Herr Popov, Sie sind bei Sony Pictures Executive Director People & Organisation, Central & Eastern Europe, inklusive Russland und Türkei, und auch noch Geschäftsführer Personal. Damit sind Sie für einen ziemlich großen HR-Bereich bei Sony verantwortlich. Haben Sie in den vergangenen eineinhalb Jahren im Home Office gearbeitet oder geht das bei einem so großen Verantwortungsbereich nicht?
Toni Popov: (lacht) Der Titel ist sehr formell und lang, bei uns bin ich meist nur der HR-Guy. Ich bin in den letzten eineinhalb Jahren tatsächlich gereist, aber nicht ganz so viel, wie es vor der Pandemie der Fall war. Vieles geht heutzutage auch virtuell, ganz bleibt der persönliche Kontakt aber nie aus - das kann man nicht ersetzen. Ich zehre davon, dass ich in meiner Anfangszeit hier bei Sony viel gereist bin, viele Länder besucht und Kollegen kennengelernt habe. Da sind freundschaftliche Kontakte entstanden und das hilft bei virtuellen Meetings.
Sind Sie in allen Märkten operative tätig und auch regelmäßig vor Ort, wenn gerade keine Pandemie ist?
Ja und nein. Operativ haben wir in der Regel Teams, die vor Ort sind und auch Entscheidungen treffen. Ich sitze in München und steuere von hier aus mit den Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien die HR-Angelegenheiten. Die sind breit gefächert: Das können operative Themen sein, etwa das Recruitment oder die grundsätzliche Personalentwicklung, geht aber hin bis ins Strategische, da geht es dann um Dinge wie Merger und Acquisition Projekte oder der Einführung von bestimmten Systemen.
Welcher der von Ihnen verantworteten Bereiche (Kino, Home Entertainment, Distribution, Networks und Produktion) erfordert eigentlich das meiste zeitliche Investment?
Das ist schwierig. Wenn man sich die Aufteilung in Deutschland ansieht, habe ich den meisten Einblick und den täglichen Kontakt sicherlich zu den Kolleginnen und Kollegen hier in München, wo die Bereiche Networks, Distribution und Home Entertainment angesiedelt ist. Der Kino-Bereich ist in Berlin, die TV-Produktion in Köln. Ich bin recht gleichmäßig in die verschiedenen Bereiche eingebunden. Die meiste Arbeitszeit geht aber ohnehin eher auf globale und regionale Projekte zurück, die wir auf Corporate-Ebene haben.
Der Kino-Bereich lag durch Corona lange praktisch brach. Welche Auswirkungen hatte das bei Ihnen?
Das war in der Tat nicht einfach. Man kann keine Filme veröffentlichen, wenn die Kinos geschlossen sind. Das konnten wir anfangs nicht einschätzen. Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass sich die ganze Situation zum Herbst 2020 stabilisiert. Das ist nicht passiert. Zum Glück haben wir Möglichkeiten gefunden, die Situation in dem Bereich zu stabilisieren.
"Es ist nicht einfach gewesen, den Überblick zu behalten, was in den einzelnen Ländern und Büros die Rechtsgrundlage ist."
Nämlich?
Wir haben im Kinobereich auf das Tool der Kurzarbeit zurückgegriffen. Das hat uns sehr geholfen, um die letzten Monate zu überbrücken. Heute stehen wir wieder bei der vollen Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und konzentrieren uns auf das Releasen der neuen Kinofilme.
Corona hat allen Personalabteilungen im Land viel abverlangt. Wie war das bei Ihnen in den verschiedenen Märkten? Kennen Sie die türkischen Corona-Verordnungen auswendig?
Es ist nicht einfach gewesen, den Überblick zu behalten, was in den einzelnen Ländern und Büros die Rechtsgrundlage ist. Im Nachhinein kann ich sagen, dass wir bei Sony immer die höchsten Standards hatten wenn es darum ging, für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Maßnahmen zu treffen. In allen Bereichen und Märkten haben wir die örtlichen Regelungen nicht nur eingehalten, sondern haben sie über das Maß hinaus gelebt.
Jetzt arbeiten Sie in einem People-Business. Wie schwer fällt es da, den Kontakt zu den Menschen zu halten, wenn man eben diesen Kontakt doch eigentlich reduzieren sollte?
