Eine Serie über Nonnen, die sich dem Kampf gegen Dämonen mit allerhand Waffen, Kampfkunst und Technik verschrieben haben und nebenbei noch das Patriarchat in Frage stellen? Ja, die gibt es: "Warrior Nun", eine Adaption der Comic-Reihe "Warrior Nun Areala" von Ben Dunn. Wenn mich jemand gefragt hätte, welche Serie ich mir wünschen würde, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass kämpfende Nonnen im Spanien der Gegenwart weit oben auf meiner Liste stehen könnten. Aber überraschenderweise ist "Warrior Nun" eine der Serien, die mich in den vergangenen Monaten am meisten begeistert hat. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich mit dieser Fantasyserie nicht gerechnet hatte. Je weniger man von einer Serie erwartet, desto größer kann meiner Erfahrung nach die Begeisterung sein.
Aber als sie dann Anfang Juli veröffentlicht wurde und ich darüber las, dass hier Nonnen Martial Arts kämpfen und Dämonen vernichten, dachte ich: "Warum nicht? Ist eh gerade eine verrückte Zeit, vielleicht passt das." Und wie es passte! Diese Serie zog mich hinein in ihre Welt. Ihre Welt, in der die katholische Kirche seit Jahrhunderten einen geheimen Nonnen-Orden betreibt - angeführt von einer Nonne mit übernatürlichen Kräften -, dessen einziger Zweck der bewaffnete Kampf gegen Dämonen ist, die aus der Hölle auf die Erde kommen. Dabei ist die Geschichte eine, wie ich sie schon viele, viele Male gesehen und gelesen habe: Eine Unbeteiligte wird unverhofft als Heldin auserwählt, hadert mit ihrem Schicksal, will sich der Verantwortung nicht stellen, tut es wenig überraschend am Ende doch und wächst über sich hinaus. Dass es auf dieses klassische Helden-Muster hinausläuft, ist schon in Folge eins absehbar. Doch die bekannte Erzählung ist so unterhaltsam verpackt mit Mystik, gut choreografierten Kämpfen, fantasievollen Kampfmonturen, einem gut ausgewählten Soundtrack, Bildern von malerischen spanischen Landschaften und pittoresken spanischen Städtchen und Sakralbauten, dass ich gerne hinschaue. Und so folge ich der Geschichte der unfreiwilligen Heldin Ava (Alba Baptista) und den Schwestern des Ordens des kreuzförmigen Schwertes - und habe immer mehr Spaß daran, je weiter die Serie fortschreitet.
Die große Heldinnen-Reise rückt in den Hintergrund, wichtig werden für mich die vielen kleinen Wendungen auf Avas Weg. Das ist es, woraus ich Spannung ziehe, obwohl klar ist, dass sie sich ihrer Verantwortung stellen wird. Schließlich, nachdem sie ihre Rolle angenommen hat, folgt die erste große Mission. Und die hat es einerseits in sich, weil dafür viel geplant und vorbereitet werden muss und außerdem tolle Kampfszenen gezeigt werden. Andererseits hat es diese Mission erzählerisch in sich: Hier wird politisch intrigiert, hier werden kirchliche Erzählungen und schließlich der christliche Glauben in Frage gestellt. Die Geschichte nimmt von da an einige von mir unerwartete Wendungen, die die bisherige Handlung in einem anderen Licht erscheinen lassen. Ein würdiger Endgegner taucht auf, der Cliffhanger am Ende von Folge zehn verspricht Großes für Staffel zwei (für die es schon Pläne gibt, die von Netflix aber noch nicht offiziell abgesegnet ist).
Klar werden hier immer wieder Erinnerungen an die legendäre Fantasyserie "Buffy - Im Bann der Dämonen" wach. Ich erwähne die Vampirjägerin bewusst erst in Absatz vier, denn "Warrior Nun" hat zwar einige Gemeinsamkeiten mit "Buffy", und mindestens Avas lockere Sprüche in allerlei unpassenden Situationen wirken von Buffy Summers inspiriert. Doch "Warrior Nun" den zeitgemäßen Nachfolger von "Buffy" zu nennen, finde ich verfrüht. Ob Ava und ihre kämpfenden Schwestern in Buffys Fußstapfen treten, wird sich erst in Staffel 2 oder 3 zeigen. Vielleicht entwickelt sich die Serie anders und hat dann mit der 90er-Jahre-Fantasyserie für Teenager nicht mehr viel zu tun. Vielleicht lässt sie auch erzählerisch so stark nach, dass sie nur noch wie ein billiger "Buffy"-Abklatsch wirkt.
Was ich aber jetzt schon sagen kann: Diese Serie hat das Zeug, mich über mehrere Staffeln zu begeistern. Denn hier sind mehrere Figuren angelegt, die mich interessieren und von denen ich hoffe, dass sie in weiteren Staffeln noch mehr Raum bekommen. Dass es für die Hauptfigur Ava abwechslungsreich weitergeht, ist absehbar. Aber ich würde mich freuen, wenn Schwester Beatrice (Kristina Tonteri-Young) und Mary (Toya Turner) noch mehr Entwicklung zugestanden wird, wenn sie mehr tun dürfen als nur die Handlung der Heldin voranzutreiben. Genauso Schwester Lilith (Lorena Andrea), deren Geschichte interessante verworrene Abzweigungen nehmen könnte.
Eine Beobachtung noch zum Schluss: Diese Serie hat einige Schwächen. (Nur kurz drei Beispiele: Mal sitzt ein Schnitt nicht, dann sind in einer Folge die Zweikämpfe nach einem zu klaren Muster eingestreut, mal ist die Handlung in sich nicht logisch.) Ja, mir sind die Mängel beim Gucken aufgefallen. Doch sie haben mich nicht gestört. Das, was mich bei anderen Serien aufregen würde, habe ich hier hingenommen, ohne mir den Spaß verderben zu lassen. Woran das liegt? So richtig kann ich das bisher nicht sagen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass andere Aspekte die Schwächen wettgemacht haben? Vielleicht, weil ich einfach nur gut unterhalten werden wollte? Vielleicht, weil ich den Eindruck habe, dass die Serie sich selbst nicht zu ernst nimmt? Was ich damit meine: Dass die Serie gar nicht mit dem Versprechen antritt "Hier wird das Serienerzählen neu erfunden und besser gemacht als bei allen bisherigen", sondern das Versprechen einfach lautet "Hier gibt's gute Unterhaltung mit einer dicken Portion Feminismus". Vermutlich sind alle drei Punkte zusammengenommen der Grund, warum ich die Serie trotz der offensichtlichen Mängel so genossen habe.
Die erste Staffel von "Warrior Nun" ist bei Netflix verfügbar.