"Better Things" ist eine Serie, die anstrengend und wunderschön zugleich ist. Und weil sie beides gleichzeitig ist, ist sie keine Serie, die man nach einem stressigen Tag zum Entspannen gucken kann, aber eine Serie, deren Folgen man einfach immer wieder schauen möchte. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, eine solche Serie suchen, sollten Sie weiterlesen. Wenn nicht, können Sie sich die Zeit sparen und diesen Text nun abbrechen (kleiner Warnhinweis: Sie verpassen dann allerdings eine großartige Serie).
"Better Things" ist im Grunde eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen und ist damit so nah am wahren Leben, wie es nur ganz wenige andere Serien sind. Denn das Leben besteht aus Momenten, aus Situationen, bei denen einige sich im Nachhinein zu einer stringenten Geschichte fügen, viele aber einfach nur Momente und Situationen bleiben, die man eben so durchlebt. Es ist bewundernswert, wie die beiden "Better Things"-Schöpfer, Pamela Adlon und Louis C.K., diese Eigenschaft des Lebens in eine Serie übertragen haben. (Adlon hat die Drehbücher für Staffel 1 und Staffel 2 gemeinsam mit Louis C.K. geschrieben. Er war ebenfalls Executive Producer, wurde aber Ende des Jahres vom Sender FX gefeuert. Die dritte Staffel entsteht nun ohne Louis C.K.)
Pamela Adlon selbst - mir war sie nur in ihrer Nebenrolle als "Koksschlumpf" in "Californication" bekannt - spielt die Hauptfigur: Sam Fox ist geschieden, alleinerziehende Mutter dreier Töchter, verdient gut als Schauspielerin und Synchronsprecherin, lebt in Los Angeles. Alles übrigens Parallelen zu Adlons eigenem Leben. Die drei Töchter sind nicht nur im Alter unterschiedlich, sondern auch in ihren Charaktereigenschaften: Duke (Olivia Edward), die kleinste, ist zwar oft lieb und süß, hat es aber auch faustdick hinter den Ohren. Frankie (Hannah Alligood), die mittlere, ist oft vernünftig, manchmal radikal und noch auf der Suche danach, welchem Geschlecht sie angehört. Max (Mikey Madison), die älteste, ist launisch, schnell genervt, probiert sich aus, ist aber im Grunde anständig. Das Ziel von Sam: ihre Töchter zu feministischen, selbstbestimmten Frauen zu erziehen. Sam selbst ist launisch, manchmal richtig fies, oft gestresst, manchmal ratlos, hin und wieder radikal, manchmal vernünftig. Aber immer schwingt eine tiefe Liebe zu ihren Töchtern mit. Selbst im heftigsten Streit.
Und was wir auf dem Sofa davon sehen: keine großen Geschichten oder übergreifenden Handlungsbögen, sondern viele, viele Alltagssituationen. Wie Sam mit ihren Töchtern diskutiert, wie sie mit ihren Töchtern streitet, wie sie hinter ihren Töchtern herräumt, wie sie mit ihren Töchtern schöne Dinge erlebt, wie sie mit ihren Töchtern erschreckende Dinge erlebt. Wie sie arbeitet, wie sie das Familienleben organisiert, wie sie Freunde und Freundinnen trifft. Wie sie versucht, auch mal Zeit nur für sich zu haben, durchzuatmen, sich selbst zu befriedigen, Sex zu haben. Und wie sie sich mit ihrer Mutter auseindersetzt, die eine komplizierte Frau ist. "Better Things" zeigt uns also das Leben als Frau mit Kindern und erforscht so die Beziehungen zwischen Frauen dreier Generationen. Eigentlich ganz unspektakulär. Aber so gut beobachtet und umgesetzt, dass man die Augen nicht abwenden kann, nicht zu gucken aufhören will. Die Gefühle der Figuren auf dem Bildschirm kommen ungefiltert auf dem Sofa an - manchmal fühlt man sich beim Zugucken unbehaglich, mal tieftraurig, mal lacht man laut auf, mal schüttelt man verwundert den Kopf, mal verdrückt man Tränen vor Rührung. Und selbst die Liebe der Figuren zueinander ist immer zu spüren.
Pamela Adlon ist phänomenal in der Rolle: Sie ist ein Mimik-Wunder, und es ist faszinierend, was abzulesen ist, wenn die Kamera lange auf ihrem Gesicht ruht. Auch die anderen Rollen sind passend besetzt. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, dass die Kinder tatsächlich von Adlons Töchtern gespielt werden. Das Erzählen in Momentaufnahmen wird unterstützt durch Schnitt und Kamera, die die einzelnen Szenen fast anektdotisch wirken lassen. Mal wird gefühlt zu früh aus einer Szene herausgegangen, mal bleibt die Kamera zu lange in einer Situation oder sogar auf Nebensächlichkeiten stehen. Doch nie wirkt das aufgesetzt oder fehl am Platz. Es passt zum Drehbuch, zur Art des Erzählens, zur ganzen Serie.
Staffel 1 hat mich im Herbst vergangenen Jahres begeistert, weshalb meine Erwartungen an Staffel 2 sehr groß waren. Womit ich allerdings nicht gerechnet hätte: dass meine Erwartungen übertroffen werden würden. In Staffel 2 konzentriert sich die Erzählung noch stärker auf die Beziehungen zwischen den Töchtern und ihrer Mutter. Adlon selbst führte in allen Folgen der zweiten Staffel Regie, wodurch sich die Handschrift der Serie etwas verändert, der Blick auf die Figuren wird noch intimer. Der Einsatz von Musik wird dominanter: Prägnante Lieder werden auf einzelne, dialoglose Szenen gelegt, fungieren mal als Gefühlsverstärker, mal als Kommentar zum Geschehen. Die Lieder sind unterschiedlich, passen aber immer hervorragend. Sogar ein deutsches HipHop-Lied kommt in Episode 8 von Staffel 2 prominent vor: "Echo" von Fettes Brot. Es gibt tatsächlich eine Folge, die es schafft, aus dieser insgesamt hervorragenden Staffel noch hervorzustechen: Episode 6. Wer darüber mehr lesen möchte - ich kann die Lobpreisung der Folge von Jen Chaney bei "Vulture.com" empfehlen.
Weil ich einfach nicht wollte, dass Staffel 2 zu Ende geht, habe ich es mehrere Tage lang hinausgezögert, das Staffelfinale zu gucken. Letztendlich haben die Neugier und das Bedürfnis, Familie Fox wiederzusehen, gesiegt. Was soll ich sagen - die Folge war wunderschön. Und als ich am Ende die Widmung "Dedicated to my daughters" las, musste ich ein oder zwei Tränchen verdrücken.
Die Staffeln 1 und 2 von "Better Things" sind beim Telekom-Streamingdienst Entertain TV zu sehen. Man kann sie zum Beispiel aber auch bei Amazon oder iTunes kaufen.