Als ich überlegt habe, was mich - abgesehen von einer herzzerreißenden Folge "Outlander" (krass!) und einer fesselnden Folge "Game of Thrones" (ui!) - in dieser Serien-Woche besonders beschäftigt hat, war ich etwas überrascht: alte Frauen. Sie heißen Grace Hanson, Frankie Bergstein und Diane Lockhart. Die beiden ersteren deswegen, weil ich die zweite Staffel der Netflix-Serie "Grace and Frankie" geschaut habe - und zwar fast in einem Rutsch. Ja, Sie lesen richtig, eine Comedy über zwei 70-Jährige hat mich so gebannt, dass ich die Folgen nur dann unterbrochen habe, wenn es wirklich nicht anders ging (Essen. Klo. Schlafen. Töchterchen-Betreuen.).

Wie das passieren konnte? Nun ja, eigentlich ganz simpel: Die Serie ist sehr gut geschrieben und gespielt. Interessante, einnehmende Charaktere mit spannenden Geschichten und einer großartigen Besetzung. Schon die erste Staffel hat mich begeistert, doch die zweite Staffel ist noch stärker. Denn hier konzentrieren sich die Autoren noch mehr auf die beiden alten Frauen. In der ersten Staffel hatten die erwachsenen Kinder mehr eigenständige Handlungsstränge (tolle Figuren!), das ist weniger geworden. Doch weil ich sie nun kenne und weiß wie sie ticken, kann ich darauf aufbauend ihre Entscheidungen und Einmischungen bewerten, wenn sie in den Handlungssträngen der Hauptfiguren auftauchen. Dadurch habe ich das Gefühl, dass sie ein wichtiger Teil der Geschichte geblieben sind.

Als ich darüber nachgedacht habe, warum die Macher diese Entscheidung gefällt haben könnten, bin ich zu folgender Interpretation gekommen: Vielleicht trauen sie ihren beiden alten Frauen nun mehr zu. Sie haben gesehen, dass die Figuren funktionieren, dass die Serie gut ankommt. Und jetzt können sie sich noch mehr auf das konzentrieren, worum es im Titel geht: auf das Leben von Grace und Frankie. Da kommen natürlich auch die Kinder vor, genauso wie die Ex-Ehemänner. Aber im Mittelpunkt stehen (fast) immer die beiden alten Frauen. Das macht die Serie noch besser als in Staffel 1 - denn sowohl das Drehbuch als auch die Darstellerinnen (Lily Tomlin und Jane Fonda) sind großartig. Die Geschichte beschreitet ungewohnte Pfade und erforscht düstere Seiten der menschlichen Seele. Ich will nicht zu viel verraten, trotzdem ein paar Beispiele (Achtung, im Rest des Absatzes folgen Spoiler für Staffel 2 von "Grace and Frankie"): Es gibt eine Sexszene zwischen zwei alten Menschen. Wir erfahren, dass Vibratoren Arthritis verstärken. Was tun, wenn eine Freundin um Sterbehilfe bittet? Ist es unmoralisch, mit einem Mann zu schlafen, der seine kranke Frau pflegt, aber nicht liebt? Die Mischung liest sich absurd. Ist sie in der Serie aber nicht. Es wird in einer unerwarteten Offenheit erzählt, manchmal sehr tragisch, oft zum Lachen - und doch immer mit einer ganz besonderen Wärme. 

Wer zu dem Duo sehr gut passen würde? Diane Lockhart! Wenn die erfolgreiche Anwältin Diane Lockhart Grace und Frankie in einem Rechtsstreit vertreten könnte, wäre ich höchst entzückt. Klar, das wird nicht passieren, aber die Vorstellung ist sehr reizvoll. Sie käme mit Frankies spiritueller Art natürlich gar nicht zurecht. (Ich stelle mir gerade vor, wie Frankie tanzend, singend und rauchend einen indianischen Geist beschwört, als Diane zu einem Termin ins Haus kommt. Frankie umtanzt sie in wehenden, bunten Kleidern, Diane zieht ein bisschen pikiert die Augenbrauen hochzieht, lässt sich aber ansonsten nichts anmerken.) Aber Grace und Diane, die lägen auf einer Wellenlänge. 

Wie ich auf Diane Lockhart komme? Weil die ja nun ein eigenes Spin-off von "The Good Wife" bekommen wird, wie in der vorigen Woche bekannt wurde. Das finde ich ein starkes Zeichen: CBS setzt auf eine Frauenfigur um die 60. Zwar nicht für seinen Mainstream-Sender CBS an sich. Aber für das Streamingangebot CBS All Access. Andererseits: Offenbar trauen die Verantwortlichen dieser Figur zu, die Leute zu CBS All Access zu locken. Das ist ja auch ein Bekenntnis. Während die Verantwortlichen von Netflix nicht vorher wussten, worauf sie sich mit den beiden alten Frauen einlassen, geht CBS hier natürlich ein viel geringeres Risiko ein: Die Figur Diane Lockhart (gespielt von der wunderbaren Christine Baranski) hat bereits sieben Staffeln "The Good Wife" hinter sich, ist über die Jahre gereift und bei Publikum und Kritikern sehr gut angekommen. Daraus ein Spin-off zu machen, ist trotz allem kein riesiges Wagnis.

