Als Journalistin, die über Serien schreibt und redet, kenne ich mich mit Kinderserien nicht aus. Wie leider die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen - Kinderserien sind nur sehr selten ein Thema. Als Mutter einer Tochter, die in die erste Klasse geht, kenne ich mich allerdings mit Kinderserien aus. (Wenn auch weniger gut, als ich das gerne hätte.) Denn Kinderserien sind bei uns zu Hause natürlich oft ein Thema - wie vermutlich in sehr vielen Familien.

Weil ich schon vor einigen Jahren festgestellt habe, dass selbst öffentlich-rechtliche Sender Serien mit zweifelhaften, teilweise sogar sexistischen Rollenbildern und sexualisierten Körperbildern produzieren lassen und dass selbst vermeintlich harmlose Konflikte und Situationen in Serien und Filmen Kinder in Angst versetzen können, habe ich versucht, mich über Kinderserien zu informieren. Was leider erfolglos war, weshalb ich eher ziellos angefangen habe, Kinderserien zu gucken. Oder eher: mir Vorschaubilder anzuschauen, was oft schon ausreichend war.

Nur diejenigen Serien, die diesen Figurencheck per Vorschaubild überstehen, kommen in die nächste Runde: Ich gucke eine Folge an. Hört sich nach viel Arbeit an, ist es aber nicht. Denn wenn ich eine gefunden hatte, war meine Tochter erstmal länger damit beschäftigt, so dass ich das Suchen unterbrechen konnte. "Shaun das Schaf" hielt eineinhalb Jahre vor, weil meine Tochter von drei bis viereinhalb die Serie immer wieder geschaut hat (einige Folgen haben wir sicher zehnmal gesehen).

Warum ich den Aufwand betreibe? Weil ich genau weiß, wie Serien wirken können und wie leicht Kinder zu beeindrucken sind. Meine Tochter einfach etwas gucken zu lassen, ohne dass ich weiß, was vermittelt wird, kam und kommt für mich nicht in Frage. Mittlerweile ist der Durchsatz an Serien bei uns natürlich höher, weil wir die Guckzeiten ausgeweitet haben und sie Folgen nur noch höchstens zweimal schaut.

Das war eine lange, negative Vorrede zu einer eigentlich positiven Sache: Ich möchte "Hilda" vorstellen, eine richtig gute Netflix-Animationsserie für Kinder (von der hoffentlich bald eine zweite Staffel produziert wird). Das Mädchen Hilda lebt mit seiner Mutter in einem Land, das an Skandinavien erinnert, aber nicht nur von Menschen, sondern auch von vielen mythischen Lebewesen bevölkert ist, die man nicht unbedingt auf den ersten Blick sieht. Anfangs wohnen die beiden in einem einsamen Haus mitten in den Bergen, und Hilda stromert allein durch die Wildnis, erlebt einige Abenteuer und lernt immer neue Wesen kennen. Später ziehen Mutter und Tochter in eine größere Stadt um, weil die Mutter möchte, dass ihre Tochter gleichaltrige Kinder kennenlernt und nicht nur mit mythischen Wesen spielt. 

Die Figur Hilda ist bemerkenswert, weil sie allen Lebewesen gegenüber offen und freundlich ist, selbst in gefährlichen Situationen an das Gute in ihrem Gegenüber glaubt und alles daran setzt, jedem noch so ungewöhnlichen Wesen zu helfen. Sie lässt sich nur selten einschüchtern (außer von anderen Menschen und von der Stadt) und versucht, Lösungen für Probleme zu finden, die oft sehr kreativ sind und nur manchmal schiefgehen oder im Chaos enden. 

