Am Donnerstag wurde eine interessante und aufschlussreiche Studie veröffentlicht: Das Institut für Medienforschung der Universität Rostock hat untersucht, wie es um die Diversität und die Darstellung der Geschlechter in Streaming-Produktionen steht. Also eine Studie zu dem Thema, das sich wie ein roter Faden von Anfang an durch meine Kolumne "Meine Woche in Serie" zieht.
Und trotzdem geht es in meiner heutigen Kolumne nicht um die Ergebnisse der Untersuchung. Ich habe mich dazu entschieden, erst nächste oder sogar noch später Woche darüber zu schreiben. Und zwar weil ich - nach 24 Jahren im Journalismus - die Mechanismen nur allzu gut kenne: Die Studie war am Donnerstag ein Thema, Freitag auch noch und vielleicht auch noch am Samstag. Aber danach rücken wieder andere Themen in den Vordergrund. Indem ich mich erst später ausführlich damit beschäftige, hoffe ich, dem Thema ein Körnchen mehr Nachhaltigkeit zu verleihen. Bis dahin verweise ich auf die Zusammenfassung der Studie "Alles schön bunt hier? - Geschlechterdarstellung und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten" und auf die Analyse von DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath mit der treffenden Überschrift "Ein bisschen besser ist nicht gut genug".
Jetzt aber zu dem, um was es hier diese Woche gehen soll: Serien in der Arte-Mediathek. Arte hat nämlich online aufgerüstet - wenn man das so martialisch sagen kann. Passt dazu, dass in den USA schon seit Monaten über die "Streaming Wars" geredet und geschrieben wird, also über den "Krieg der Streaminganbieter". Dieser Wettstreit hatte in dieser Woche ein schillerndes Opfer: Quibi, ein spektakulärer Neuzugang, der für verdammt viel Geld mit Stars besetzte Serien nur fürs Smartphone produziert hat, gibt auf (hier geht's zur News). Von einem Krieg zu reden, ist meiner Meinung nach ein falsches Bild, auch wenn der Konkurrenzkampf hart ist. So umkämpft wie in den USA ist der Markt in Deutschland bisher nicht, aber auch hier wird es enger, seit vor knapp einem Jahr erst Apple TV +, später Disney+ und einige kleinere Anbieter hineingedrängt sind.
Um nicht ganz in Vergessenheit zu geraten bei der Zielgruppe der Streaming-Serien-Guckenden, bemühen sich besonders das ZDF und auch Arte seit einiger Zeit mit neuen Angeboten. Schon seit einigen Monaten lohnt es sich, alle paar Wochen diese beiden Mediatheken durchzuschauen, ob und welche Serien neu dazugekommen sind - hin und wieder auch ganze Staffeln lange vor der Ausstrahlung im Fernsehen. Immer mal wieder waren Überraschungen für Fans von britischen und skandinavischen Serien darunter, manches auch Koproduktionen zwischen ZDF beziehungsweise Arte und Sendern in Skandinavien oder Frankreich. Auf jeden Fall eine wichtige Bereicherung des Angebots in Deutschland.
Doch das, was Arte verkündet und nun umgesetzt hat, geht noch ein Stück weiter: Anfang Oktober wurde - unabhängig vom Arte-Programm - ein kleiner Haufen britischer Serien veröffentlicht. Serien, die in Deutschland bisher gar nicht oder nur zum Kaufen verfügbar waren. Klar, im Vergleich zu dem, was die großen Streaminganbieter wie Netflix und Prime Video im Monat raushauen, ist das wirklich nur ein kleiner Haufen: fünf Serien. Aber für mich, als Fan von britischen Serien, ist das ein kleiner Haufen Glück.
