Wer am Montagnachmittag die Sat.1-Gerichtsshow "Richterin Barbara Salesch" einschaltete, dürfte sich erst einmal verwundert die Augen gerieben haben. Es gab weder eine Gerichtsverhandlung, noch war Barbara Salesch während der Sendung für mehr als eine Minute zu sehen. Stattdessen experimentiert Sat.1 in dieser Woche offensichtlich mit einer neuen Scripted Reality. Auch wenn sie unter dem Label "Richterin Barbara Salesch spezial" läuft - mit dem eigentlichen Format hat "Nachbar gegen Nachbar" kaum etwas zu tun.
Salesch selbst durfte lediglich zu Beginn ihrer Sendung kurz mit einigen einleitenden Worten erklären, wie die "Nachbar gegen Nachbar"-Geschichten denn nun plötzlich in das Gerichtsshow-Format passen sollen: "Über 10.000 Auseinandersetzungen unter Nachbarn werden jedes Jahr in Deutschland vor Gericht verhandelt. Doch was bei uns endet, hat oft eine dramatische Vorgeschichte. Und plötzlich heißt es: Nachbar gegen Nachbar."
Das mag man als Herleitung einleuchtend finden oder nicht - Sat.1 kann es mit Blick auf die Quoten egal sein. Denn siehe da: Während die üblichen "Richterin Barbara Salesch"-Sendungen in den letzten Wochen immer wieder sogar mit einstelligen Marktanteilen zu kämpfen hatten, holte die Ausgabe vom Montag nun plötzlich 15,3 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Seit Anfang August hatte nur eine Salesch-Ausgabe am Nachmittag einen noch besseren Wert erzielt.
Und die Sendung profitierte dabei offenbar nicht von einem starken Umfeld, sondern bewies eigene Stärke: Während Salesch in den letzten Wochen häufig das schwächste Glied am Sat.1-Nachmittag war, ragt sie diesmal als erfolgreichste Sendung heraus. "Zwei bei Kallwass" musste sich zuvor mit 13,4 Prozent Marktanteil zufrieden geben, "Richter Alexander Hold" kam im Anschluss nicht über 12,8 Prozent Marktanteil hinaus.
Ist "Nachbar gegen Nachbar" also ein Modell für die Zukunft? Barbara Salesch hat ihren Abschied bereits angekündigt - und auch wenn sie nun doch nicht bereits zum Jahresende ihren Hut nehmen wird, sondern für einige Zeit in eine Verlängerung geht: Auf dem 15 Uhr-Sendeplatz ist Nachschub dringend nötig. Bei Sat.1 spricht man angesichts dessen auch von einem einwöchigen Test-Ballon. Ob womöglich weitere folgen, konnte man derzeit noch nicht sagen.
Sollten die Quoten der Specials in den kommenden vier Tagen weiterhin so gut bleiben, wäre Sat.1 schon mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn man "Nachbar gegen Nachbar" nicht als eigenständiges Format verlängern würde. Es wäre im übrigen das gleiche Modell, mit dem RTL seinen Nachmittag grundsaniert hat: Auch "Verdachtsfälle" und "Familien im Brennpunkt" wurden einst für nur eine Woche innerhalb des sonst damals sonst ungescripteten "Mitten im Leben" getestet. Die Quoten waren signifikant besser als mit den üblichen Sendungen. Das Ergebnis ist bekannt: RTL führte beide Formate fort und dominiert mit ihnen heute nach Belieben die Daytime.