Quelle der Daten für diesen Artikel: AGF Videoforschung

Während die TV-Reichweiten vieler Sender täglich von jedermann nachlesbar sind, bleiben die immer wichtiger werdenden Streaming-Reichweiten in den meisten Fällen ein Geheimnis. Einmal monatlich blicken wir bei DWDL nun auf die wenigen belastbar erscheinenden Daten, die zur Verfügung stehen. So weist die AGF etwa für Sendungen in den Mediatheken der TV-Sender einmal monatlich eine Hitliste aus, die wir im Folgenden analysieren. (Wobei hier nur Sendungen auftauchen, die auch im linearen TV liefen).

Dabei ist allerdings folgender Beipackzettel zu beachten: Bei den Zahlen handelt es sich um eine Netto-Reichweite, die nicht mit der "durchschnittlichen Sehbeteiligung", die man landläufig als TV-Quote kennt, vergleichbar ist. Kurz gesagt: In den Online-Zahlen wird jeder mitgezählt, der auch nur eine Sekunde lang den Stream laufen ließ, was natürlich deutlich höhere Zahlen ergibt als wenn man die durchschnittliche Reichweite über die gesamte Laufzeit betrachtet. Also nochmal: Die Zahlen sind nicht mit den TV-Werten, die man aus der sonstigen Berichterstattung kennt, vergleichbar.

Dass im Mediatheken-Bereich das Kräfteverhältnis der Sender untereinander ein ganz anderes ist als im Linearen, zeigt sich beim Blick auf die Streaming-Hitliste im Juni sehr deutlich - mit großem Abstand die höchste Nettoreichweite fuhr da nämlich ein Inhalt der Arte-Mediathek ein. Der französische Film "Unschuld und Verlangen", der zeigt, wie die 15-jährige Solange im Laufe eines Sommers ihres sexuellen Bedürfnisse kennenlernt, kommt auf eine gewaltige Nettoreichweite von 0,878 Millionen Personen - so viele haben laut AGF-Messung also zumindest mal reingeschaltet. Das waren fast 300.000 mehr als beim zweitplatzierten "Tatort: Das kalte Haus". Und viele dieser Nutzerinnen und Nutzer kamen aus der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen, im Ranking dieser Zielgruppe musste sich der Arte-Film einzig der "heute-show" geschlagen geben.

Mit "Penissimo" schaffte es obendrein noch eine weitere Arte-Sendung - eine Doku über den Penis und Männlichkeit - in die Top20 der Mediatheken-Charts, auch 3sat ist mit "Ein letzter Sommer in Portugal" vertreten. Dass eine Folge von "Kommissar Van der Valk" mit einer Netto-Reichweite von 0,574 Millionen Personen so weit oben steht, ist ebenfalls bemerkenswert - hat aber wohl auch mit einer prominenten Position in der ARD-Mediathek zu tun. Die beiden weiteren Folgen kamen dann mit 0,364 und 0,366 Millionen jedenfalls auf merklich geringere Reichweiten. Ansonsten wird die Hitliste vor allem von erwartbaren Produktionen wie den "Tatorten" und der "heute-show" dominiert. Ein schöner Erfolg aus dem Doku-Bereich war "Die Recycling-Lüge" in der ARD-Mediathek. Darin geht es um die Frage, ob die Recycling-Versprechungen der Industrie nicht mehr als Greenwashing sind.

Mediatheken-Charts Juni 2022 / Gesamtpublikum

  Sender EA im TV Netto-Rw. (ab3)
Online in Mio.
Unschuld und Verlangen Arte 10.6. 0,878
Tatort: Das kalte Haus Das Erste 6.6. 0,583
Kommissar Van der Valk - Gejagt in Amsterdam Das Erste 5.6. 0,574
heute-show ZDF 3.6. 0,566
Tatort: In seinen Augen Das Erste 26.6. 0,560
heute-show ZDF 10.6. 0,559
Tatort: Flash Das Erste 19.6. 0,547
Die Recycling-Lüge Das Erste 20.6. 0,530
Sag du es mir Das Erste 5.6. 0,511
Die Bachelorette RTL 29.6. 0,479
Die Bachelorette RTL 22.7. 0,452
Extra 3 NDR 8.6. 0,448
Letzte Spur Berlin ZDF 10.6. 0,430
Ein Sommer in Portugal 3sat 11.6. 0,426
Die Bachelorette RTL 15.6. 0,426
Wer einmal stirbt, dem glaubt man nicht Das Erste 4.6. 0,416
Penissimo Arte 29.6. 0,412
Lena Lorenz - Entscheidung fürs Leben ZDF 11.6. 0,392
Letzte Spur Berlin ZDF 3.6. 0,391
Extra 3 NDR 1.6. 0,390

