Herr, Trautmann. Sie sind Vorsitzender des Bundesverbandes der Fernseh-Kameraleute. Wie würden Sie Ihre Branche beschreiben? Wo gibt es die größten Probleme?
Frank Trautmann: Die Probleme der Kameraleute in Deutschland liegen in der Bezahlung. Es ist teilweise dramatisch, wie wenig gezahlt wird und es ist keine Entwicklung nach oben absehbar. Seit unserer Gründung im Jahr 2009 beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit dem Thema. Es muss sich etwas ändern und es ist unsere ureigenste Aufgabe als Berufs- und Fachverband, hier die Interessen unserer Mitglieder energisch zu vertreten.
Wie haben sich die Löhne und Gehälter konkret entwickelt?
Sie sind auf keinen Fall gestiegen, in einigen Segmenten sind sie sogar zurückgegangen. Das lässt sich an Studien, die wir in Auftrag gegeben haben, konkret belegen. Wenn man den Nominallohnindex anlegt, dann müssten die Löhne 87 Prozent höher sein als sie es derzeit sind, gerechnet auf die letzten 25 Jahre.
Sie haben Honorarstandards entwickelt. Bei einem Tagessatz für einen selbstständigen Fernsehkameramann/-frau empfehlen Sie zwischen 560 und 875 €. Was bekommen die Kameraleute wirklich?
Es gibt schon Kollegen, die an die 500 Euro heranreichen. Das Durchschnittshonorar lag 2014 bei 300 Euro und das liegt weit unter den Standards. Natürlich klingen die Standards hoch, aber das sind alles ganz valide Zahlen. Wir haben das mit den Lohnlisten und den Tarifgehältern von ver.di verglichen und sind so auf die Zahlen gekommen. Darin enthalten sind auch Urlaubstage und Tage zur Fortbildung. Letztlich darf ein Selbstständiger nicht günstiger sein als ein fest angestellter Mitarbeiter, da ja die Altersvorsorge mitgerechnet werden muss, das ist auch gerichtlich vom Bundessozialgericht in diesem Jahr bestätigt worden.
So gut wie alle Gewerkschaften und Berufsverbände wollen mehr Geld für ihre Mitglieder. Was macht die Sache bei Ihnen anders?
Bei uns geht es um die Sicherung eines ganzen Berufsstandes. In den letzten 20 Jahren gab es große Einschnitte. So sind etwa viele in die Selbstständigkeit gedrängt worden, wurden aber nie als Selbstständige bezahlt. Da unterscheidet sich die Branche schon von anderen, wo oft Verhandlungen auf Augenhöhe stattfinden. Das ist bei uns nicht so. Die Realität ist: Preise und Honorare für Kameraleute werden meist gar nicht verhandelt, sondern von den Auftraggebern einfach vorgegeben. Es ist leider so, dass Kameramann und Kamerafrau keine geschützten Berufe sind, daher gibt es eine große Inflation derer, die meinen sie würden diesen Beruf ausüben können. Und das kann man ja auch leider jeden Tag sehen: Die Qualität im deutschen Fernsehen wird nicht unbedingt besser.
Warum können Ihre Mitglieder keine Verhandlungen auf Augenhöhe führen? Liegt es an den Amateur-Kameraleuten, die den Job im Zweifel gar nicht gelernt haben?
Das ist sicher ein Punkt. Es gibt aber auch viele, die nie gelernt haben zu kalkulieren. Die lassen die Alterssicherung und Rücklagen völlig außen vor, das sind meistens die Jüngeren. Der Beruf des Kameramanns ist durch Erfahrung geprägt, die Top-Leute haben viele Berufsjahre hinter sich. Aber nicht einmal die können die Preise, die sie brauchen, um mit ihrer Familie normal leben zu können, aufrufen. Das ist ausgesprochen bedauerlich, denn dadurch geben viele gute Leute den Job auf.
