Blickt man sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt um, gibt es nur wenige Personen, die gefragter sind als Entwicklerinnen und Entwickler von Software-Produkten. Durch die Digitalisierung sind in allen Unternehmen und Behörden neue Jobs geschaffen worden, aktuell wird zudem das Thema Cyber Security immer wichtiger. Und nun kommen auch noch die deutschen TV-Sender und brauchen Expertise, um ihre digitalen Angebote auf- bzw. auszubauen. Das Problem, vor dem alle Unternehmen stehen: Die jeweiligen Expertinnen und Experten sind stark nachgefragt und entsprechend rar gesät, selbst Berufseinsteiger verdienen sehr schnell sehr gutes Geld.
Bei einer genauen Analyse der Situation in der Branche fällt jedoch schnell auf: ARD und ZDF sowie die privaten Anbieter fahren völlig unterschiedliche Ansätze im Bereich der Software-Entwicklung. ARD und ZDF betonen im Gespräch mit DWDL.de, das sie auf einen Mix aus internen und externen Personen auf diesem Gebiet setzen. Bei RTL, ProSiebenSat.1 und Joyn passiert die Entwicklung von neuen Digital-Angeboten und die Weiterentwicklung der bestehenden Plattformen zum großen Teil intern.
Private haben eine andere Strategie
Und auch bei Joyn, dem gemeinsames Streamingdienst von ProSiebenSat.1 und Discovery, setzt man auf ein internes Entwicklungsteam. Dadurch seien die Verantwortlichen näher dran am Produkt, sagt Joyn-Chef Tassilo Raesig. "Die kurzen Wege ermöglichen einen schnellen Prozess bei der Implementierung neuer Features oder der Behebung möglicher Fehler." Alle privaten Anbieter setzen "in Einzelfällen" auf externe Unterstützung, die Regel ist das aber nicht.
"Der Nachwuchs aus den deutschen Hochschulen deckt bei weitem nicht die Nachfrage ab und ich kann zurzeit keine Trendwende erkennen."
Florian Schneemann, Leiter Recruiting & Employer Branding bei RTL
Die Herausforderung, gut ausgebildetes Personal im Bereich Software-Entwicklung zu bekommen, trifft aufgrund der unterschiedlichen Strategien also vor allem die privaten Anbieter, die eigene Einheiten im Unternehmen geschaffen haben. "Der Nachwuchs aus den deutschen Hochschulen deckt bei weitem nicht die Nachfrage ab und ich kann zurzeit keine Trendwende erkennen", sagt Florian Schneemann, Leiter Recruiting & Employer Branding bei RTL. Schneemann berichtet außerdem von einer geringen Rückmeldequote, wenn man mögliche Kandidatinnen und Kandidaten direkt anspreche - in anderen Bereichen sehe das anders aus. Er selbst kenne Software Entwickler, die am Tag mehr als 20 Nachrichten von Headhuntern und Unternehmen erhalten würden.
Das hat auch Folgen für die Medienunternehmen. "Mit Blick auf das Gehalt wird von Kandidatinnen und Kandidaten schon sehr früh im Recruiting-Prozess Transparenz gefordert. Darüber hinaus steht räumliche Flexibilität in Verbindung mit einem Mobile Office Angebot klar im Fokus der Kandidaten-Wünsche", so Schneemann. Der Personalexperte sieht eine höhere Einstiegshürde für Erstgespräche, weil Vielen die Projekte und Einsatzmöglichkeiten nicht bewusst seien. Wenn man erst einmal im Austausch sei, erhalte man in der Regel auch positives Feedback und erlebe Interesse der Software-Spezialisten. "Also ist die Herausforderung, dass wir nicht unbedingt attraktiver sondern sichtbarer werden müssen. Dafür setzen wir auf Employer Branding und HR-Marketing Maßnahmen die uns Aufmerksamkeit in der Zielgruppe verschaffen", sagt Schneemann. Zuletzt startete RTL eine Kampagne, um Daten-Experten zu finden (DWDL.de berichtete).
Unternehmen suchen auch international
Nachteil im Vergleich zu Netflix & Co.?
Bleibt die Frage, wie groß der Nachteil für die einzelnen Unternehmen ist, wenn sie alle ihre eigenen Produkte entwickeln und auf der anderen Seite Plattformen wie Netflix stehen, die nur einmalige Entwicklungskosten haben und ihren Dienst dann auf der ganzen Welt nutzen können. Malte Blumberg von der ARD bringt die Herausforderung auf den Punkt: "Die Nutzerinnen und Nutzer machen einfach zwei Apps auf, eine von einem internationalen kommerziellen Anbieter, daneben die ARD Mediathek und bewerten das Ergebnis. Das ist absolut legitim, weil ihnen egal ist, was dahinter für Ressourcen, Beschränkungen, Regularien und Hürden liegen." Dennoch müsse man realistisch und pragmatisch bleiben. "Wir haben nicht die Voraussetzungen wie Netflix, Amazon und Co. und müssen mit unseren USPs glänzen, wie zum Beispiel einzigartige Inhalte und Services, hohe Transparenz und Rücksicht und Schutz von Kindern und Jugendlichen."
Einzig Frank Penning, Chief Information Officer von RTL Deutschland, will den Vergleich mit den internationalen Playern im Gespräch mit DWDL.de nicht so stehen lassen. Die Aussage, dass die globalen Plattformen mit einer Software alle Märkte bedienen, sei nicht ganz richtig. "Das sieht zwar an der Oberfläche so aus, unter der Haube, zum Beispiel bei Empfehlungslogiken und Streaming, sind auch die Großen regional spezifisch unterwegs." Daher sieht Penning hier keinen großen Nachteil. "Bei uns mag alles lokal orientiert sein, dafür können einzelne Mitarbeiter aber auch mehr bewegen als in den großen Uhrwerken der Konkurrenz." Eins haben internationale und nationale Player jedenfalls gemeinsam: Sie brauchten Software-Expertise - und das mehr als jemals zuvor. Das ist vor allem eine gute Nachricht für die Menschen, die in diesem Bereich gut ausgebildet sind.