Diese Telegeschichte beginnt im Mai des Jahres 1924. In der Zeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“ ist ein ganzseitiger Aufruf zu finden. „Was wollen Sie vom Rundfunk hören?“ steht oben drüber. Darunter folgt eine kurze Erläuterung. „Seit Monaten haben wir den deutschen Rundfunk. In dieser Zeit waren Darbietungen der verschiedensten Art zu hören. Eine Aufgabe des Sendedienstes ist es jetzt, das Programm den allgemeinen Wünschen anzupassen. Aus vereinzelten Zuschriften läßt sich ein Gesamtbild der Wünsche der Rundfunkteilnehmer nicht gewinnen. Es wird deshalb an ALLE die Frage gestellt: Was soll der Rundfunk bringen? Kein Funkfreund darf diese Frage unbeantwortet lassen.“

Es ist die erste systematische Untersuchung des Hörerverhaltens, die in Deutschland dokumentiert ist. Bis dahin gibt es bloß einzelne sporadische Aufforderungen die eigene Meinung zum Programm per Brief oder Telefon mitzuteilen. 

Im Rahmen des jetzigen Aufrufs können zu zwei konkreten Fragen bis zum 30. Juni 1924 per Post Rückmeldungen gegeben werden. Die eine widmet sich der Nachfrage nach verschiedenen Inhalten und Genres. Dazu sind insgesamt 24 „Vortragsthemen“ aufgelistet. Zeitangaben, Sportnachrichten, Märchen, Operetten, Kabarett und andere. Hinter jeder Darbietung ist dann die gewünschte Häufigkeit einzutragen. Die Bandbreite der Antwortmöglichkeiten reicht hierbei von „keinerlei Interesse“ über „mindestens einmal wöchentlich“ bis zur Einschätzung als „Wichtigster Bestandteil des Programms“. Die andere Frage ist offen formuliert und bittet um die Angabe, welche Zeiteinteilung (Sendezeit) für das Programm gewünscht wird.

Nach der Veröffentlichung des Aufrufs gehen rund 8.000 Zuschriften in der Berliner Prinzenstraße ein. Ihnen ist zu entnehmen, dass „Operetten“ mit Abstand am populärsten sind. An zweiter Stelle folgen „Tagesneuigkeiten“. Interessanterweise landen „Sportnachrichten“ abgeschlagen auf Platz 13. Am wenigsten gefragt sind „Predigten“. Außerdem ergibt die Befragung, dass sich mehrheitlich eine umfangreiche Ausweitung des Betriebs von 06.00 bis 01.00 Uhr gewünscht wird. Als beliebteste Radiozeit zeigt sich der Abend zwischen 20.00 und 22.00 Uhr.

Blick in die Fernsehstuben (ab 1925)

In den nächsten Monaten und Jahren wurden weitere Aktionen und Befragungen dieser Art durchgeführt. Sie zielten einzig darauf ab, die Wünsche der Hörenden für eine Programmgestaltung abzufragen, beabsichtigten jedoch noch keine Dokumentation des tatsächlichen Einschaltverhaltens. Ein entsprechender Wechsel in dieser Herangehensweise vollzog sich ab dem Jahr 1931, als die Bürger:innen in umfangreichen „Volksbefragungen über Hörgewohnheiten“ angeben sollten, zu welchen Tageszeiten sie Radio hörten.

Ab Mitte der 1930er-Jahre erfuhren die Untersuchungen erstmalig eine Ausweitung auch auf Fernsehzuschauende, wobei aufgrund der geringen Verbreitung von Fernsehapparaten die Ergebnisse anfangs dürftig ausfielen. Sie wurden einzig in den offiziellen Fernsehstuben der Reichspost erhoben. Eine kurzfristige Intensivierung der Erfassung hat es anlässlich der Olympischen Spiele im Jahr 1936 gegeben. Sie ergab, dass insgesamt 100.000 bis 150.000 Menschen in den rund 30 Fernsehstuben die Wettkämpfe ansahen. Danach wurde die Erforschung einer allgemeinen Fernsehnutzung kaum weiter vorangetrieben. Hier spiegelte sich die generelle stiefmütterliche Behandlung des Fernsehfunks in der Führungsriege des Dritten Reichs wider. Ohnehin hatte sich eine systematische Befragung nach den Wünschen des Publikums nach der Machtübernahme Hitlers erübrigt, weil die Inhalte einzig an den Propagandazielen der NSDAP auszurichten waren.

