Quelle der Daten für diesen Artikel: AGF Videoforschung

Wie hoch der wirtschaftliche Schaden durch die Corona-Krise für die TV-Branche sein wird, lässt sich kaum prognostizieren - doch sicher ist, dass das Fernsehen aktuell so stark genutzt wird wie schon lange nicht mehr. Der Blick auf die alltäglichen Reichweiten legt das schon seit mehreren Tagen nahe, nun liegen auch konkrete Zahlen vor, die die erhöhte Nutzung belegen. In der vergangenen Woche zog die Netto-Reichweite - also die Zahl jener, die im Schnitt an einem Tag fernsahen - bei den Zuschauern über 14 auf 78,6 Prozent an, ein Zuwachs von 7,4 Prozent im Vergleich zur gleichen Woche im vergangenen Jahr. Und wer erstmal vorm Fernseher saß, blieb auch noch deutlich länger dran: Die tägliche Sehdauer stieg um 39 auf satte 274 Minuten, wie eine aktuelle Auswertung der AGF-Zahlen durch SevenOne Media zeigt.

Die höchste und mit Abstand längste TV-Nutzung entfiel dabei natürlich auch weiterhin auf die älteren Semenster (die über 60-Jährigen kamen in der vergangenen Woche auf eine durchschnittliche Sehdauer von satten 401 Minuten), doch es sind gerade auch diejenigen Altersgruppen, die sich zuletzt langsam vom linearen Fernsehen abgewandt hatten, die nun in Corona-Zeiten wieder zu dem Medium zurückfanden. In der klassischen Zielgruppe 14-49 zog die Zahl der Menschen, die pro Tag im Schnitt den Fernseher einschalteten, im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent auf 66,5 Prozent an, die durchschnittliche Sehdauer stieg in der vergangenen Woche um 24 auf 168 Minuten - der Fernseher lief also fast 17 Prozent länger als in der gleichen Woche des vergangenen Jahres. Zum Vergleich: Zwischen dem 1. Januar und 15. März lag die tägliche Sehdauer noch 4,5 Prozent unter dem Vorjahreswert bei 146 Minuten.

Gar nicht in den bislang genannten Zahlen enthalten waren die 3- bis 13-Jährigen - doch nach Schließung von Kitas und Schulen sind sie es, bei denen sich die Veränderung im Alltag derzeit ganz besonders in der TV-Nutzung widerspiegeln. Die Netto-Reichweite schoss im Vergleich zum Vorjahr um 27,2 Prozent nach oben, die tägliche Sehdauer sogar um 61 Prozent auf nun 89 Minuten. Bei den 14- bis 19-Jährigen - zu einem großen Teil also Schüler - sind die Verschiebungen ebenfalls gewaltig. Hier schalten im Schnitt fast ein Drittel mehr den Fernseher ein als im letzten Jahr. Die Netto-Reichweite liegt hier allerdings trotzdem niedriger als in allen anderen Altersgruppen bei nun 41,3 Prozent. Auch die tägliche Sehdauer fällt mit 69 Minuten erheblich geringer aus, trotzdem ist es ein massiver Zuwachs von 35,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

SevenOne Kompass TV-Nutzung

Entwicklung Netto-Reichweite und Sehdauer im Wochenschnitt im Vergleich zur gleichen Woche im Vorjahr in der Zielgruppe 14-49 - Quelle: SevenOne Media

All diese Zahlen waren nun bezogen auf den Wochenschnitt. Auch innerhalb der Woche hat sich aber einiges getan (alle folgenden Zahlen in diesem Absatz beziehen sich nun nur auf die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen): Am Montag war die Sehdauer mit 143 Minuten noch am geringsten, Dienstag bis Donnerstag stieg sie auf knapp über 150 Minuten. Schon das war im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 12 bis 14 Prozent. Doch vor allem am Freitag und Samstag wurde dann deutlich mehr ferngesehen als noch im letzten Jahr - offenbar eine Reaktion auf den Wegfall der sonstigen Wochenend-Außer-Haus-Aktivitäten. Am Freitag stieg die tägliche Sehdauer auf 170 Minuten - 25 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Am Samstag betrug das Plus im Vergleich zum Vorjahr sogar 31,5 Prozent auf 193 Minuten. Der Sonntag als ohnehin klassisch starker TV-Tag sah keine so hohen Ausschläge mehr (+14,2 Prozent), auch wenn hier die Sehdauer mit 212 Minuten mit Abstand am längsten war - und so hoch lag wie zuletzt am 1. Januar 2019. Über 70 Prozent der 14- bis 49-Jährigen nutzten am Sonntag klassisches Fernsehen (Nettoreichweite).

Neben dem Wegfall von Alternativen und dem Wunsch nach Ablenkung durch TV-Unterhaltung ist der Effekt der erheblich stärkeren TV-Nutzung insbesondere in den jüngeren Altersgruppen vor allem auch auf ein hohes Informationsbedürfnis zurückzuführen. Das spiegelt sich auch darin wider, dass die in dem Bereich starken Öffentlich-Rechtlichen in dieser Altersgruppe weit überproportional profitieren. Die Netto-Reichweite der öffentlich-rechtlichen Sender stieg in der Altersgruppe 14-49 um 38,1 Prozent an, bei den ProSiebenSat.1-Sendern waren es "nur" 8,8 Prozent, bei den Sendern der RTL-Gruppe 10,1 Prozent. Die tägliche Sehdauer legte bei den Öffentlich-Rechtlichen gar um 66,4 Prozent zu.

Quelle für alle Daten in diesem Artikel, sofern nicht anders vermerkt: AGF SCOPE 1.8; Marktstandard: Bewegtbild; vorläufig gewichtete Daten; Tages-MA: Auswertungstyp TV-Zeitintervall; nutzungsbezogen; Sendungsdaten: Auswertungstyp TV; produktbezogen;