Dass ich über drei alte Frauen schreibe, die mich im Fernsehen begeistern, heißt natürlich nicht, dass wir jetzt eine Invasion von Seniorinnen erleben. Aber es ist mal wieder ein Zeichen dafür, dass die Serienwelt vielfältiger geworden ist. Ein vierte alte Frau fällt mir noch ein: Maura Pfefferman, die Hauptfigur aus "Transparent". Die dritte Staffel der Amazon-Serie ist gerade in Arbeit. Ebenfalls eine faszinierende Figur - einerseits natürlich, weil sie ein Menschen ist, der sich sein Leben lang im männlichen Körper falsch fühlte und es dann endlich wagt, als Frau zu leben. Andererseits aber auch, weil die Erfinderin Jill Soloway hier auf einen alten Charakter gesetzt hat. Maura, die so viele Jahrzehnte ihres Lebens als Mann gelebt hat, jetzt dabei zu beobachten, wie sie als alter Mensch die Welt als Frau entdeckt, ist spannend und anrührend zugleich.

Wer ist eigentlich die Zielgruppe dieser drei Serien, die ich hier zusammengepackt habe? Gibt es da eine gemeinsame? Erst dachte ich - ganz platt: Naja, alte Menschen eben. Aber ist dem so? Schließlich bin ich noch einige Jahrzehnte vom Alter der Protagonisten entfernt und bin trotzdem begeistert. Und können sich Serien lohnen, die nur ein Publikum jenseits der 60 ansprechen? In ein paar Jahren vielleicht, gegenwärtig bin ich mir nicht sicher. Aber wenn die Serien mit alten Protagonisten so gemacht sind wie meine drei Beispiele und sie daher Publikum ab 30 UND jenseits der 60 ansprechen, wäre das ja kein schlechter Schnitt. 

Und noch drei Gucktipps und einen Hörtipp zum Schluss:

Zur Abwechslung mal eine Doku-Serie: Am 30. Mai startet auf Arte "Kanadas Nationalparks". Die fünf Teile sind an fünf Tagen in Folge zu sehen. Hab ich natürlich schon im Festplattenrecorder programmiert. Und wie sagte mein Mann so schön, als ich ihm davon erzählte? "Dann werden wir danach fünf neue Urlaubsziele für unsere Liste haben." Hach.

Neue Sitcom: "Fresh Off The Boat" läuft ab 1. Juni bei ProSieben Fun. Im Mittelpunkt steht eine chinesisch-amerikanische Familie in den 90er-Jahren, die zwischen zwei Welten hin- und hergerissen ist. Die Serie ist in den USA ganz gut angekommen. Ich kenne sie bisher nicht, werde aber mal reinschauen.

Thriller-Drama im Urlaubsparadies Florida: Seit 27. Mai ist bei Netflix Staffel 2 von "Bloodline" verfügbar. 

Der Hörtipp ist natürlich die neue Folge des Podcasts "Seriendialoge". ;-) Mit Christiane Ruff, Chefin der Produktionsfirma ITV Deutschland, habe ich darüber geredet, warum Helmut Dietls Serien "Kir Royal" und "Monaco Franze" überraschend modern sind. Weitere Infos zu den Serien und zur Gesprächspartnerin gibt's hier, zum Anhören klicken Sie auf folgenden Audioplayer: 

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Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Outlander", Staffel 2: Nur einen Tag nach Ausstrahlung in den USA sind die neuen Folgen beim Pay-Sender RTL Passion zu sehen - im Originalton. Die bereits gesendeten Folgen der zweiten Staffel und die erste Staffel gibt's bei den Streamingdiensten Amazon Video, iTunes, Maxdome, Sony. Nur die erste Staffel ist bei Netflix und Xbox Video verfügbar. Staffel 1 gibt's auf DVD. 

"Game of Thrones", Staffel 6:  Die Folgen der sechsten Staffel laufen am Tag nach der US-Ausstrahlung bei Sky Atlantic HD. Außerdem gibt's die neuen Folgen nach Ausstrahlung bei Amazon Video, iTunes, Maxdome, Sky Go/Sky Online/Sky On Demand, Videoload, Wuaki - und bei Google Play.

"Grace and Frankie": Nur bei Netflix.

"The Good Wife": Auf Sixx läuft derzeit die sechste Staffel, ganze Folgen gibt's auch auf der Sixx-Website zu sehen. Bei folgenden Streaminganbietern sind die ersten fünf Staffeln komplett verfügbar und die bereits auf Sixx gezeigten Folgen der Staffel 6: Amazon Video, iTunes, Maxdome. Die siebte Staffel gibt's zum Beispiel bei iTunes US.

"Transparent": Nur bei Amazon Video.

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