"Outlander" ist für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden. Es gibt derzeit keine andere Serie, die mich so tief berührt wie die bewegte Geschichte von Claire Fraser (Caitriona Balfe) und Jamie Fraser (Sam Heughan) im 18. Jahrhundert. Und weil das so ist, habe ich das Anschauen der vierten Staffel lange hinausgezögert. Wenn es um "Outlander" geht, wünsche ich mir nämlich nichts sehnlicher, als dass die Hauptfiguren endlich vereint Frieden finden - und das, wenn es nach mir ginge, in Schottland. Weder Ersteres noch Zweiteres scheint den beiden vergönnt: Am Ende der dritten Staffel stranden sie gemeinsam nach einem Schiffsbruch mittellos an der Küste von Nord-Amerika. Im Dezember 2017 habe ich das Staffelfinale gesehen und gedacht: "Oh je, die nächste wird ja keine Schottland-Staffel", aber noch keine Entscheidung übers Weitergucken gefällt.
Obwohl mein Herz sich nach einem Happy-End sehnt, weiß mein Hirn es besser: Damit sich neue, fesselnde Konflikte auftun können, müssen die beiden Figuren weiter in Abenteuer geworfen werden. Die Beziehung zwischen Claire und Jamie ist der Kern der Geschichte, die Figuren haben viel dafür riskiert, beieinander zu sein. Die Beziehung an sich steht außer Frage, wenn die Serie ihre Identität behalten soll. Man kann also nur bedingt Konflikte in die Beziehung bauen - kleinere: ja; die Existenz der Beziehung bedrohende: schwierig.
Eigentlich ist es ein gutes Zeichen, wenn mir die Figuren so sehr am Herzen liegen. Doch gleichzeitig macht es das schwerer für mich, ihnen zu folgen. Und wenn nur mein Herz die Entscheidung gefällt hätte, hätte ich den Einstieg in Staffel 4 so lange hinausgezögert, bis mein Herz abgekühlt wäre. Denn während mein Herz wehleidig sagt: "Fahrt wieder nach Schottland! Werdet dort glücklich, ohne diesen Abenteuer-Schnickschnack." Sagt mein Hirn vorfreudig: "Ah! Sie sind in Nord-Amerika, in der Neuen Welt. Neues Land, neue Konflikte. Und vielleicht holt sie der eine oder andere alte Konflikt wieder ein! Spannend!" Und dann sagt das Hirn zum Herzen noch: "Stell dich nicht so an. Eigentlich sehnst du dich doch danach, sie wiederzusehen."
Von außen betrachtet ist die Sache einfach: Eine Serie, die mir so zu Herzen geht, ist es wert, dass ich sie weiterschaue. Egal, wie sehr mein Herz leidet. Denn das zeigt, dass diese Serie gut geschrieben ist, dass mich die Figuren interessieren, dass sie mir etwas bedeuten, dass ich ihre Konflikte nachvollziehen kann und mit ihnen fühle und fiebere. Also all das, was ich mir von einer Serie wünschen kann. Es wäre geradezu dumm von mir, "Outlander" nicht weiterzugucken. Der richtige Zeitpunkt zum Aussteigen wäre erst dann gekommen, wenn es mir egal wäre, wo Claire und Jamie leben und ob sie noch zusammen sind.
Zwölf Folgen und ein Staffelfinale später kann ich nur sagen: Ja, es war sehr gut. Die Geschichte von Claire und Jamie ist in Staffel 4 gekonnt weitererzählt worden. Ich habe gefiebert, gelitten, gelacht, mich gefreut und geweint. In zwei gegensätzlichen Attributen zusammengefasst: Ich bin emotional aufgewühlt und rational beeindruckt. Es gab über die Staffel verteilt mehrere Szenen, in denen mir die Tränen über die Wangen liefen und ich gleichzeitig dachte: "Wow, das haben die aber gut hingekriegt." Ich war erstaunt, wie leicht ich mich zu Anfang der ersten Folge wieder in diese besondere Welt fallen lassen konnte, die historisch und fantastisch zugleich ist. Wie vertraut mir die Figuren gleich in den ersten Szenen waren, wie ich mich gefreut habe, sie wiederzusehen. Und wie schön es war, mit ihnen zusammen Abenteuer zu erleben. Auch wenn das bedeutete, dass ich häufig Spannung, mal Trauer, mal Entsetzen und mal Wut aushalten musste.
Drei oder vier Mal kam ich an einen Punkt, an dem mein Hirn dem Fortgang der Geschichte und dem Können der Drehbuchautorinnen und -autoren misstraute. An dem ich Dinge dachte wie: "Oh je, hoffentlich ziehen sie diesen Konflikt jetzt nicht noch weiter in die Länge." Oder: "Nein, bitte nicht so und so weitermachen, das wäre ein blöde Entwicklung." Doch jedes Mal wurde ich überrascht, weil sich alle Entscheidungen als klug herausstellten und meine Befürchtungen fehl am Platz waren. Hier wurde fast nichts künstlich in die Länge gezogen, es wurde sorgsam mit den Figuren umgegangen, jede Entscheidung war aus den Figuren heraus sinnvoll. Und spätere Konflikte wurden frühzeitig genug und auffällig genug gesät, soll heißen: Wenn neue Konflikte entstanden, waren sie die Konsequenz früherer und manchmal lang zurückliegender Entwicklungen, Entscheidungen und Handlungen. Ich habe großen Respekt vor dem, was das Drehbuch-Team um Ronald D. Moore, Matthew B. Roberts und Toni Graphia aus der Buchvorlage von Diana Gabaldon gemacht hat. Okay, eine Sache habe ich doch zu meckern: Diese eine Entscheidung im Finale war unnötig in die Länge gezogen und hätte der Figur widersprochen, wenn sie anders ausgefallen wäre. Aber ansonsten haben weder mein Herz noch mein Hirn an dieser Staffel etwas auszusetzen - außer vielleicht, dass das Herz gerne mehr Zeit in Schottland verbracht hätte.
Die vierte Staffel von "Outlander" ist am Sonntag in den USA zu Ende gegangen, alle 13 Folgen von S4 gibt's zum Beispiel bei iTunes oder Amazon. Die vierte Staffel läuft mittwochs in Doppelfolgen auf Vox.
Ein Lesetipp für all diejenigen, die Staffel 4 bereits beendet haben und die Buchvorlage kennen: Bei "Vulture" gibt es eine interessante Auseinandersetzung damit, was in der Serie im Vergleich zum Buch verändert wurde und zwar unter der Überschrift "'Outlander's Willingness to Depart From The Books Has Made It Better"