In Hildas Welt gibt es nichts grundlegend Böses, jedes scheinbar böse Wesen hat einen Grund für sein Verhalten, hat ein Problem oder wird nur missverstanden, jede vermeintlich gefährliche Situation lässt sich auflösen. Dieses Prinzip hat meiner Tochter sehr geholfen: Szenen, in denen sie bei anderen Serien oder Filmen längst aufgeregt weggeguckt hätte, hält sie hier aus. Mit großer Anspannung zwar, aber sie hält sie aus. Weil sie weiß: Niemand will Hilda etwas zu Leide tun, es sind alles nur Probleme oder Missverständnisse, die man einfach klären muss. Bei vergleichbar brenzligen Situationen in anderen Serien oder Filmen hat sie zwar auch längst verstanden, dass am Ende alles gut ausgehen wird (so ist das glücklicherweise bei Produktionen für diese Altersgruppe). Doch das Wissen reicht nicht aus, sie fürchtet sich. Durch Hildas positive Einstellung und die Warmherzigkeit, die in dieser Serie mitschwingt, fühlt sich meine Tochter aber sicher.

Hildas Welt ist bunt, überraschend und fantasievoll. An jeder Ecke, unter jedem Stein, hinter jedem Baum kann das nächste spannende Abenteuer warten, das nächste Wesen mit geheimnisvollen Fähigkeiten entdeckt werden. Und meine Tochter nimmt Hildas Welt mit in unsere Welt: Sie zeichnet oder bastelt die Figuren, die sie besonders beeindruckt haben, zu Halloween hat sie sich als eins der Wesen verkleidet. (Und sie redet ausgiebigst und detailliert darüber, was sie allerdings bei jeder Serie und bei jedem Film macht.)

Und dann gibt es noch zwei Aspekte, die meiner Tochter nicht wichtig sind, mir aber schon: 1. Geschlechterrollen kommen nicht vor. Es wird nie gesagt: "Mädchen können dies und jenes, Jungs können dies und jenes". Und es werden auch nie Jungen oder Mädchen bei vermeintlich geschlechterspezifischen Beschäftigungen gezeigt. Nein, Kinder sind Kinder und nicht Jungen oder Mädchen. Und nicht alle Kinder sind gleich mutig, gleich einfallsreich oder können gleich schnell rennen - aber das sind individuelle Unterschiede, die nicht am Geschlecht festgemacht werden. 2. "Hilda" ist aufwändig animiert und sieht gut aus. Es kommt nämlich leider immer wieder vor, dass Kinderserien schlecht oder nachlässig animiert sind und nicht gut gesprochen sind - so als seien Kinder Zuschauer zweiter Klasse, bei denen es nicht so wichtig ist, ob die Qualität stimmt. (Und ja, auch bei diesem Problem macht es leider nicht immer einen Unterschied, ob es sich um eine Serie eines öffentlich-rechtlichen Senders handelt oder nicht.)

"Hilda" ist eine Serie, wie ich sie mir für meine Tochter wünsche. Doch leider haben wir sie schon durchgeguckt. Was bedeutet: Ich muss mich wieder auf die Suche begeben, damit ich meiner Tochter - nach "Ninjago", was sie gerade für sich entdeckt hat - wieder eine richtig gute Serie anbieten kann. Ich freue mich über Tipps: Welche Serie für Sieben- bis Achtjährige können Sie empfehlen? Einfach eine Mail an: klode@dwdl.de.

Die erste Staffel von "Hilda" ist bei Netflix verfügbar. Hildas Abenteuer gibt's auch zum Lesen - und zwar als Comics von Luke Pearson. 

Zum Schluss noch zwei Hörtipps in eigener Sache:

In Folge 42 des DWDL-Podcasts "Seriendialoge" dreht es sich um Orte. Und zwar um Drehorte.  Wenn die nicht zur Geschichte, zur Figur, zum Ton der Serie passen, lenkt das ab oder stört sogar. Wenn sie aber perfekt passen, kann das die Geschichte, die Figur oder auch den Ton noch verstärken, die Serie noch besser wirken lassen. Doch wie findet man passende Locations? Darüber habe ich mit Locationscout Roland Gerhardt gesprochen:

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In Folge 43 reden wir über die "Lindenstraße": Weil ich wissen wollte, wie man es schafft, für eine so langlaufende Serie immer wieder neue Geschichten für alte und neue Figuren zu erfinden und trotzdem dem Wesen der Serie treu zu bleiben. Meine Gesprächspartnerin: Catrin Lüth, seit fünf Jahren Drehbuchautorin der "Lindenstraße". 

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