergangenen zwölf Monaten erst auf Rang 7 des Branchen-Rankings angesiedelt, knapp vor Getränken und Medien.
Die Dominanz von RTL und die Einschränkungen für die Öffentlich-Rechtlichen
Mit Abstand am meisten Bruttoreichweite lässt sich für die Spots in den gemessenen Vodafone-Haushalten durch RTL erzeugen, auf den Sender entfällt allein fast ein Fünftel der gesamten Brutto-Werbereichweiten. Dahinter folgt Sat.1 vor Vox, ProSieben landet mit seiner sehr jungen Ausrichtung weiter hinten, weil hier eben nicht nur die 14- bis 49-Jährigen betrachtet werden. Vergleichsweise hoch schneidet in den Vodafone-Haushalten RTLzwei ab.
Dass Das Erste und das ZDF mit jeweils um die drei Prozent nur eine kleinere Rolle spielen, hängt natürlich mit der Beschränkung zusammen, dass in der Primetime und damit zur reichweitenstärksten Zeit gar keine Werbung gezeigt werden darf. Nicht zu unterschätzen ist der Anteil der zahlreichen kleineren Sender, auf die zusammengenommen etwa 28 Prozent der gesamten Werbereichweiten entfallen. Es lohnt sich also offenbar durchaus, auch diese kleineren Sender in einem guten Mix zu berücksichtigen - wenngleich man auf die großen Sender kaum verzichten kann, wenn man wirklich große Reichweiten erzielen will.