"Cobra Kai" nun erzählt die "Karate Kid"-Geschichte weiter - mehr als 30 Jahre später treffen wir die Figuren wieder. Allerdings wird die Handlung nun aus Sicht von Johnny Lawrence (immer noch gespielt von William Zabka, aber nun eben älter) geschildert. Er, der im Film der Böse war, der den armen Danny in der Schule geärgert und verprügelt hat und schließlich im entscheidenden Karatefinale unfair gekämpft hat, steht im Mittelpunkt der Serie. Ein weiterer wichtiger Unterschied: Die Serie ist nicht als Drama wie der Film, sondern als Comedy-Drama angelegt.
Beides, die Hauptfigur und die neue Tonalität, funktionieren gleich von Anfang gut. Johnny ist zwar eigentlich ein Arschloch, aber ein bemitleidenswertes Arschloch: Er ist der Loser geblieben, zu dem ihn der Film gemacht hat. Er verliert zu Beginn der Serie seinen - ungeliebten und schlechtbezahlten - Job, trinkt zu viel, jemand fährt in sein - geliebtes - Auto. Er ist zwar unfreundlich zu allen und jedem, aber es scheint durch, dass da irgendetwas Gutes in ihm steckt. Kurz: So wie sich Johnny entwickelt hat, würde Barney Stinson nicht mehr zu ihm halten.
Der frührere Protagonist Daniel LaRusso (ebenfalls immer noch Ralph Macchio) ist nun der Antagonist. Er ist immer noch freundlich und eigentlich sympathisch. Und auch insgesamt im Leben ist er ein Gewinner: Er hat Erfolg im Job, hat eine nette und intakte Familie, mit der er in einem luxuriösen Haus lebt. Doch trotz seines Triumphes im Wettkampffinale vor mehr als drei Jahrzehnten wohnt in ihm ein Hass auf seinen früheren Rivalen, der ihn zu unsympathischen Handlungen treibt.
Die Serie nimmt sich nicht so ernst. Und das tut ihr gut. Während "Karate Kid" vor ernstgemeinten Klischees und Kitsch strotzte, sind die Übertreibungen und Verkitschungen hier so gut gesetzt und wohldosiert, dass sie witzig sind. Humor wird auch genutzt, um vermeintlich bekannte Situationen in andere Richtungen zu treiben, als das Publikum erwarten würde.
Aber: All das zusammengenommen erklärt mir noch nicht, warum ich die zehn Folgen der ersten Staffel gerne geschaut habe und mich darauf freue, am Wochenende mit der zweiten Staffel weiter zu machen. Denn "Cobra Kai" ist eigentlich so gar nicht mein Ding. Gescheiterte männliche Existenzen, die amüsant der Vergangenheit hinterherjammern, dazu Karate-Kämpfe und 80er-Jahre-Bezüge entsprechen nicht meinen Vorlieben von guter Unterhaltung. Doch obwohl der Haupthandlungsstrang um Johnny in seinen Grundzügen keine Überraschungen bereit hält, schafft die Serie es, meine Aufmerksamkeit zu fesseln und mich zu unterhalten. Wie sie das genau hinbekommt, kann ich gar nicht im Detail sagen. Es ist eine Mischung aus Faszination, wie hier mit bekannten 80er-Jahre-Highschool-Erzählmustern umgegangen wird, und wirklichem Interesse an den Figuren. Besonders an der Hauptfigur Johnny.
Übrigens: super Cliffhanger am Ende der ersten Staffel, der für Staffel zwei auf interessante Entwicklungen hoffen lässt. Und vielleicht finde ich in Staffel zwei die Antwort auf die Frage, warum ausgerechnet mir diese Serie so gut gefällt. Dass es eine Staffel drei geben wird, steht bereits fest - sie soll 2021 veröffentlicht werden.
Die Staffeln 1 und 2 von "Cobra Kai" sind bei Netflix verfügbar, bei Google Play gibt's nur Staffel 1.