Sie haben die 87 Prozent mehr Lohn angesprochen, damit rennen Sie wohl keine offenen Türen ein. Wie treten Sie gegenüber den Auftraggebern auf und was fordern Sie?
Natürlich sagen viele, dass das nicht "marktgerecht" sei. Das mag auch sein und wir wissen, dass wir mit unseren Standards hoch liegen. Das machen wir aber bewusst, weil es eine gute Verhandlungsgrundlage ist, den Auftraggebern zu sagen, dass eigentlich ganz andere Beträge auf der Rechnung stehen müssten. Wir wollen eine Verhandlungsgleichheit zwischen Auftraggebern und Kameraleuten schaffen. Und wir müssen da auch über Mindesthonorare sprechen.
Preise und Honorare für Kameraleute werden meist gar nicht verhandelt, sondern von den Auftraggebern einfach vorgegeben.
Ihre Forderungen sind hoch, der Markt ist groß. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sender und Produktionsfirmen im Zweifel einfach zu anderen Kameraleuten gehen, die zu günstigeren Konditionen arbeiten?
Das ist die Schwierigkeit, vor der wir stehen. Natürlich können unsere Mitglieder nicht einfach ihre Wunschbeträge fordern. Das ist ein langer Weg. Den wollen wir auch gehen undinformative, konstruktive Gespräche mit den Auftraggebern suchen. Natürlich sind wir keine Gewerkschaft, die eine Revolution anzetteln will. Wir sind auf Qualität bedacht und wollen den Sendern klar machen, dass gelernte Kameraleute ihr Geld wert sind. Objektiv gesehen ist ja sowohl bei den Öffentlich-Rechtlichen als auch bei den Privaten Geld vorhanden. Es geht darum, den Wert der professionellen kreativen Arbeit zu zeigen. Der ist vielen Leuten nicht klar. Gute Kameraleute sind die, die die Kompetenzen in der Bildgestaltung haben. Da kann man keinen Studenten hinsetzen und ihm sagen, was er zu machen hat.
Was muss man als Kameramann können? Was ist das Wichtigste?
Die Kernkompetenz liegt in der Bildgestaltung. Aber Kameraleute müssen auch die Technik beherrschen und sich im Bereich Arbeitssicherheit auskennen. Wer selbstständig ist, benötigt zudem Grundkenntnisse in den Bereichen Recht und BWL. Und letztlich brauchen sie auch soziale Kompetenzen, denn Kameraleute sind oft Teamkoordinatoren im Sinn der Auflagen der Berufsgenossenschaft - sie agieren damit auch als Schnittstelle zur Redaktion und Disposition. Der Beruf basiert auf Erfahrungen und wir geben unser BVFK-Zertifikat niemandem, der kürzer als drei Jahre in dem Beruf arbeitet. Nach der Bildungsempfehlung, die der BVFK herausgegeben hat, dauert der Weg zum Fernsehkameramann/-frau mindestens acht Jahre. Die Ansprüche an uns und unsere Arbeit sind stetig gestiegen. Nur die Bezahlung ist es halt nicht.
Mitte des Jahres haben Sie ProSiebenSat.1 und die Mediengruppe RTL dazu aufgerufen, sich mit Ihnen an einen Tisch zu setzen und über das Thema zu sprechen. Mit beiden Sendergruppen haben Sie dann auch gesprochen. Was war das Ergebnis?
Das ist noch in der Schwebe und da möchte ich auch nicht vorgreifen. Wir sind mit beiden Sendergruppen in Gesprächen, auch mit der Produzentenallianz und anderen Vereinigungen. Falls wir da einen Erfolg erzielen, werden wir das kommunizieren.
Aber haben Sie in den Gesprächen mit den Sendern und den Produzenten die von Ihnen geforderte Empathie gespürt? Oder herrscht da Unverständnis ob Ihrer Forderungen?
