Hui, das war ein Finale. Ein bisschen verrückt und ziemlich überraschend. Genau wie die ganze zweite Staffel von "The Boys". Nachdem mich die zweite Hälfte von Staffel 1 - und der Umgang mit den Frauenfiguren insgesamt - enttäuscht hatte, hatte ich eigentlich keine große Lust, mich auf Staffel 2 einzulassen. Doch die Trailer haben unerwartet Vorfreude entfacht: Denn die neue Superheldin Stormfront, gespielt von Aya Cash, schien vielversprechend zu sein. Einerseits durch die Art, wie sie in den Trailern präsentiert wurde. Andererseits durch die Besetzung: Seit der ersten Staffel von "You're the Worst" bin ich Aya-Cash-Fan.
Es hat sich aber auch meine Erwartungshaltung verändert. Nach der ersten Folge von Staffel 1 hatte ich erwartet, dass "The Boys" nicht nur das über Jahrzehnte kulturell geprägte Bild von Superhelden auseinandernimmt, sondern das Superhelden-Genre an sich. Doch damit hatte ich die Serie schlicht überschätzt: Sie arbeitet sich am Superhelden-Ideal ab, doch nicht notwendigerweise an allen Erzählmustern und Formeln des Genres. Und das wirkt sich auf den Umgang mit Frauenfiguren aus, der folgt nämlich leider allzu oft den gängigen Genre-Mustern - was ich in meinem Text zu Staffel 1 ausführlich beschrieben habe.
Will heißen: Für Staffel 2 bin ich nicht davon ausgegangen, dass sich das ändern würde, trotz der angekündigten neuen Superheldin Stormfront.
Diese Erwartungshaltung war für Staffel 2 genau richtig. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor darauf, die Abgründe des Superheldenkults aufzuzeigen. Einerseits über die Hauptfigur Homelander (ziemlich trumpesk von Antony Starr gespielt), andererseits aber über die vielen anderen, kleineren Handlungsstränge rund um Superhelden und -heldinnen. Und das klappt hervorragend. Die gezeigten Abgründe sind erschreckend tief, und die Serie funktioniert überraschend gut als Kommentar auf die Entwicklungen in den USA und Trumps autokratisches Gebärden. Verpackt in brutale Action. Denn das ändert sich auch in Staffel 2 nicht - "The Boys" ist hin und wieder ein Splatterfest. In fast jeder Folge spritzen Blut, Gedärme und Hirnmasse, oft in unerwarteten Situationen. Diese Schockmomente unterstreichen den Zynismus der durch und durch korrupten Welt, die hier gezeigt wird.
Was mich freut: Kimiko (Karen Fukuhara), die in Staffel 2 nur als Handlungstreiberin eingesetzt wird, bekommt einen eigenen Erzählstrang und eine Backstory. So wird sie eine ernstzunehmende, ausgearbeitete Frauenfigur in den Reihen der superhelden-jagenden Boys. Auch auf der anderen Seite tut sich etwas: Neugzugang Stormfront mischt wie erhofft die Superhelden-Truppe um Homelander auf, allerdings ganz anders als ich das erwartet hätte.
Und - anders als im Finale von Staffel 1 - birgt das Finale von Staffel 2 viele Überraschungen. Besonders die Minuten nach den eigentlichen Finalszenen haben es in sich. Mit Ausblick auf Staffel 3 frage ich mich jetzt allerdings: Was wird der Antrieb für die Boys sein? Butchers (Karl Urban) Motivation ist weg, Hughie (Jack Quaid) schlägt einen anderen Weg ein. Eine Frage, deren Antwort ebenfalls spannend ausfallen könnte: Wo treibt sich Cindy (Ess Hödlmoser) herum und was ist ihr Ziel?
Dass es eine dritte Staffel geben soll, wurde bereits im Juli verkündet. Die werde ich gucken, auf jeden Fall.
Die zweite Staffel von "The Boys" ist bei Amazon Prime verfügbar, dort findet sich auch die erste Staffel.
Ein kleiner Tipp zum Weiterlesen: Unter dem Titel "'The Boys' Is the End of the Superhero As We Know It. And it is about time." hat Abraham Riesman bei "Vulture" eine sehr lesenswerte Betrachtung darüber geschrieben, was "The Boys" anders macht als andere Superhelden-Geschichten und warum das wichtig ist.
PS: Eine Nachricht in eigener Sache: Für mich ist ab nächstem Jahr Zeit für Neues, weshalb ich mich entschieden habe, mit dieser Kolumne aufzuhören. Aber natürlich nicht sofort, bis Mitte Dezember geht's mit "Meine Woche in Serie" erstmal wie gewohnt weiter. Was danach für den Samstag bei DWDL geplant ist, wird hier verraten.