Eine Prinzessinnen-Fantasy-Parodie aus Matt Groenings Feder, horizontal erzählt, für Netflix - als das neueste Projekt des Erfinders der „Simpsons“ angekündigt wurde, habe ich mich darauf gefreut. Nicht, weil ich hartgesottener „Simpsons“-Fan bin, sondern weil ich kein hartgesottener „Simpsons“-Fan bin. Ich schaue die Erlebnisse von Homer, Bart, Lisa, Maggie und Marge zwar ganz gerne und mag die vielen, manchmal sehr bissigen popkulturellen oder gesellschaftspolitischen Anspielungen. Aber mich nervt die streng episodische Erzählweise, die ja so weit geht, dass - mit wenigen Ausnahmen - vor jeder Folge alles auf Null gesetzt wird, damit sogar die kleinsten Entwicklungen kategorisch ausgeschlossen werden. Das ist zwar praktisch für Leute wie mich, die nur hin und wieder mal eine Episode schauen - bei der es auch egal ist, ob sie aus Staffel 5 oder Staffel 20 ist. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass ich in diesem Status der Hin-Und-Wieder-Guckerin verharre.
Und jetzt, nachdem ich die ersten zehn Episoden von Groenings neuer Serie „Disenchantment“ geschaut habe, bin ich ratlos. Weil ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll und was ich davon halten soll.
Kurz zum Inhalt der ersten Folge: Prinzessin Tiabeanie, genannt „Bean“, ist die Tochter von Zog, König von Dreamland. Sie treibt sich in den örtlichen Kneipen herum, trinkt viel, spielt gerne und nimmt auch mal eine Rauferei in Kauf. Sie soll nun aus politisch-strategischen Gründen den Prinzen eines reichen Königreichs heiraten. Der sieht zwar gut aus, hat aber nicht viel in der Birne. Bean scheint sich dem Willen ihres Vaters zu fügen, bekommt am Tag der Hochzeit aber einen neuen Gefährten: den Dämon Luci, der sie von nun an auf Schritt und Tritt begleitet. Und unter Lucis Einfluss antwortet sie während der Hochzeitszeremonie „Nein“, und allerlei unglückliche und absurde Ereignisse nehmen ihren Lauf. In der ersten Folge schließt sich außerdem der gutmütige Elf Elfo, der das ewig glückliche Elf-Leben satt hat, Bean und Luci an.
Ein guter Start, fand ich. Da ist alles drin, was ich spannend finde: die Dekonstruktion des Prinzessinnen-Themas, allerlei Anspielungen, und die Kombination böser Dämon und guter Elf hat Potenzial (vielleicht als Dekonstruktion des Engelchen-Teufelchen-Themas). Außerdem sieht die Serie gut aus, die Figuren erinnern natürlich an die Simpsons, doch sind besser gezeichnet und selbst die Hintergründe sind detailreich gestaltet.
Aber schon während der ersten Folge dachte ich: „Äh, das ist aber nicht lustig.“ Was ja grundsätzlich kein Problem ist, es gibt ja mittlerweile viele Comedys, die zwar in das Format einsortiert werden, aber nicht auf Witz geschrieben sind. Doch hier verhält es sich anders: Das, worüber ich nicht lachte, war eindeutig als Witz zu erkennen. Nur eben waren es Witze, die ich nicht lustig fand - weil sie vorhersehbar oder mir zu platt waren. Aber: Es kann ja sein, dass es einfach nicht mein Humor ist. Nun gut. Ich ließ mich davon nicht beirren und schaute weiter. Doch je mehr Episoden ich guckte, umso enttäuschter wurde ich. Das Potenzial der Hauptfiguren wurde verschenkt, ihre Oberflächlichkeit hielt an. Die horizontalen Entwicklungen waren kaum sichtbar: Auch wenn es natürlich ein riesiger Sprung von den „Simpsons“ ist, dass Handlungen in der einen Folge Konsequenzen für die nächste haben, so ist das nicht automatisch das Episoden-übergreifende Erzählen, das man mittlerweile von Serien erwarten kann. Ja, Bean, Luca und Elfo erleben einiges und das ist gewiss ganz unterhaltsam und manchmal, aber nur manchmal, auch richtig witzig. Aber es sind oft einzelne, abgeschlossene Abenteuer, bei denen weder eine Entwicklung noch ein wichtiger Zusammenhang deutlich wird.
Warum ich weitergeguckt habe? Weil ich gehofft habe, dass die Idee funktioniert, dass irgendwann der Punkt kommt, wo sich Figuren entwickeln, wo der Witz nicht mehr platt und vorhersehbar ist, sondern mich überrascht und zum Lachen bringt. Weil es nun mal passieren kann, dass eine Serie nicht von Anfang an gut ist. Und wäre es nicht Matt Groenings Serie, hätte ich nach zwei oder drei Folgen aufgehört. Aber es ist nun mal Groening und ich hielt durch. Ein bisschen belohnt wurde ich dafür auch: Die letzten drei Folgen sind viel stärker als der Rest. Da findet sich die Geschichte, die Entwicklung und sogar die Überraschung, auf die ich gehofft hatte. Doch leider ist das natürlich viel zu wenig, denn selbst die Entwicklungen in den letzten Folgen lassen die Episoden davor nicht in einem anderen Licht erscheinen, wie das ja manchmal bei Serien der Fall ist.
Viele, viele, viele „Simpsons“- und „Futurama“-Fans weisen seit dem Start von „Disenchantment“ immer wieder darauf hin, dass die jeweils erste Staffel der anderen beiden Serien auch keine Offenbarung ist. Ja, das kann sein. Aber seitdem hat das Genre Serie an sich einen riesigen Sprung gemacht. Es ist eine andere Zeit, der Markt ist nun eng. Jetzt muss eine Serie in der ersten Staffel funktionieren, sonst hat sie verloren. Ich könnte mir vorstellen, dass es vielen Menschen so ging wie mir, dass sie zehn Episoden nur zu Ende geschaut haben, weil es nun mal eine Groening-Serie ist. Diesen Vertrauensvorschuss muss Groening dann aber allerspätestens in den nächsten Folgen einlösen. Netflix hatte von vornherein 20 Episoden geordert, es wird also weitergehen mit den Abenteuern von Prinzessin Bean und ihren Gefährten. Und ja, ich natürlich reinschauen. Aber weitere zehn Folgen, die so sind wie die ersten zehn, werde ich auf keinen Fall durchhalten.
"Disenchantment" ist bei Netflix verfügbar.