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.06.2022-30.06.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Für die Privatsender hält beim Gesamtpublikum einzig die "Bachelorette" von RTL das Fähnchen hoch. Und auch wenn man auf die Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen blickt, dann sind es abseits der "Bachelorette" aus dem großen Reservoir der privaten Programme nur die finalen Folgen des "Kampf der Realitystars", die es in die Mediatheken-Charts schafften. Vor allem Seven.One Entertainment gab ein ganz schwaches Bild ab, bei Sat.1 war noch "Club der guten Laune" am gefragtesten, bei ProSieben "Grey's Anatomy", beide aber weit entfernt von einer Platzierung in den Top 20.

Es ist also schon bemerkenswert, wenn keine einzige Sendung von ProSiebenSat.1 online so viele 14- bis 49-Jährige anspricht wie die linear am Sonntagnachmittag ausgestrahlte Dokusoap "Duell der Gartenprofis" beim ZDF, die gerade noch so unter die Top20 der Mediathekencharts schlüpfen konnte. Letztlich ist es aber auch nur folgerichtig, weil die Eva-Brenner-Formate sich dort über die letzten Jahre zu einem erstaunlichen Erfolg, auch beim jüngeren Publikum, entwickelt haben.

Mediatheken-Charts Juni 2022 / 14- bis 49-Jährige

  Sender EA im TV Netto-Rw. (14-49)
Online in Mio.
heute-show ZDF 3.6. 0,403
heute-show ZDF 10.6. 0,366
Unschuld und Verlangen Arte 10.6. 0,353
Die Bachelorette RTL 29.6. 0,313
Tatort: In seinen Augen Das Erste 26.6. 0,299
Die Bachelorette RTL 22.6. 0,296
Tatort: Flash Das Erste 19.6. 0,281
Tatort: Das kalte Haus Das Erste 6.6. 0,273
Die Bachelorette RTL 15.6. 0,265
Die Recycling-Lüge Das Erste 20.6. 0,249
Kommissar Van der Valk - Gejagt in Amsterdam Das Erste 5.6. 0,243
heute-show Spezial ZDF 17.6. 0,240
Kampf der Realitystars RTLzwei 1.6. 0,221
Kampf der Realitystars RTLzwei 8.6. 0,213
Extra 3 NDR 8.6. 0,208
Sag du es mir Das Erste 5.6. 0,206
Ein Sommer in Portugal 3sat 11.6. 0,203
Kampf der Realitystars RTLzwei 15.6. 0,198
Die Rebellin 3sat 24.6. 0,193
Duell der Gartenprofis ZDF 5.6. 0,184

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.06.2022-30.06.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Dass es Seven.One an zugkräftigen Inhalten für die eigenen Online-Angebote mangelte, ermöglicht allerdings auch, mal genauere Zahlen für Formate zu sehen, die wenig erfolgreich sind - die AGF rückt hier ja bekanntlich nur eine Top 20 heraus. So sieht man, dass etwa in "TV Total", was ProSieben linear ja immer noch als schönen Erfolg verbuchen kann, online laut AGF-Messung stets weniger als 35.000 Personen reinklicken. Ein Kuriosum gibt's unterdessen bei Sport1: Dort kam laut AGF im Juni keine einzige Sendung überhaupt auf eine messbare Online-Reichweite, für ausnahmslos alle Sendungen liegt sie bei 0,000 Millionen. Das Ranking ist somit einfach Zufall - und gibt nun fast ausschließlich Teleshopping-Sendungen als Online-Top20 für Sport1 aus.

