Was bisher geschah: Die Kolumnistin hat sich bereits in zwei Texten dazu bekannt, die Serie "Lucifer" zu mögen. Begeistert von Staffel 2 schrieb sie im September 2017: "Hach, war das herrlich. Und, hach, war das herrlich verrückt. Die zweite Staffel von "Lucifer" hat mir großen Spaß gemacht, noch größeren als die erste, die mir auch schon gut gefallen hat." Über Staffel 3 allerdings urteilte sie: "erzählerisches Durcheinander" und schrieb, dass sie sich fast abgewandt hätte. Staffel 4 dagegen gefiel ihr sehr gut, weshalb sie im Juni 2019 das Fazit zog: "10 Folgen lang gut erzählte Lucifer-Geschichte sind mir tausendmal lieber als 26 Folgen Lucifer in einem erzählerischen Chaos."
Jetzt also die fünfte Staffel von "Lucifer", der Serie, in der der Teufel alias Lucifer Morningstar auf die Erde kommt und in Los Angeles Kriminalfälle löst. Kurz zur Einordnung ein paar Infos, die vorab nach und nach bekannt wurden:
- Im Juni 2019 hieß es, Staffel 5 werde die letzte Staffel sein und aus 10 Folgen bestehen. Meine Reaktion: Abschied, schade, aber 10 Folgen - yay! (Warum? Siehe oben, Stichwort: erzählerisches Chaos.)
- Im Juli 2019 dann wurde verkündet: Überraschung! Die Staffel wird auf 16 Folgen verlängert! Meine Reaktion: Äh, okay, dann trotzdem Freude, aber ein bisschen Sorge. (Warum? Siehe oben, Stichwort: Chaos.)
- Im Oktober 2019 schließlich hieß es: Übrigens, die 16 Folgen der letzten Staffel werden in zwei Teile unterteilt und zu unterschiedlichen Zeiten veröffentlicht. Meine Reaktion: Was?! Oh nein!
- Im März 2020 dann die Meldung: Die Dreharbeiten zu "Lucifer" werden wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit unterbrochen, die zweite Hälfte von Staffel 5 ist noch nicht abgedreht. Meine Reaktion: OH! NEIN! DIE VERFLUCHTE PAUSE MITTEN IN DER STAFFEL WIRD AUCH NOCH RICHTIG LANG?!?
Mit anderen Worten: Ich freute mich auf Staffel 5, befürchtete aber nach diesen vielen Meldungen, dass das wieder ein erzählerisches Durcheinander werden könnte. Und: dass die Unterteilung der Staffel alles noch schlimmer machen würde. (Die Meldungen über die steigende Wahrscheinlichkeit einer sechsten Staffel, die wiederum durch komplizierte Vertragsverhandlungen mit Hauptdarsteller Tom Ellis wieder etwas sanken, habe ich dann einfach ignoriert - wenn's weitergeht, geht's weiter.) Sagen wir es mal so: Meine erste Befürchtung ist nicht eingetreten. Meine zweite schon: Ich habe mich sehr geärgert, als nach Folge 8 Schluss war.
Aus Zuschauerinnen-Sicht finde ich das Konzept "Staffelpause" grundsätzlich problematisch und ärgerlich. Ich weiß, dass das bei einigen Serien gemacht wird - die letzte Staffel von "Breaking Bad" hatte mittendrin eine Pause, auch bei "The Walking Dead" oder "Vikings" ist das mittlerweile gang und gäbe, genauso wie bei "How To Get Away With Murder" und einigen anderen. Aber, um mal einen Satz zu nutzen, den auch mein Kind mittlerweile von mir kennt: Nur weil es andere machen, heißt das nicht, dass das eine gute Idee ist.