Darunter ist nämlich "Inside No. 9", von der ich schon so viel gehört und gelesen habe: eine brillante Comedy-Serie, die in jeder 30-minütigen Folge eine neue Geschichte an einem neuen Ort und mit neuen Figuren erzählt, der einzige Zusammenhang ist die Nummer 9. Anthologien sind normalerweise nicht so mein Ding, aber das hier ist einfach grandios. Bitterböse, abgründig, erschreckend und phasenweise zum Totlachen - britischer Humor, genau wie ich ihn mag. Typisch auch: die Absurdität und die überraschenden Wendungen der Geschichten. Außerdem hochkarätig besetzt, von Anfang an. Dahinter stecken die beiden Comedians Reece Shearsmith und Steve Pemberton, die alle Folgen schreiben und die auch in fast jeder Episode wichtige Rollen spielen. Wichtig zu wissen: Die Tonalität der Folgen ist unterschiedlich, mal ist es hintergründiger Humor, dann Slapstick oder auch echter Grusel, den die beiden Autoren einsetzen. Vier Staffeln gibt's davon in der Arte-Mediathek und ich habe mir vorgenommen, mich zu beschränken und höchstens zwei Episoden die Woche davon zu schauen (ab nächster Woche jedenfalls, in dieser Woche ist mir das Beschränken nicht gelungen, die Folgen waren einfach zu gut) - kleine Inseln des Glücks in dem düsteren Corona-Herbst und -Winter, auf den wir zusteuern.
Große Vorfreude meinerseits außerdem auf "Ill Behaviour" - absurd und spannend, in drei Teilen erzählt. Chris Geere (bekannt aus seiner Hauptrolle in "You're the Worst") spielt Joel, der seinen an Krebs erkrankten, aber auf Naturheilkräfte vertrauenden Freund entführt, um ihm eine Chemotherapie zu verpassen. Außerdem bin ich gespannt auf "The Virtues", ein erschütterndes Drama um einen Mann, der mit dem Trauma seiner Kindheit und Jugend konfrontiert wird. (Achtung, nur bis Ende Dezember verfügbar!) Auf diese Serie warte ich schon seit Mai 2019 - damals wurde sie im "Pilot TV Podcast" besprochen und hoch gelobt. Ein kleiner Hörtipp am Rande: Terri White, die Chefredakteurin des britischen Film-Magazin "Empire", spricht im wöchentlichen "Pilot TV Podcast" mit zwei Kritiker-Kollegen über drei bis vier Serienneustarts der Woche. Da sind - zu meinem Leidwesen - natürlich immer wieder britische Serien dabei, die in Deutschland nie oder mit großer Verspätung verfügbar sind. Aber manchmal wird das Warten belohnt, wie im Fall von "The Virtues".
Und natürlich werde ich mir auch "A Young Doctor's Notebook" nicht entgehen lassen, mit Jon Hamm und Daniel Radcliffe in den Hauptrollen. Diese Comedy ist zwar schon ein paar Jahre alt, doch bisher habe ich sie nicht gesehen. Von den fünf Serien ist "Stag - Junggesellenabschied" die einzige, die mich nicht interessiert. Aber da es sich hier um eine weitere BBC-Produktion des Genres "Black Comedy" handelt, kann ich mir gut vorstellen, dass ich, wenn die anderen beendet sind, darauf zurückkommen werde. Arte hat weitere Serien nur für die Mediathek angekündigt - in der Pressemitteilung wird vollmundig von "Kult- und Ausnahmeserien" gesprochen. Außer "Mum" und "Detectorists" sind weitere Serien leider nicht bekannt. Aber ja, auf die fünf Serien, die seit Anfang Oktober zu sehen sind, trifft "Kult- und Ausnahmeserien" auf jeden Fall zu.
Die fünf vorgestellten Serien sind auf Englisch mit deutschen oder französischen Untertiteln verfügbar.
Ein kleiner Tipp zum Weiterlesen: mein geschätzter Kollege Peer Schader beschäftigt sich am Sonntag in seiner Kolumne "Hauptstadtstudio" ausführlich mit dem Phänomen der öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Lesenswert!