Die Nutzung von Streaming-Diensten am Smart-TV

In ihrem "Smart Meter"-Projekt misst die AGF schon seit längerem auch die Nutzung von Streaming-Diensten am Smart-TV - umfasst ist hier also nicht, wenn man die Streamingdienste am Tablet oder Computer nutzt, sondern tatsächlich nur am großen Fernseher. Hier zeigt sich im Juni eine Verschiebung zuungunsten von Netflix: Nutzten im Mai noch im Schnitt 3,18 Millionen Personen pro Tag am großen Fernseher Netflix, so waren es im Juni nur noch 2,945 Millionen. Zugleich stieg die Tagesnettoreichweite von Prime Video deutlich von 2,04 auf 2,21 Millionen an, auch bei Disney+ erhöhte sie sich von 0,34 auf 0,43 Millionen.

Der Abwärtstrend bei Netflix hält nun schon das gesamte erste Halbjahr über an: Kam Netflix im Januar noch auf eine durchschnittliche Sehdauer von 13 Minuten pro Tag am großen Fernseher, so ging es seither sukzessive auf zuletzt im Juni noch 7 Minuten nach unten. Prime Video bewegte sich hingegen stets zwischen 4 und 5 Minuten - ohne selbst zulegen zu können, wurde der Abstand auf Netflix also Stück für Stück verringert. Vor allem sinkt dabei nicht nur die Zahl derjenigen die Netflix nutzen, sondern auch die Verweildauer - also wie lange diejenigen Netflix laufen lassen, wenn sie die App denn dann gestartet haben. Im Juni sank sie unter die 100-Minuten-Marke auf 97 Minuten. Das ist zwar weiterhin mehr als bei Prime Video, das nur auf 84 Minuten kommt, liegt nun aber hinter Disney+ mit 98 Minuten. Wichtig bei alledem: Es handelt sich hier nur um die Nutzung am Fernseher.

Und was war bei Netflix am stärksten gefragt?

Echte Messdaten zur Nutzung der einzelnen Inhalte der Streamingdienste gibt's nur selten, Netflix veröffentlicht inzwischen immerhin wöchentlich eine Top 10 - allerdings wiederum in ganz eigener Metrik der gestreamten Minuten und inklusive dieser Angabe nur auf weltweiter Basis. Aus den vorliegenden Daten haben wir eine Hitliste für die neuesten vier Wochen errechnet (Zeitraum: 13.6. bis 10.7.). Die Datenquelle ist hier Netflix und nicht extern überprüfbar.

Die Netflix-Zahlen laut AGF Smartmeter waren also rückläufig, obwohl man derzeit mit "Stranger Things 4" einen seiner ganz großen Hits im Programm hat, der insgesamt weltweit schon bei weit über einer Milliarde gestreamten Minuten lag, allein in den vergangenen vier Wochen kamen 670.000 Millionen zusammen - und auch die vorhergehenden Staffeln sind gefragter als fast alles andere als Netflix. Nur die dritte Staffel von "The Umbrella Academy" schaffte es, in diese "Stranger Things"-Phalanx einzubrechen.

  Gestreamte Minuten
Stranger Things (Staffel 4) 668.640.000
The Umbrella Academy (Staffel 3) 256.350.000
Stranger Things (Staffel 1) 144.780.000
Stranger Things (Staffel 2) 141.220.000
Stranger Things (Staffel 3) 138.000.000

Quelle: Netflix; Auswertung: DWDL für Zeitraum 13.6. bis 10.7.

Angesichts des Hypes um Stranger Things stehen Filme gerade weniger im Fokus bei Netflix, "The Man from Toronto" - mit Kevin Hart, Woody Harrelson und Kaley Cuoco einmal mehr hochkarätig besetzt - brachte es aber innerhalb von nur drei Wochen seit em Start auf über 140 Millionen gestramte Minuten.

  Gestreamte Minuten
The Man from Toronto 140.910.000
Hustle 107.280.000
Spiderhead 73.700.000
Love & Gelato 44.690.000
Sing 2 40.660.000

Quelle: Netflix; Auswertung: DWDL für Zeitraum 13.6. bis 10.7.

Quelle für alle Daten in diesem Artikel, sofern nicht anders vermerkt: AGF SCOPE 1.9; Marktstandard: Bewegtbild; vorläufig gewichtete Daten; Tages-MA: Auswertungstyp TV-Zeitintervall; nutzungsbezogen; Sendungsdaten: Auswertungstyp TV; produktbezogen;