Außerdem gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Serien, die ich oben aufgezählt habe, wurden oder werden wöchentlich veröffentlicht. "Lucifer" dagegen ist seit Staffel 4 eine Streaminganbieter-Serie - seit Netflix die Serie von Fox übernommen hat. Und Netflix hat noch immer die Praxis, dass echte Serien-Eigenproduktionen staffelweise veröffentlicht werden, also solche Serien, die nur für Netflix produziert werden. (Damit meine ich jetzt ausdrücklich nicht Serien, die vom Streaminganbieter zwar auch "Netflix Original" genannt werden, an denen Netflix aber nur beteiligt ist oder für die Netflix die Rechte in bestimmten Ländern gekauft hat wie "Star Trek: Discovery" oder "Better Call Saul".) Hier jetzt also mit der Idee um die Ecke zu kommen, man könnte die eine Hälfte jetzt gleich und die zweite Hälfte später veröffentlichen, stellt die Idee des von Netflix etablierten und kultivierten Binge-Watchings in Frage. Was soll das? Eine Staffelpause bei wöchentlich veröffentlichten Serien ist - besonders wenn das Drehbuchteam ein Händchen für Dramaturgie hat - schlimm genug für die Nerven des Publikums. Eine Staffelpause in einer fürs Bingen gedachten Serie aber ist einfach absurd. Entweder man will, dass die Leute die Serie bingen - oder man will es nicht. Aber es nur halb zu wollen? Hä?
Und bei "Lucifer" kommt das Halbfinale an einem Punkt, an dem die Serie endlich Fahrt aufgenommen hatte. Die ersten acht Folgen von "Lucifer" waren zwar kein erzählerisches Durcheinander, aber man merkte schon, dass sich die Autoren und Autorinnen mit dem Erzählen zu viel Zeit gelassen haben. Warum, das erkläre ich gleich, zuerst ist aber eine kleine Warnung nötig:
+++ SPOILERWARNUNG - In den folgenden vier Absätzen werden wichtige Entwicklungen der ersten Hälfte der fünften Staffel von "Lucifer" vorweggenommen. +++
So, dann kann ich ja jetzt frei von der Leber weg schreiben, ohne Sorgen zu haben, jemandem den Guckspaß zu verderben. Also, fangen wir mal vorne an: Ich war gespannt, wie die Serie - die ja als Procedural, das normalerweise einen Kriminalfall pro Folge hat - damit umgehen würde, dass Lucifer (Tom Ellis) am Ende von Staffel 4 in die Hölle zurückgekehrt ist. Die Idee, dass Lucifer in der Hölle demselben Fall nachgeht wie Chloe Decker (Lauren German) und Mazikeen (Lesley-Ann Brandt) auf der Erde, fand ich in der ersten Folge unterhaltsam, war aber froh, dass das jetzt nicht für mehrere Fälle herhalten muss. Der Erzählansatz mit dem bösen Zwillingsbruder war interessant, wenn auch leider im Trailer gespoilert. Glücklicherweise durfte Chloe das Doppelgänger-Spiel schnell durchschauen, Amenadiel (D.B. Woodside) ebenfalls. Und dass Amenadiel dann Lucifer in der Hölle vertritt, damit der wiederum seinen bösen Zwilling Michael (Tom Ellis) vertreiben kann - ja, da konnte ich mitgehen. Aber dass Amenadiel kurz darauf ebenfalls wieder zur Erde zurückkehrt, mit der Begründung: "Ach, in der Hölle muss niemand mehr aufpassen, sagt Vater", finde ich hanebüchen.
Schließlich war das doch einer der wichtigen Konflikte, der sich über mehrere Staffeln zog: Dass Lucifer eigentlich wieder zurück an seinen Platz muss und verschiedene Himmelswesen geschickt wurden, um das zu erreichen, zum Schluss sogar die Dämonen rebellierten, damit ihr geliebter Chef wieder zu ihnen kommt. Und ich fragte mich beim Gucken: Ist das jetzt eine billige Hilfskonstruktion der Autoren und Autorinnen, damit Amenadiel wieder Teil der Geschichte werden kann? Oder ergibt das später noch irgendeinen Sinn? Aber es wird einfach nicht weiter thematisiert, sondern die Konzentration liegt auf den episodischen Kriminalfällen - in denen anders als in Staffel 1 und 2 Lucifer nicht mehr seine eigenen Probleme reflektiert sieht -, und auf die "kriegen sie sich - kriegen sie sich nicht?"-Geschichte zwischen Lucifer und Chloe, die durch immer neue Wendungen in die Länge gezogen wird.