Unsere Argumente werden gehört und akzeptiert, das kann ich sagen. Hier und da wird das etwas anders gesehen, grundsätzlich herrscht aber Einigung in der Frage, ob die Erhöhung der Tagessätze aus Sicht der Kameraleute gerechtfertigt ist. Darüber diskutieren wir wenig. Vielmehr geht es bei den Gesprächspartnern um die Frage, dass der "Markt" diese Kosten nicht absorbieren könnte und diese deshalb nicht gerechtfertigt seien, auch seien Standard- oder Mindesthonorare nicht im Sinn eines "freien Marktes". Da muss man schon einmal eine Tür aufbrechen.
Ist die Situation mit den Öffentlich-Rechtlichen eine andere?
Grundsätzlich ist das die gleiche Situation. Wir haben auch schon Gespräche mit dem ZDF und den verschiedenen ARD-Sendern geführt und werden das auch weiter machen.
Schreckt diese ganze Honorar-Situation potenzielle Nachwuchs-Kameraleute ab?
Das kann ich gar nicht so genau beantworten. In der Regel sind das ja junge Mediengestalter, die mit einer Grundausbildung anfangen. Da ist die Anzahl der Absolventen vor einigen Jahren zurückgegangen, das war aber auch gut so. Die Anzahl der Mediengestalter, die da bis vor einigen Jahren noch ausgebildet wurde, hat der Markt nicht aufnehmen können. Dass der Beruf unattraktiv geworden sei, kann ich nicht bestätigen.
Die Kameraleute haben zwar die Kompetenz in der Bildgestaltung, aber wenn das Drehbuch oder der Regisseur vorgibt, Nahaufnahmen von benachteiligten Menschen zu machen, die sie nicht gerade vorteilhaft aussehen lassen, dann wird sich da kaum jemand gegen sträuben.
Der BVFK hat sich einige Leitbilder verpasst. Unter Punkt 1 heißt es: "Wir achten in all unserem Tun als Kameraleute und Mitglieder des BVFK auf die Menschenwürde und die Persönlichkeitsrechte." Was heißt das konkret bei bestimmten Formaten? Empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, bestimmte Aufträge abzulehnen?
Das steht uns nicht zu und das können wir unseren Mitgliedern auch gar nicht sagen. Die Kameraleute haben zwar die Kompetenz in der Bildgestaltung, aber wenn das Drehbuch oder der Regisseur vorgibt, Nahaufnahmen von benachteiligten Menschen zu machen, die sie nicht gerade vorteilhaft aussehen lassen, dann wird sich da kaum jemand gegen sträuben. Natürlich gibt es Grenzfälle, wo man auch als Kameramann mal seine Meinung sagen und Vorschläge machen kann. Wenn jemand weint kann es etwa respektvoller und gleichzeitig viel intensiver sein, dort nicht voll mit der Kamera draufzufahren. Bei dem Punkt in unserem Leitbild geht es uns jedoch um die grundsätzliche Verantwortung, die wir als Kameraleute haben und deren wir uns bewusst sein müssen.
Der BVFK hat viele männliche Mitglieder. Wieso gibt es so wenige Frauen?
Das ist eine gute Frage. Früher war der Beruf eine Männerdomäne, das hat auch damit zu tun, weil es eine relativ schwere körperliche Arbeit war. Das hat sich gewandelt und ich bedauere, dass wir nur so wenige Frauen im Verband haben. Ich hoffe, dass sich das ändern wird.
Wie geht es nun in Zeiten von Smartphones weiter mit den Kameramännern und Kamerafrauen? Heute kann ja jeder filmen und Videos ins Netz stellen.
Das stimmt, aber dadurch wird der Beruf des Kameramanns/-frau nicht sterben. Im Gegenteil: Die Flut der Bilder erhöht die Nachfrage nach guten Bildern. Jetzt kommen Systeme mit 4 oder 8K, dafür brauchen Sie Profis.
Herr Trautmann, vielen Dank für das Gespräch.