Schon lange bevor sich die Verhandlungsdelegationen der Alliance of Motion Picture and Television Producers, die für die neun größten Hollywood-Studios verhandelt, sowie der Ost- und West-Divisionen der Writers Guild of America (WGA), die mehr als 11.000 Drehbuch-Autorinnen und Autoren vertritt, Anfang dieser Woche erstmals trafen, waberte ein möglicher neuer "Writers' Strike" schon seit Wochen und Monaten als Drohung durch die Branche. Dass die Autorinnen und Autoren die Macht und den Entschlossenheit haben, die ganze Branche zum Stillstand zu bringen, bewiesen sie in der Vergangenheit schon mehrfach.
1998 traten sie für fünf Monate in den Ausstand, 2007 dauerte der letzte Writers' Strike 100 Tage an. Und 2017 konnte ein neuerlicher Streik nur mit einer Last-Minute-Einigung wenige Stunden vor den ersten Arbeitsniederlegungen abgewendet werden. Auch diesmal deutet wenig auf eine schnelle Einigung hin, bei der WGA spricht man in Anbetracht der tiefgreifenden Veränderungen in der Branche in den letzten Jahren von "existentiellen" Verhandlungen.
Verlierer der Streaming-Revolution - und jetzt auch noch ChatGPT?
Autorinnen und Autoren fühlen sich ein Stück weit als Verlierer der Streaming-Revolution. Zwar ist die Zahl der Serien-Produktionen so hoch wie nie - allerdings fallen Staffeln immer kürzer aus, und immer seltener gibt es überhaupt mehrere Staffeln. Dafür tendieren einzelne Folgen dazu, länger zu werden - eine doppelt ungünstige Situation, wenn man im Wesentlichen pro Episode bezahlt wird. Dass die Zahl der Film-Produktionen rückläufig ist, verschärft die Lage zusätzlich.
Nach Berechnungen der WGA soll der durchschnittliche Wochenlohn für Autorinnen und Autoren in den letzten zehn Jahren um vier Prozent gesunken sein. Nun kommt auch noch eine recht hohe Inflation dazu - die WGA wird sich also kaum mit Klein-Klein zufrieden geben, sondern auf signifikanten Verbesserungen bestehen. Dazu kommt nun auch noch die Diskussion über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT in der Skript-Entwicklung.
Dass KI ganze Drehbücher schreibt, ist einstweilen kaum zu erwarten - doch dass diese Techniken zunehmend ergänzend zum Einsatz kommen, steht kaum in Frage. Das wirft zahlreiche Fragen auf - unter anderem die, ob die menschlichen Autorinnen und Autoren noch die gesamten Credits und damit die volle Bezahlung erhalten, wenn ein Teil der Arbeit von KI erledigt wird. Auch wenn das noch wie Zukunftsmusik erscheint: Jetzt werden die Pflöcke eingeschlagen, die für die Bezahlung in Zukunft mit entscheidend sein werden.
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Verhandlungen in schwierigen Zeiten
Die Forderungen der Autorinnen und Autoren kommen allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die Produktionsstudios nicht in bester Verfassung sind. Quer durch die Branche wurden zuletzt milliardenschwere Sparprogramme aufgelegt, die große Wachstumsfantasien hinsichtlich der Streaming-Plattformen wurden ordentlich zurechtgestutzt - und bis auf Netflix handelt es sich da bislang um heftige Verlustgeschäfte. Mit diesem Argument sollten die Studios allerdings lieber gar nicht erst kommen: Die WGA wies sich vorab darauf hin, dass sämtliche Konzerne gegenüber den eigenen Aktionären einen baldigen Break-Even ihrer Streaming-Aktivitäten in Aussicht gestellt haben. Und da ein neuer Kontrakt für gewöhnlich über drei Jahre geschlossen wird, wies man einen Verweis auf aktuell noch anfallende Verluste, schonmal brüsk zurück.
Offiziell gaben sich die Produktionsstudios im Vorfeld der Verhandlungen trotzdem optimistisch und vermieden harsche Worte: Oberstes Ziel sei es, die Produktionen weiter am Laufen zu halten. Trotzdem erscheint es wenig wahrscheinlich, dass in den ersten beiden Wochen schon eine Einigung erzielt wird. Bleibt die aus, dann dürfte die WGA wohl schon Anfang April zur Abstimmung über einen Streik aufrufen. In der Vergangenheit stimmten hier meist weit über 90 Prozent für einen Ausstand - der dann allerdings nicht zwangsweise auch kommt, sondern erstmal als weiteres Druckmittel in den Verhandlungen dient. 2017 hat da ja bekanntlich in letzter Minute noch zu einer Einigung geführt.
Massive Auswirkungen drohen
Falls das diesmal aber nicht gelingen sollte, drohen je nach Länge des Streiks dramatische Auswirkungen. Umgehend sichtbar werden die fürs Publikum bei den aktuell produzierten Late-Night-Shows, die ohne Autorinnen und Autoren in einer Spar-Version oder gar nicht senden können. Nach etwa einem Monat wäre dann bei den Daily Soaps Schluss, so lange beträgt hier in etwa der Produktionsvorlauf. Bei anderen fiktionalen Serien würden sich die Auswirkungen erst mit Verzögerung bemerkbar machen. Network-Serien etwa könnten ggf. im Herbst erst später starten und dann womöglich mit kürzeren Staffeln laufen. Bei vielen großen Produktionen liegen schon weitgehend fertig gedrehte oder zumindest fertig geschriebene Staffeln vor - zuletzt hatte man dafür gesorgt, dass möglichst viele Skripte noch vor Auslaufen des aktuellen Kontrakts am 1. Mai geschrieben werden. Möglich wäre hier, dass zu den darauffolgenden Staffeln eine größere Pause entsteht - allerdings nur, wenn der Streik wirklich Monate andauern würde.
Während angesichts der allgemeinen Flut an Produktionen dem Publikum der Serienstoff trotzdem wohl nicht so schnell ausgehen dürfte, sind die Folgen für Andere deutlich schwerwiegender: Kommt die TV- und Film-Produktion zum Erliegen, ist auch Personal aus allen anderen Gewerken ebenso wie kleinere Zuliefer-Unternehmen betroffen. Zehntausende Beschäftigte waren während des letzten Streiks 2007 entlassen worden - US-Arbeitgeber gehen hier in der Regel nicht zimperlich vor. Die Solidarität mit Autorinnen und Autoren wäre hier also begrenzt und der Druck, zu einer Einigung zu gelangen, würde auf beide Verhandlungspartner schnell steigen.