Und hier tritt das Problem der fünften Staffel zu Tage, das durch die Verlängerung auf 16 Folgen (und das Teilen der Staffel) meiner Meinung nach nur verstärkt wurde: "Lucifer" kann keine Kriminalfall-Procedural-plus-überirdische-Konflikte-Serie mehr sein. Denn die starken Geschichten, das sind die nicht-episodischen. Der böse Zwilling ist auf der Erde, aber man merkt mehrere Folgen lang fast nichts von ihm? Obwohl Lucifer sehr wohl weiß, dass Michael noch sein Unwesen treibt und etwas ausheckt, beschäftigt er sich damit, Mordfälle zu lösen. Das ist unlogisch, zieht die Geschichte unnötig in die Länge. Was für eine Zeitverschwendung! Gerade, als die Geschichte des überirdischen Machtkampfes endlich Fahrt aufnimmt, gerade als endlich guter Engel gegen böser Engel, guter Engel gegen Dämon kämpft und irgendwann zwei gute Engel gegen einen bösen Engel kämpfen, als alle drei ihre Flügel auffahren, Gott höchstpersönlich endlich auftaucht - gerade dann ist die erste Hälfte der Staffel vorbei. (Sehr sehenswerte Folge, übrigens!)
Was soll das? Wer eine Staffel schreibt und produziert und diese in zwei Teile je acht Episoden teilt, sollte sich ziemlich sicher sein, dass sie das wert ist. Dass es sich fürs Publikum lohnt. Diese fünfte Staffel, so wie man sie bisher sehen konnte, ist es leider nicht. Hier hätte man schon in der ersten Hälfte das Drehbuch um zwei ganze Folgen straffen können und es wäre nichts verloren gewesen. Bei durchgehend starken Episoden hätte ich am Ende der ersten Hälfte bei einem solchen Cliffhanger zwar auch gejammert - vor Spannung. Aber ich hätte nicht das Gefühl gehabt, dass hier etwas künstlich in die Länge gezogen wurde, damit mit einem Cliffhanger geendet werden kann. Wenn ich die Figuren nicht so mögen würde, würde ich ernsthaft darüber nachdenken, ob ich die zweite Hälfte der Staffel überhaupt sehen möchte. Denn auch wenn die erste Hälfte größtenteils unterhaltsam war - gut erzählt waren die acht Folgen leider nur manchmal.
+++ SPOILERGEFAHR vorbei. +++
Meine große Sorge für die angekündigte sechste Staffel: Dass Lucifers Geschichte eigentlich bereits zu Ende erzählt ist. Denn, wie im ersten Teil von Staffel 5 zu sehen war: Es sind nicht mehr die episodischen Kriminalfälle, die die Serie antreiben, sondern es sind die Konflikte der überirdischen Wesen. Und der eigentliche Konflikt, dass Lucifer an seinen Platz in die Hölle zurück muss, scheint sich ja in Luft aufgelöst zu haben. Alles egal? Natürlich nicht, irgendetwas werden sich die Autorinnen und Autoren sicher einfallen lassen, das ist mir klar. Aber ob das überzeugend sein wird? Derzeit habe ich daran große Zweifel.
Der erste Teil der fünften Staffel von "Lucifer" ist in Deutschland bei Amazon Prime zu sehen. Wann der zweite Teil der Staffel zu sehen sein wird, ist noch nicht bekannt, da die Produktion durch die Corona-bedingte Drehpause noch nicht abgeschlossen werden konnte.