Vorurteil der Woche: Die Herstellung von Fernsehen ist teuer.

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Hallo, Sie da, hier haben Sie 500 Euro. Machen Sie mir mal ein Stündchen Programm damit?

Sie brauchen bloß was einkaufen gehen, egal was, vielleicht ein paar neue Klamotten, wenn ich Sie so ansehe. Oder ein paar lustig gemusterte Tapeten und etwas Dekomüll im Baumarkt. Wenn Sie dann noch so freundlich wären, das anschließend anzuprobieren (die Klamotten, nicht die Tapeten) und ein bisschen Modenschau zu machen, während Sie das Schlafzimmer renovieren? Es stört Sie sicher nicht, wenn Sie permanent ein Kamerateam im Nacken haben. Oder dass Sie anschließend von vier völlig fremden Menschen bewertet werden, die ihre Punktevergabe auf ein Ipad schmieren. Ab morgen dürfen Sie das ja auch.

Dann ist der Sender glücklich, die Zuschauer sind's sowieso – und wir haben gemeinsam ein paar schöne Stündchen Nachmittags-TV rumgekriegt, das am Wochenende in einem Rutsch wiederholt werden kann.

Zweieinhalb Jahre nach dem Start der Einkaufssprint-Show "Shopping Queen" bei Vox scheint sich das Bargeld-auf-die-Kralle-Fernsehen als eigenes Genre im hiesigen Programm festsetzen zu wollen. Das Prinzip ist immer dasselbe: Leute wie Sie und ich, bloß mit noch mehr Tagesfreizeit, lassen das Fernsehen zu sich in die Wohnung, kriegen ein dünnes Bündel Geldscheine in die Hand gedrückt und werden beim anschließenden Shopping unter Zeitdruck gefilmt.

Mitte März testete RTL den Deko-Wettstreit "5 Zimmer, 1 Gewinner", in der die Kandidaten innerhalb weniger Stunden einen Raum ihrer Wahl nach einem vorgegebenen Motto neu einzurichten hatten, was der Staubfängerdekoartikel-Industrie bereits zum Ende der ersten Woche (Motto: "Animal Print", DWDL berichtete) einen ordentlichen Umsatzschub beschert haben dürfte. Immerhin rückte RTL jeden Tag einen Tausender für die Unkosten raus.

Screenshot 'Flirt oder Fiasko'© VOX

Und am zurückliegenden Montag startete Vox die Dating-Reihe "Flirt oder Fiasko", in der sich die Neudekoration ausschließlich auf potenzielle neue Lebenspartner beschränkt, die von den Teilnehmern blind gedatet werden (Folgen bei voxnow.de ansehen). Für die dreistündige Stressvorbereitung des Treffens spendiert Vox aber gerade mal 300 Euro. Zum Auftakt verlief sich die arme Montagskandidatin beim Utensilienbesorgen fürs abendliche Rumhängen in der Kletterhalle mit dem potenziellen Traumpartner auch prompt in der Kurzehosenabteilung von Karstadt Sports. Und weil das so ausführlich gezeigt werden musste, blieb nachher kaum noch Zeit fürs eigentliche Date. (Das aber eh in die, ähm, Hose ging.)

Ab Montag versucht sich dann Sixx an exakt derselben Show-Idee, allerdings unter dem Titel "Mein perfektes Date" (Trailer ansehen).

'Promi Shopping Queen' mit Juliette Schoppmann und Pino Severino© VOX/Bernd Michael Maurer

Unbestrittene Königin solcher Programme, die den Großteil ihres Budgets noch während des Drehs unmittelbar an die Kandidaten ausschütten, ist aber immer noch: "Shopping Queen". Weil die Sendung aus ihrer offensichtlichen (Geld-)Not eine Tugend macht – und beweist, warum Fernsehen manchmal gar nicht viel kosten muss, um unterhaltsam zu sein. Jedenfalls wenn es den Beteiligten gelingt, das nicht vorhandene Budget mit Humor auszugleichen.

Noch mehr als in seiner neuen Tröst- und Lobshow "Hotter than my Daughter" ist Mode-Experte Guido Maria Kretschmer jedenfalls an seiner ursprünglichen Wirkungsstätte in Fahrt. Über ein kandidatenausgesuchten Tenniskleidchen-Outfit lästerte er in der zurückliegenden Woche bei "Shopping Queen" (Motto: "Zurück in die Zukunft – Kreire ein Outfit rund um dein neues Vintage-Modeteil") aus seiner Bildschirmecke: "Damit hätte Steffi Graf Platzverweis bekommen!" Vorher wusste er schon auf den ersten Blick: "Das sind auf jeden Fall Fashionpuppen diese Woche!" Und das von einer Teilnehmerin der Kamera präsentierte Oberschenkeltattoo kam ihm vor "wie'n großer blauer Fleck". UndOff-Sprecher Torsten Schorn assistierte mit liebenswerten Lästereien, etwa als selbstgekaufte Designsünden anprobiert wurden: "Was für ein Kleid! Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Mischung aus Schlafsack und Leberwurst." (Folge bei voxnow.de ansehen.)

"Shopping Queen" (und die am Sonntag wieder zur Hauptsendezeit laufende Promi-Variante; siehe Bild oben mit Juliette Schoppmann mit Pino Severino) ist eine der wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen, bei der mehr Energie in die spätere Kommentierung der Szenen fließt als in den Dreh derselben. Um da heranzureichen, müssen sich die Nachzügler noch arg anstrengen.

Deshalb ist es auch gar keine so gute Idee, das Erfolgsprinzip der Kretschmer-Sendung nun in eine Kopie nach der nächsten hinein zu zwängen, bloß weniger lustig. Aber wir kennen ja unser Fernsehen: Ausprobieren wird es das trotzdem. Alleine schon, weil es so schön günstig ist.

Das Vorurteil: stimmt nicht.