Vorurteil der Woche: Sat.1 ist ein Fernsehsender.
* * *
Als Fernsehsender lief's für Sat.1 schon seit längerer Zeit nicht mehr so gut. Insofern kann sich ProSieben Sat.1 zur dieswöchigen Entscheidung beglückwünschen lassen, den Konzern um den Bereich SevenOne Downcycling erweitert zu haben. Die neue Tochtergesellschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht mehr gebräuchliche Fernsehideen wieder dem Wertstoffkreislauf zuzuführen und wertvolle Rohmaterialien aus alten Sendungen zurückzugewinnen. Sat.1 ist ab sofort die erste offizielle Sammelstelle und leistet damit einen wesentlichen Beitrag, um die Wohnzimmerklimaziele der deutschen Fernsehbranche zu erfüllen.
Sind auch Sie im Besitz solcher Fernsehideen, die nicht mehr benötigt werden? (Eventuell auf dem Dachboden nachsehen oder Erdreichgrabungen in der Aachener Straße in Köln veranlassen.) Dann entsorgen Sie die bei Sat.1!
Da eine effektive Kreislaufwirtschaft nur möglich ist, wenn die Ideen unkontaminiert abgeliefert werden, muss deren letzter Quotenflop mindestens zwei Jahre zurückliegen, um zur Wiederverwertung zugelassen zu werden.
Schadstoffe: Unsachgemäß entsorgte Sendungen können zum Teil beträchtliche Zuschauerschäden hervorrufen, deshalb ist eine kontrollierte Abgabe umso wichtiger. RTL II hat sich hier wie so oft als Vorbild erwiesen und seine frühere WG-Reality "Big Brother" (2000 bis 2011) den Abwrackprofis von Sat.1 überlassen. Nach einem missglückten Promi-Wiederaufarbeitungsversuch in Berlin soll dieses Jahr die endgültige Einlagerung am ehemaligen Produktionsstandort in Köln erfolgen. Die Proteste in der Bevölkerung gegen das Endlager halten sich bisher in Grenzen. Kölner sind Fernsehkummer gewöhnt. Der Transport erfolgt über den örtlichen Container-Dienst.
Alteisen: Lässt sich in der Regel einschmelzen und gut weiterverkaufen, allerdings mit deutlichen Abschlägen vom Originalpreis. Dazu besitzt Sat.1 bereits einiges an Erfahrung aus seinen Zeiten als Fernsehsender (Harald Schmidt, Johannes B. Kerner).

Sperrgut: Besonders sperrige Fernsehsendungen müssen kleinteiliger werden, um noch einmal verwertet werden zu können. Die von RTL im Jahr 2005 für zwei Wochen täglich im Abendprogramm gezeigte Live-Sendung "Teufels Küche", in der Koch Christian Rach mit prominenten Hobbyköchen ein Sternerestaurant betreiben wollte, hat Sat.1 unter dem Originaltitel "Hell's Kitchen" mit Krawallkoch Frank Rosin auf sechs Folgen zusammengeschrumpft, die nun ab kommender Woche immer mittwochs laufen und vor einem knappen halben Jahr voraufgezeichnet wurden, um lange genug daran rumschnippeln zu können.
Die Showidee ist soweit abgeschliffen, dass am Ende nur noch grundlegende Krawallsituationen und wichtige Standardsätze aus dem Rosin-Wortschatz übrig geblieben sind ("Das wird eine Explosion werden!", "Das ist Gaumensex!", "Das wird der Fick eures Lebens!", "Ein Gang im Arsch, das ganze Menü im Arsch!", "Das sieht ja aus wie in einem Affenscheißhaus hier!", "Was für eine Schmach!", "Gib Gas! Du bist der erste Gang!"). Eine endgültige Unschädlichmachung ist erst nach eingehender Publikumsüberprüfung in wenigen Tagen absehbar.
Wertstoffe: Können problemlos ohne weitere Verarbeitung am Freitagabend wiederholt werden. Auch Material von Fremdsendern ist geeignet (z.B. "Switch reloaded", das gerade freitags nach "The Voice Kids" auf Sat.1 lief).
Spielzeug: Kaputte und lange nicht mehr benutzte Gameshows lassen sich in der Regel so aufarbeiten, dass sie den Wertstoffkreislauf mehrere Male durchlaufen können. Entsprechende Pläne hegt Sat.1 mit den Sendungen "Die perfekte Minute" (2010 bis 2012) und "Deal or no Deal" (2004 bis 2008), die der Sender selbst der Entsorgung zugeführt hat, und die in den kommenden Wochen frisch gepresst wieder ihren Weg ins Programm finden sollen.
Verpackungen: Umverpackungen klassischer Fernsehformate können wie gewohnt über den örtlichen Hausmüll entsorgt werden, etwa, wenn Sie eine Dokusoap unter dem Titel "Die Super Nanny" produziert haben (2004 bis 2011), der frühere Auftraggeber die Sendung aber nach einem Dissens mit der Moderatorin eingestellt hat. Wichtig: Die Inhalte sind strikt von Titel und Moderatorin zu trennen und können wiederverwertet werden, wie bei der Sat.1-Neuauflage "Mission Familie". Zu beachten ist lediglich die sehr geringe Halbwertszeit von 45 Minuten ab Sendestart. Danach ist der Wertstoff für die kommenden Jahre erneut unbrauchbar.
Sonderstoffe mit besonderem Entsorgungsnachweis: Einige wenige Fernsehideen können leider nicht wiederverwertet werden und sind direkt der Verbrennung zuzuführen ("Millionärswahl", 2014).
Notieren Sie sich bitte die Öffnungszeiten des Sat.1-Recyclinghofs: montags bis freitags von 5.30 bis 10 Uhr und von 20 bis 23 Uhr. Zu anderen Zeiten wird ausschließlich Restmüll angenommen. Nebendran auf den Zettel schreiben Sie bitte noch folgenden Satz:
Das Vorurteil: stimmt nicht.