Am Anfang war das die größte Herausforderung und auch eine Befürchtung. Was machen wir, wenn wir uns nicht mehr regelmäßig persönlich sehen? Wie gestalten wir jetzt unsere Kommunikation? Glücklicherweise waren wir technisch schon so aufgestellt, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten konnten. Auch die Systeme waren technisch auf dem neuesten Stand, sodass wir schnell virtuell arbeiten konnten. Ich glaube Viele im Unternehmen haben Tools wie Zoom oder MS Teams vor der Pandemie nicht regelmäßig genutzt, das hat sich aber innerhalb von einer Woche gewandelt. Es war schnell die Kommunikationsbasis und ich war überrascht, wie gut die Kommunikation vonstatten ging. Insofern habe ich es nicht vermisst, dass wir nicht persönlich kommuniziert haben. Nach etwas längerer Zeit merke ich aber, dass es mal wieder schön wäre, jemanden persönlich zu treffen. Sei es nur in der Kaffeeküche für einen privaten Plausch, das darf man nicht unterschätzen.
Was wird bleiben von dem neuen Arbeiten, das sich während Corona etabliert hat?
Die Zeit war für alle lehrreich. Die Nutzung von virtuellen Tools wird Bestand haben, das hat Vieles einfacher gemacht. Früher saßen wir oft in Conference Calls, allerdings nicht virtuell, da musste man sich telefonisch einwählen. Durch das Virtuelle ist das besser geworden. Ich glaube auch, dass das Reiseverhalten künftig ein anderes sein wird. Vieles ist schnell mal über eine virtuelle Konferenz zu erledigen. Dennoch kann das nicht den persönlichen Kontakt und das zwischenmenschliche Verhältnis ersetzen. Aber wir sind dadurch effizienter geworden und übrigens auch ein wenig schnelllebiger. Die Frage wird sein, wann sich die Situation normalisieren wird. Meine Hoffnung ist, dass wir irgendwann alle wieder im Büro zusammenkommen. Nichtsdestotrotz wird es Ansätze geben, das zu Flexibilisieren. Weil eben alle gesehen haben, dass es funktioniert. Auf der anderen Seite hat es vielleicht auch deshalb bei uns und überall anders so gut funktioniert, weil wirklich alle davon betroffen waren.
"Nach etwas längerer Zeit merke ich aber, dass es mal wieder schön wäre, jemanden persönlich zu treffen. Sei es nur in der Kaffeeküche für einen privaten Plausch, das darf man nicht unterschätzen."
Was meinen Sie damit?
Wenn es wieder ein normales Büroleben gibt, muss man schauen, wie man die Kommunikation aufrecht erhält, wenn Teile der Mitarbeiter mobil arbeiten. Die Kommunikation, die in der Kaffeeküche und die auch mal so nebenbei im Büro passiert, ist wichtig - und die kann man dann eben nicht immer mit allen teilen, die gerade nicht anwesend sind. Das kann auch virtuell nicht aufgefangen werden.
Sie arbeiten schon lange im Personalbereich von Medienunternehmen. Was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert?
Es ist bunter geworden. Personalabteilungen waren früher administrative Bereiche, da ging es um Abrechnungen, Einstellungen und Verträge. Das hat sich komplett geändert. HR-Abteilungen sind heute viel enger mit dem gesamten Unternehmen vernetzt. Auch durch die Digitalisierung ist viel mehr Austausch möglich. Wir haben das Glück, dass wir im Medienbereich arbeiten, da sind wir ohnehin technisch geprägt. Uns fällt es etwas einfacher, uns damit auseinanderzusetzen. Ganz grundsätzlich bin ich immer wieder erstaunt, wie schnelllebig unser Geschäft ist. In unserem Home-Entertainment-Bereich hier in München hatten wir das 3D-Thema, das lange gepusht wurde. Dann hatten wir Virtual Reality, was auch ein ganz großes Thema war. Heute geht es schon wieder um was ganz anderes.
Wie unterscheiden sich eigentlich die verschiedenen Märkte, die Sie verantworten, grundsätzlich voneinander?
Ich würde nicht sagen, dass sie sich großartig unterscheiden. Ein Unterschied ist, wie sie historisch gewachsen sind. Der britische, deutsche, französische und spanische Markt haben eine andere, längere Historie in Bezug auf Medien als osteuropäische. Erstaunlich ist zu sehen, wie sich die osteuropäischen Ländern gerade in den vergangenen zehn Jahren verändert haben. Als ich angefangen habe, hatten wir in einigen Regionen ein Dutzend Mitarbeiter. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass eins dieser Büros plötzlich das größte neben dem EMEA-Headquarter ist. Da sieht man, wie schnell diese Region wächst und wie veränderungsfähig sie ist.
In Deutschland gibt es im Produktionsbereich einen Fachkräftemangel. In den anderen Ländern auch?
