Wie würden Sie auf die Frage antworten, welche Serienaugenblicke Sie wirklich geflasht haben? Spielen sich gerade Szenen vor Ihrem inneren Auge ab, in denen eine Menge los ist, in denen Menschenmengen von CGI-Explosionen umgeben sind? Oder sind es doch eher die ruhigen Momente, die intimen Kamerafahrten, in denen scheinbar nicht viel passiert? Ich für meinen Teil tendiere größtenteils zur zweiten Kategorie. Immer wieder werde ich darin bestätigt, dass es kein großes Budget benötigt, um Klasse auf den Bildschirm zu bringen. Diese Feststellung kann nicht selten auch auf eine ganze Serie ausgeweitet werden. So hat mich "The End of the f***ing World" zuletzt trotz minimalistischen Budgets schwer begeistert, während das ebenfalls kürzlich erschienene und sechs bis sieben Millionen Dollar pro Folge teure "Altered Carbon" zwar unfassbar gut aussieht. Sonst aber nur schwer zugänglich ist.
Wenn man seine Gedanken über eine Serie Revue passieren lässt und ganz von vorne beginnt, fängt es gewissermaßen immer damit an, ob der Zugang zu einer Serie gefunden wurde. Während "The End of the f***ing World" entspannt und mit langsamen Bildern beginnt, um den Zuschauer im genau richtigen Tempo in James psychopathische Geschichte zu bringen, geht es bei "Altered Carbon" direkt ins Geschehen. Es fließt Blut, Kampfszenen hier und da, künstlerische Bilder en masse. Nein, "Altered Carbon" ist keine schlechte Serie. Doch eine, in der die Macher immer wieder beweisen wollen, wie viel Geld doch vorhanden war.
Natürlich ist das immer eine Frage des Stils des Regisseurs, doch erkenne ich oft, dass mehr Geld oft auch mehr Unübersichtlichkeit bedeutet. Weitestgehend logisch, da ein kleineres Etat mehr Fokus für das konkrete Ziel voraussetzt. Bei "The End of the f***ing World" wird dieses Ziel schnell deutlich gemacht: James und seine Kumpanin Alyssa hauen von zu Hause ab und fliehen vor der Welt. Bei "Altered Carbon" wird erst am Ende der 50-minütigen Pilotfolge deutlich, dass sich der Protagonist Takeshi Kovacs in einem Krimi befindet, der gleichzeitig aber noch so viel mehr sein möchte. All die Charaktere sortiert und für sich emotionalisiert hat der Zuschauer dann noch lange nicht.
Natürlich ist dies kein Leitsatz für die gesamte Branche, gibt es immer mal wieder Serien, die ein riesiges Budget mit den besten Ideen verbinden. Ob "Westworld", "The Crown", "Stranger Things" oder das derzeit immer noch prägnanteste Beispiel: "Game of Thrones". Dies sind aber auch Projekte, wo wortwörtlich solch fantastische Geschichten erzählt werden, die mit geringem Budget niemals vernünftig umgesetzt werden könnten. Dennoch fällt hier ebenfalls auf, dass dies Serien sind, in die sich teilweise erst einmal hereingefuchst werden muss. Menschen, die von all der Detailfülle in "Game of Thrones" anfangs erschlagen waren, gibt es bekanntermaßen zu Genüge.
Doch dann kommt ein "The End of the f***ing World", ein "Misfits" oder auch ein "Atlanta" um die Ecke und damit Seherlebnisse, die sich mit den simpelsten Mitteln in unsere Herzen spielen. Es hat schon seine Gründe, warum sich Filme wie "Die 12 Geschworenen" - 340.000 Dollar Budget und beinahe komplett in einem Raum gedreht - seit Ewigkeiten in den Top-Listen von Fans und Kritikern befinden. Die Macher müssen hier jede Münze zwei Mal umdrehen und sich überlegen, wie sie was am effektivsten inszenieren können. Ein wunderbares Ergebnis war sowohl 1958 bei diesem Oscar-prämierten Film zu sehen, wie auch 2017 bzw. 2018 bei "The End of the f***ing world", wo der Zuschauer innerhalb von drei Stunden mittels trister Bilder und atemberaubender Erzählweise auf einen einzigartigen Roadtrip entführt wird.
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Während auf das Geld geachtet werden muss, haben die Macher aber auch gleichzeitig eine gewisse kreative Freiheit. Wenn Netflix absegnet, dass "The Get Down" für gigantische elf Millionen Dollar pro Folge gedreht werden soll, herrscht eine unfassbare Erwartungshaltung und das Austesten von Neuem muss zunächst von mehreren Instanzen abgesegnet werden. Wenn jedoch Maxdome Christian Ulmen und Fahri Yardim grünes Licht für ein kostengünstiges "Jerks" gibt, kann auch mal etwas absurdes ausprobiert werden, ohne das im schlimmsten Fall jemand sein Vermögen verloren hätte.
In diesem Fall werden Ulmen und Yardim für ihr Herzensprojekt außerdem darauf verzichtet haben, ein Millionengehalt einzustreichen. Das spielt natürlich auch immer in ein entsprechendes Budget mit rein. Nicht umsonst befindet sich "Friends" immer noch unter den teuersten Serien, die je gedreht wurden. Ganze eine Million Dollar hat jeder Freund zum Ende der Serie pro Folge eingesackt. Das machte damals, mit all den Produktionskosten, knapp zehn Millionen Dollar für eine 25-minütige Sitcom Folge. Low-Budget-Produktionen müssen jedoch intensiv nach Darstellern suchen, die talentiert und billig sind. Nach Releases von Serien wie "13 Reasons why" oder "The Leftovers" wissen wir, wie dankbar man auch für frische und unverbrauchte Gesichter sein kann.
Sie schleifen ein ungewöhnliches Seherlebnis nämlich ab und sorgen dafür, dass der Zuschauer vollkommen davon überzeugt sein kann, dass es kein großes Budget oder ein bekanntes Gesicht benötigt, um einen Erfolg zu produzieren.