Ab jetzt mit System (ab 1950)

Mit der Reaktivierung des Fernsehfunks nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich langsam eine stetige Zuschauerforschung. Kurz nachdem der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) im Jahr 1950 als erster deutscher Sender die Ausstrahlung eines TV-Angebots testweise aufgenommen hatte, führte er schon Sonderumfragen zu Fernsehthemen durch. Sie widmeten sich vor allem der Frage, wer das Versuchsprogramm bereits gesehen hatte und inwieweit es Pläne für die Anschaffung eines eigenen Fernsehgeräts gab. Ab dem Jahr 1952 waren spezielle Erhebungen zum Fernsehen in die fortlaufenden Hörerumfragen zur Radionutzung eingefügt. Für deren Umsetzung war mit dem Institut für Demoskopie in Allensbach ein externes Unternehmen beauftragt.

Rund ein Jahr später begann der NWDR mit einer regelmäßigen telefonischen Befragung in Berlin und Hamburg, um die technische Empfangssituation, den Einfluss des Fernsehens auf die Lebensgewohnheiten von Kindern und Erwachsenen sowie allgemeine Interessen festzuhalten. Die ersten Nutzungsuntersuchungen strebten also gar nicht die Optimierung des eigenen Angebots an. Vielmehr zielten sie auf die Beantwortung grundsätzlicher Planungsfragen des Rundfunks sowie auf eine Feststellung der allgemeinen Akzeptanz des neuen Mediums ab.

Die rundfunkexterne „Gesellschaft der Freunde des Fernsehens“ übernahm ab dem Jahr 1957 die Organisation einer systematischen Untersuchung des Sehverhaltens der Bevölkerung und beauftragte für die Umsetzung das Institut „Infratest“. Dieses übernahm in ihre Untersuchungen die in der Marktforschung bewährte Panel-Methode. Anstatt in jeder Umfrage immer andere Menschen zufällig auszuwählen, wurde nun eine turnusmäßige Befragung von 400 festen Personen zugrunde gelegt. Sie ergaben das repräsentative Fernseh-Panel, das die Verhältnisse in der deutschen Gesamtbevölkerung nachstellen sollte. Mit diesem Schritt hoffte man, kontinuierlichere Werte liefern zu können, die weniger von einer zufälligen Auswahl der Befragten abhingen. Aus heutiger Sicht stellte die Implementierung der Panel-Haushalte einen markanten Wendepunkt in der Geschichte der Einschaltquoten dar, denn sie bilden noch heute die Basis der Messung.

Wohnzimmeruhr mit großer Wirkung (ab 1963)

Ab Ende der 1950er-Jahre gerieten die Forderungen der Wirtschaft nach „harten Reichweitendaten“ für das neue Werbemedium Fernsehen lauter. Zugleich verdichteten sich die Anzeichen für die Gründung eines zweiten Fernsehkanals, sodass die Fernsehmachenden durch die bevorstehende Konkurrenzsituation ebenfalls ein Interesse an einer exakteren Erhebung entwickelten. Den Unschärfen der bisherigen umfragebasierten Methoden sollte daher ein technisches Verfahren begegnen, wie es bereits in den USA und Großbritannien etabliert war. Nach einigen Testläufen und internen Auswahlverfahren ging der Auftrag einer „kontinuierlichen Messung der Geräteeinschaltungen“ an das Unternehmen „Infratam“. Dahinter verbarg sich ein Joint Venture des Meinungsforschungsinstituts „Infratest“ und der britischen Firma „Television Audience Measurement“ (TAM). Letztere hatten zuvor ein Messgerät, das sogenannte „TAM-Meter“ entwickelt und erfolgreich im Ausland eingesetzt. Es bildete in 625 repräsentativ ausgewählten Fernsehhaushalten die technische Basis für die ersten kontinuierlichen Quotenmessungen in Deutschland.

