Bei Serien, die ich kenne und von denen es ein US-Remake gibt, interessiert mich die zweite Version eigentlich nicht. Und bei Serien, die ich kenne und die ein US-Remake sind, interessiert mich das Original ebenfalls nicht. Die Geschichte habe ich bereits gesehen, die Serie war gut - warum sollte ich mir das nochmal anschauen, auf die Gefahr hin, dass es schlechter ist? Und wenn mir die Serie nicht gefallen hat - warum sollte ich mir die andere Version antun, schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mir gefällt, gering? Derzeit werden so viele neue spannende Serien produziert - warum also mit anderen Versionen von bereits bekanntem aufhalten?
Es gibt allerdings eine große Ausnahme: "House of Cards". Immer mal wieder dachte ich mir, dass es doch interessant sein könnte, das britische Original anzuschauen. Beim Stöbern in Streamingdiensten stieß ich Mitte der Woche zufällig auf die drei Staffeln umfassende Originalversion und schaltete aus Neugier ein. Doch das Sehvergnügen blieb anfangs aus, zu altmodisch fühlte sich die Kameraführung an (die erste Staffel ist von 1990), zu unzugänglich waren die Figuren. Ich schaute allerdings weiter, weil mich die starke Ähnlichkeit überraschte - Namen (ein Beispiel: der engste Vertraute der Hauptfigur heißt ebenfalls Stamper), Positionen (ein Beispiel: die Hauptfigur ist ebenfalls "Whip", also Mehrheitsbeschaffer im Parlament), Erzählstränge (ein Beispiel: die Beziehung zur jungen Journalistin), Stilmittel (ein Beispiel: die Hauptfigur spricht ebenfalls regelmäßig direkt zum Publikum). Vieles entsprach exakt dem, was ich von der amerikanischen Version im Kopf hatte. Sogar einige Dialoge schienen mir eins zu eins übernommen. All das ist natürlich kein Wunder, schließlich basieren beide Serien auf denselben Romanen, die wiederum von Shakespeares "Macbeth" und "Richard III." inspiriert wurden. Dennoch: Meine Faszination ging anfangs nicht von der britischen Serie an sich aus, sondern von der Erinnerung an die amerikanische Serie.
Im Laufe von Folge 2 allerdings änderte sich meine Wahrnehmung der Serie. Ich wurde langsam warm mit der unzugänglichen Hauptfigur Francis Urquhart (von der Presse mit FU abgekürzt, was in der US-Version ja ebenfalls aufgenommen wurde, wo der Nachname mit U anfängt: Frank Underwood, Francis nur von seiner Frau genannt). Um herauszufinden, warum die Figur mich anfangs kalt ließ, obwohl ich sie durch das Remake ja eigentlich kennen müsste, habe ich mir vor dem Schreiben dieses Textes Teile der ersten Folge des Remakes erneut angeschaut. Und da wurde der Unterschied für mich greifbar: In der amerikanischen Version wird mehr Wert darauf gelegt, Frank Underwood menschlich, fast sympathisch erscheinen zu lassen, indem das Publikum an seiner Kränkung teilnimmt und viel Raum für seine Gefühle gelassen wird. Francis Urquhart dagegen wird als kontrollierter, emotionsloser, arroganter Politiker eingeführt. Beide haben zwar dasselbe Ziel: Macht, beide haben zwar denselben Weg dahin: Manipulation. Aber durch Frank Underwoods Kränkung, die das Publikum mitgefühlt hat, können wir die Motivation für seine Machtspiele besser nachvollziehen, als das bei Francis Urquhart der Fall ist. Urquhart wirkt kalt und machtgeil (großartig gespielt von Ian Richardson, der eine faszinierende Mimik einsetzt). Was, das unterstelle ich jetzt mal, auch das Ziel war. Denn fast alle Figuren in der britischen Version, besonders in der ersten Staffel, sind abstoßend gezeichnet - vor allem die Politiker, aber auch die Verleger und ja, auch die Entscheidungsträger in den Redaktionen. Ein emotionaler Lichtblick ist einzig die Figur der jungen Journalistin Mattie Storin (Susannah Harker), die aber ebenfalls als Karikatur eingeführt wird.
Was die britische Version ebenfalls anders macht: In den ersten beiden Staffeln (die dritte habe ich noch nicht geschaut) werden politische Konzepte und ihre Wirkung an sich außen vorgelassen, es wird zwar über Sozialleistungen, Deregulierung und Ähnliches diskutiert, doch diese Diskussionen sind immer nur eine Folie für den Machtkampf. So, als hätten die Beteiligten tatsächlich nichts anderes als ihren Machterhalt oder ihren Machtgewinn im Sinn. Als gehe es in der Politik nur um Macht. In London kommt FU übrigens viel schneller ans Ziel als sein amerikanischer Kollege, nämlich schon am Ende der ersten Staffel - was mich überrascht hat. Es müssen zwar ebenfalls sehr viele Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, aber diese Erzählstränge werden knapp gehalten. Was zur Folge hatte, dass ich nicht absehen konnte, was mich in Staffel zwei, "To Play the King" genannt, erwarten würde. Es ist ein spannender Gegner, den Michael Dobbs (Autor der Romanvorlage) da auserkoren hat. Gleichzeitig einer, den man in den USA nicht finden kann: den britischen König, der gerade erst gekrönt wurde.
Klar, es gibt weitere Unterschiede, die Darstellung der Ehefrau der Hauptfigur zum Beispiel, also Elizabeth Urquhart einerseits und Claire Underwood andererseits. Oder die Parteizugehörigkeit: Francis Urquhart ist Mitglied der Conservative Party, Frank Underwood ist Demokrat. Und natürlich gibt es auch weitere Gemeinsamkeiten. Aber das Sofa ruft. Wenn Sie mich also entschuldigen würden, ich muss die dritte Staffel schauen.
P.S.: Die Serie hat viele großartige Dialoge, meine beiden liebsten Zitate bisher:
- Francis Urquhart reagiert auf Journalisten-Fragen häufig folgendermaßen: "You might very well think that. I couldn't possibly comment."
- Francis Urquhart an seine Frau gewandt, als es um mögliche Nachfolgekandidaten geht: "Do you know, it's strange, I can't imagine anyone taking my place." - Elizabeth Urquhart: "Nobody could." (Staffel 2, Folge 2)
Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?
Die britische "House of Cards"-Trilogie: Alle drei Staffeln ("House of Cards", "To Play the King", "The Final Cut") gibt's bei Amazon Video, iTunes und Netflix. Und auf DVD.