Die erste Staffel "Lerchenberg" war für mich eine Enttäuschung, und ich habe bis heute nicht verstanden, warum es begeisterte Kritiken gab. Für mich war und ist sie eine schlechtgemachte, doppelte Kopie: Sascha Hehn als gealterter Zuschauerliebling ein Matt-LeBlanc-aus-"Episodes"-Abklatsch, Billie Zarg (Eva Löbau) als missverstandene Fernsehschaffende ein Liz-Lemon-aus-"30 Rock"-Abklatsch. Und alles in allem ein Sinnbild für den Zustand der deutschen Serie: keine eigenen überzeugenden Ideen, man schielt zu sehr in die USA und setzt es dann auch noch bieder um.
Mit dieser Meinung im Kopf schaltete ich die zweite Staffel "Lerchenberg" ein. Die erste Folge war schnell vorbei, und ich dachte mir: "Huch, das war ja gut? Die trauen sich ja was! Und haben dieses Mal sogar hochkarätige Gaststars!"
Und weil ich skeptisch war, ob auch die zweite Folge so gut sein würde, habe ich gleich die zweite hinterhergeschaut, und dann die dritte. Für die vierte hatte ich an dem Tag leider keine Zeit mehr. Aber am nächsten Morgen habe ich sie nach dem Frühstück geschaut (natürlich auch wieder nur, um zu überprüfen, ob die auch so gut ist wie die erste. Is klar, ne?). Die vierte ist der absolute Knaller. Und es zerreißt mich fast, dass ich meinem Mann nicht davon erzählen kann, warum sie so gut ist (er hatte noch keine Zeit sie zu gucken). Darf ich Ihnen jetzt natürlich auch nicht, das wäre übelste Spoilerei - ich kann schließlich nicht davon ausgehen, dass alle schon die Folgen im Netz gesehen haben.
Iris Berben als Iris Berben, kurz bevor sie ein Kuscheltier absticht.
Deswegen komme ich nun mal wieder zurück zur ersten Folge: endlich echte Selbstironie! Zum Beispiel in folgender Szene: Um in einem Schwedenkrimi mitspielen zu dürfen, braucht Sascha Hehn einen zweiten Gesichtsausdruck und den soll er ausgerechnet bei Intimfeindin Iris Berben lernen, die neben ihrer Schauspielerei beim ZDF als Schauspiel-Trainerin arbeitet und dabei ein Kuscheltier schlachtet. Wunderbar! Auch das ZDF bekommt sein Fett weg: Strukturen, in denen man ein Vorsprechen bekommt, weil man mit dem Chef schläft - den Job trotz überzeugenden Vorsprechens nicht bekommt, eben weil man mit dem Chef schläft. Herrlich absurd.
Bereits nach der zweiten Folge schleicht sich etwas Bewunderung für Sascha Hehn in meinen Kopf. Die wächst in der dritten Folge sogar noch. Nach der vierten Folge formt sich folgender Gedanke: "Sascha Hehn ist ein cooler Hund." Und ich erschrecke vor mir selbst, weil ich erst vor ein paar Tagen Idris Elba als coolen Hund bezeichnet habe. Idris Elba und Sascha Hehn AUF AUGENHÖHE?!? HALLO, KLODE, JEMAND ZU HAUSE?!?
Denn natürlich habe ich seit Jahr und Tag Vorurteile gegenüber Sascha Hehn. Natürlich kenne ich ihn nicht persönlich, meine Meinung formte sich aus seiner Arbeit: den ganzen Schnulzen, von denen ich neben der "Schwarzwaldklinik" höchstens eine mal ganz gesehen habe. Auf dieser Basis bin ich überzeugt: Sascha Hehn kann nur das. Und es zeigt mal wieder, welche Macht das Fernsehen hat: Denn außerdem vermute ich, dass er im wahren Leben ebenso schnulzig ist wie in seinen Rollen. Erschreckend, ich weiß. Also: Sascha Hehn war für mich bisher das Gegenteil eines coolen Hundes.
Und jetzt kommt er daher, spielt sich selbst und entspricht mit seiner Darstellung meinem Vorurteil - und bricht das Vorurteil damit auf. Verrückt.
Apropos Schauspieler, die mal erfolgreich waren: Ich habe in dieser Woche "BoJack Horseman" angefangen. Eine Zeichentrickserie, in deren Mittelpunkt ein Pferd steht, das vor vielen Jahren die Hauptrolle in einer bekannten Sitcom gespielt hat. Und jetzt vom alten Ruhm lebt und sehr viel Alkohol trinkt.
Die Serie gefällt mir. Auch wegen solcher Dialoge wie diesem hier:
BoJack: (to Diane) "What are you doing here?"
Diane: "You told me to come over at nine this morning to go over the book."
BoJack: "That doesn't sound like me."
Diane: "You sent me an email: 'Diane, why don't you come over at nine o'clock on Tuesday? Also, bring a copy of this email because I will probably forget because I'm on horse tranqulizers, ha ha. Also, don't mention in my book that I use horse tranquilizers, I use a little bit at night to help me sleep. I also use more to make it through the day, ha ha. Also, I'm incredibly drunk right now. Please don't write it in my book. I'm also alone, so alone, so, so alone don't write it in my book. Does it smell like magenta in here? Dildos...' then I think you fell asleep because then you typed the letter 'B' twenty-seven times."
BoJack: "Okay, that does sound like me."
Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das alles gucken, über das ich schreibe?
"Lerchenberg": Alle Folgen gibt es bereits online auf den ZDF-Seiten. Wer's im Fernsehen sehen will: Die erste Folge der zweiten Staffel lief am 18. September im ZDF, die anderen drei Folgen laufen am 22. September nacheinander ab 0:10 Uhr. Ein paar Tage später gibt es die Serie auf ZDFneo: ab 24. September donnerstags gegen 23:30 Uhr. Die erste Staffel gibt's bei den Streaminganbietern Amazon Instant Video, Maxdome, iTunes und Netflix.
"Episodes": 2013 liefen die ersten beiden Staffeln auf Prosieben Maxx, seitdem ist die Comedy leider nirgendwo im deutschen Fernsehen zu sehen. Völlig zu unrecht! Staffel 1 und 2 gibt's bei Maxdome. Alle Staffeln gibt's als DVD, Staffel 1 und 2 seit 11. September auf Deutsch, Staffel 3 und 4 als UK-Import.
"30 Rock": Ist derzeit tief im Nachtprogramm vergraben: bei RTL Nitro freitags um 0:10 Uhr. Alle Staffeln gibt es bei folgenden Streaminganbietern: Amazon Instant Video, iTunes, Videoload, Xbox Video. Und auf DVD.
"BoJack Horseman": Nur bei Netflix.
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