Diesen Fachkräftemangel kann man generell feststellen, das ist auch keine Überraschung. Der Bedarf an Content ist extrem gestiegen und jedes große Medienunternehmen hat heute eigene Produktionsfirmen. Da steigt der Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Geprägt war der Bereich immer stark von befristeten Produktionstätigkeiten. Da erstaunt es nicht, dass bei einer erhöhten Nachfrage die Ressourcen knapp werden. In Osteuropa merke ich, dass es immer mehr Produktionsfirmen gibt, die auch immer professioneller und die Crews immer internationaler werden. In einer Stadt wie Budapest kann man gar nicht mehr durch die Stadt gehen, ohne eine laufende Produktion zu sehen. Das alles muss übrigens nicht schlecht sein, bedeutet es doch, dass auch wir in Deutschland immer mehr Produktionen in hoher Qualität sehen werden. Konkurrenz belebt manchmal das Geschäft - und gut ist es natürlich für die, die in dem Geschäft tätig sind.
"Personalabteilungen waren früher administrative Bereiche, da ging es um Abrechnungen, Einstellungen und Verträge. Das hat sich komplett geändert."
Weil sie mehr Geld von ihren Auftraggebern verlangen können?
Das ist der Automatismus. Wenn es Bedarf nach Arbeitskräften gibt, verändern sich die Arbeitsbedingungen zugunsten der Menschen, die dort arbeiten. Gleichzeitig wird der Bereich attraktiver und dadurch entscheiden sich hoffentlich mehr Menschen, dort zu arbeiten. Die Unternehmen stellt das natürlich vor Herausforderungen, da gibt es Kapazitätsengpässe. Das alles ist auch nichts, was sich kurzfristig lösen lässt. Grundsätzlich sollten wir uns aber freuen, dass die Qualität und das Volumen im Produktionsbereich vorhanden ist und steigt. Andersherum würde ich mir mehr Sorgen machen.
Gibt es irgendwas, was deutsche Personaler von ihren internationalen Kollegen lernen können?
Ich werde mich hüten, hier meinen Kollegen Tipps zu geben (lacht). Aber ganz grundsätzlich tut sich die Branche einen Gefallen, wenn sie nicht regional denkt. Wer in der Medienbranche arbeitet, hat mitbekommen, wie sich der Markt international getrieben verändert. Selbst wenn man heute regional aufgestellt ist muss man immer damit rechnen, dass man morgen früh Teil eines internationalen Konzerns ist. Man tut sich also einen Gefallen damit, nicht regional zu denken und immer zumindest damit zu rechnen, auch mal international zu arbeiten.
Was wünschen Sie sich von künftigen Bewerberinnen und Bewerber?
Ich glaube, viele Bewerber sind gut vorbereitet auf ein Bewerbungsgespräch. Sie haben das Internet durchforstet und auf alle Standardfragen Antworten, das ist manchmal etwas ermüdend. Für mich ist es einfach wichtig, dass alle authentisch bleiben. Es geht nicht darum, das wiederzugeben, was in irgendeinem Ratgeber steht. Das führt dazu, dass die Gespräche für beide Seiten anstrengend werden. Es geht darum, locker ins Gespräch zu kommen. Ein Bewerbungsgespräch ist für mich ein Austausch. Wir müssen die Bewerber davon überzeugen, dass wir das richtige Unternehmen sind. Andersherum wollen sie uns davon überzeugen, dass sie die Richtigen für uns sind. Natürlich müssen wir auch klar machen, was wir erwarten. Aber wenn beide Seiten offen und authentisch sind, ergibt sich das meist von alleine.
Wenn sich Bewerber zuvor über Sony Pictures informiert haben und gut vorbereitet sind, dürfte das ja auch eine Menge Arbeit gewesen sein. So leicht ist es ja nicht zu durchblicken, was das Unternehmen an welchen Standorten genau macht.
Das ist in der Tat so, für Außenstehende sind internationale Konzernstrukturen kaum zu durchblicken. Ich selbst habe gut zwei Jahre gebraucht um zu verstehen, wie Sony international aufgestellt ist (lacht). Vor zehn Jahren hatte ich Bewerber im Gespräch, die sich vorher über Sony Pictures schlau gemacht hatten. Damals waren Digitalkameras ein großer Trend und Sony hatte sehr gute Geräte. Einige Bewerber, mit denen ich gesprochen hatte, dachten tatsächlich, sie hätten sich bei der Sony Sparte beworben, die Digitalkameras herstellt, dass Missverständnis kann man sogar irgendwo nachvollziehen (lacht).
Herr Popov, vielen Dank für das Gespräch!