Ich bin Mutter, und wer selbst ein Elternteil ist, kennt das Phänomen: Es gibt nichts Schlimmeres als die anderen Eltern. Nicht, dass ich niemanden leiden könnte, der oder die auch Kinder hat. Nein, auch meine besten Freunde haben Kinder. Ich meine das eher als Konzept „andere Eltern“. Andere Eltern, das ist das, was man im Geburtsvorbereitungskurs, in der Krabbelgruppe, auf dem Spielplatz, in der Kita und auf Elternabenden kennenlernt. Andere Eltern sind Impfgegner. Andere Eltern bringen ihre Kinder jeden Nachmittag zu einem anderen Hobby. Andere Eltern veranstalten riesige Kindergeburtstagspartys für Einjährige. Andere Eltern verbieten selbst harmlose Videogames. Und das Entscheidende bei anderen Eltern: Sie tragen ihr Elternsein und ihre Überzeugungen vor sich her. Sie wollen sich erklären, sie wollen andere von ihren Vorstellungen überzeugen. Deswegen dürfte folgender Satz nicht überraschen: Andere Eltern, das sind die, mit denen ich sowohl Unterhaltungen über bestimmte Themen als auch Treffen außerhalb der oben aufgezählten Eltern-Zonen unbedingt vermeide. Aber - mir ist auch klar: Für irgendjemanden bin ich auch andere Eltern. Und sei es nur, weil meine Tochter bestimmte Spiele auf dem iPad spielen und von mir ausgewählte Serien gucken darf, weil ich das Erlernen des Umgangs mit digitalen Medien wichtig finde.
Am Dienstag ist eine Serie gestartet, die genauso heißt wie das von mir beschriebene Phänomen: „Andere Eltern“. Während es unter den Zuschauerinnen und Zuschauern sicher einige gibt, die sich wie mein DWDL.de-Kollege Kevin Hennings in seiner Kritik darüber freuen, dass in der Serie Helikoptereltern ihr Fett wegbekommen, freue ich mich bei dieser Serie über etwas anderes: dass hier jemand das Konzept andere Eltern verstanden und treffend umgesetzt hat. Die Serie von TNT Comedy dreht sich um Eltern und hoffentlich-bald Eltern in Köln-Nippes, die sich aus Kita-Platz-Not zusammentun, um eine eigene Kita zu gründen. Die Eltern: Gutverdienende, die es sich leisten können, dass ein Elternteil zu Hause bleibt oder sich selbst findet. Der Stadtteil: gentrifiziert.
Kita-Platz-Not - natürlich kenne ich das Problem aus eigener Erfahrung. Wenn unsere Situation so ausweglos gewesen wäre, wie sie hier gezeigt wird, hätte mich das vielleicht auch in eine solche Elterninitiative gezwungen. Ich hätte es gehasst, das tun zu müssen. Daher: Diese Serie hat ein perfektes Setting für mich. Und vermutlich für viele weitere Eltern. Ich sitze vor dem Fernseher und seufze beim Anschauen der Serie immer wieder erleichtert, dass dieser Kita-GAU-Kelch an mir vorübergegangen ist. Es ist herrlich, wie hier einer meiner schlimmsten Albträume in seiner schlimmstmöglichen Variante durchgespielt wird. Dabei geht es mir nicht darum, ob ich es mit diesen anderen Eltern in "Andere Eltern" ausgehalten hätte. Sondern darum, dass diese Serien-Eltern die schlimmsten anderen Eltern sind, die ich mir vorstellen kann. Sie sind derart von sich überzeugt, dass sie andere Meinungen und Überzeugungen nicht gelten lassen. Kompromisse können sie nicht akzeptieren, setzen sich notfalls hinter dem Rücken der anderen durch. In ihrem Drang - der fast schon ein Zwang ist -, nur das Beste für ihre Kinder zu wollen und zu bekommen, schießen sie über das Ziel hinaus. Sie fühlen sich anderen moralisch überlegen, werfen die moralischen Grundsätze aber über Bord, sobald es ihren eigenen Interessen dient. Und, klar, sie lästern tüchtig übereinander, heucheln im Gespräch miteinander aber immer Verständnis und Freundlichkeit.
Mir haben die vier Folgen, die mir TNT Comedy vorab zur Verfügung gestellt hat, großen Spaß gemacht. Die Figuren, ihre Entscheidungen und die Situationen, mit denen sie umgehen müssen, sind im Alltag beobachtet - um sie dann für die Serie so stark zu überzeichnen, dass man sich an den Alltag erinnert fühlt und umso herzhafter lachen kann. Da ist die schwangere Hauptfigur, die ihre Kinder zur Masernparty schleppen will, ohne das mit ihrem Mann zu klären - allerdings hat ihr Mann die Kinder ohne ihr Wissen schon vor einiger Zeit impfen lassen. Da ist der Hausmann, der bei jedem Spielplatzbesuch - die Anreise erfolgte natürlich mit dem Kindertransport-Rad - zuerst die TÜV-Siegel der Spielgeräte kontrolliert und mögliche Unfallstellen identifiziert, bevor seine Kinder dort spielen dürfen. Da ist die Diskussion darüber, welche Sprachen in der neue Kita angeboten werden sollten, die durch das ernsthafte Erwägen von Klingonisch und Elbisch ins Absurde getrieben wird.
Allerdings: Im wahren Leben bin ich froh, anderen Eltern aus dem Weg gehen zu können. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich von „Andere Eltern“ vielleicht bald auch schon genug haben werde. Denn - und hier sehe ich ein großes Problem der Serie - ich konnte in den ersten vier Folgen bei den Figuren keine Seele erkennen oder erspüren. Ja, sie sind Parodien. Aber mehr leider auch nicht. Und da hier keine dramatische Geschichte erzählt wird, ist es - damit ich die Serie weiterverfolge - wichtig, dass ich in den Figuren etwas erkenne, das über das bloße „Haha, wie witzig! Haha, wie treffend!" hinausgeht. Das muss nichts Liebenswertes sein, sondern etwas, das sie aus dem Parodie-Holzschnitt löst, das sie rund, das sie komplex macht. Etwas, das mich sie ansatzweise verstehen lässt, damit ich Empathie empfinden kann. Sonst bleibt mir eine Serie, auch wenn sie diesen einen Teil meines Lebens treffend aufs Korn nimmt und mir deshalb ganz nah sein müsste, seltsam fern.
PS: Mein DWDL.de-Kollege Torsten Zarges hat ein äußerst lesenswertes Interview mit "Andere Eltern"-Regisseur Lutz Heineking junior und -Hauptdarstellerin Lavinia Wilson geführt - unter anderem geht es darum, dass die Serie auf Improvisation beruht.
Die sechs Folgen der ersten Staffel von "Andere Eltern" sind seit 19. März wöchentlich dienstags bei TNT Comedy zu sehen. Die Folgen sind nach Veröffentlichung außerdem bei Sky Ticket verfügbar.