TAM-Meter © GfK
Jenes TAM-Meter registrierte minutengenau, zu welcher Uhrzeit der Fernseher welchen der beiden Kanäle eingeschaltet hatte. Diese Informationen trug das Gerät auf einem Lochstreifen ein, den ein Infratam-Mitarbeiter einmal wöchentlich einsammelte und per Post in die Zentrale nach Wetzlar schickte. Dort wurden die Streifen in einem mechanischen Bandleseverfahren für jedes Sendegebiet einzeln ausgewertet. Die Ergebnisse lagen normalerweise nach vier Wochen vor.

Die Haushalte, die an dem Prozess freiwillig teilnahmen, genossen den Vorteil, dass der schlichte, dennoch ansehnliche Kasten als Wohnzimmeruhr verwendet werden konnte. Hier erhielten sie das Sorglos-Paket, denn der Mitarbeiter zog beim wöchentlichen Bandwechsel das mechanische Uhrwerk gleich mit auf.

Der Einführungszeitpunkt des neuen Verfahrens ging am 1. April 1963 mit dem Start des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) einher. Für ausnahmslos jeden Tag wurden ab diesem Zeitpunkt Sehbeteiligungen mit einer konstanten Methode auf Basis eines gleichbleibenden Panels ermittelt. Das erlaubte erstmalig seriöse Rückschlüsse über die Beliebtheit von Inhalten und Programmelementen. Der vielleicht entscheidendste Aspekt war jedoch die Einführung der minutengenauen Registrierung des Ein- und Umschaltverhaltens, wodurch nicht mehr nur vollständig, sondern ebenso teilweise angesehene Sendungen gemeldet wurden.

Sechs Jahre später installierte man 200 weitere „TAM-Meter“ in den Empfangsgebieten des SFB und SR. Das Netto-Panel umfasste danach 825 Haushalte. Insgesamt waren fast 1000 Geräte (Brutto-Panel) im Einsatz. Diese Anzahl war nötig, um die hohe Ausfallquote des Systems, bedingt durch technische Defekte, Wartungszyklen, postalische Ausfälle und manuelle Auswertungsfehler auszugleichen.

Sieben Personen, sechs Kanäle (ab 1974)

Obwohl die Technik des „TAM-Meters“ bahnbrechend war, wies es eine entscheidende Grenze auf. Es konnte lediglich eine Geräteeinschaltung registrieren. Es ließ keine Schlussfolgerungen darüber zu, wer vor dem Fernseher saß. Nicht einmal darüber, ob überhaupt jemand davor saß. Vor allem lieferte es keine Angaben dafür, aus welchem Grund eingeschaltet wurde. Deshalb mussten parallel zur technischen Quotenmessung weiterhin Zuschauerbefragungen durchgeführt werden, in denen 600 verschiedene Personen zu jedem Tag einzelne Formate individuell bewerteten.

Als für das Jahr 1974 die Ermittlung der Einschaltquoten von ARD und ZDF neu ausgeschrieben werden musste, konnte sich die Firma „Teleskopie“ gegen den alten Anbieter „Infratam“ durchsetzen. Sie war ein Gemeinschaftsunternehmen der Marktforschungsinstitute infas aus Bad Godesberg und dem Institut für Demoskopie Allensbach. Ihr Messgerät mit dem Namen „Teleskomat“ versprach nämlich, individuelle Sehbeteiligungen dokumentieren zu können.

Teleskomat © GfK

Dafür verfügte das Gerät, das an einen Kassettenrekorder erinnerte, über zwei Tastaturen. Mit der einen ließ sich ein Programm aus bis zu sechs Kanälen auswählen, die andere lieferte die Rückmeldung, wer zusah. Jedem Haushaltsmitglied war eine dieser Tasten fest zugeordnet, die immer dann zu aktivieren war, wenn sich die betreffende Person vor dem Fernseher befand. Pro Gerät standen sieben Tasten zur Verfügung, wofür eine für eventuelle Gäste reserviert blieb. Die gesammelten Informationen eines Tages wurden nachts automatisch an eine zentrale Computerstation über das Telefonnetz übertragen. Damit lagen die Rohdaten in der Regel schon am Tag nach der Ausstrahlung bereit. Das neue Teleskopie-Panel bestand aus insgesamt 1.200 zufällig ausgewählten Haushalten, das die Verhältnisse in (West-)Deutschland repräsentativ abbilden sollte. Die Auswertung all der über Nacht gelieferten Daten dauerte jeweils etwa eine Woche.

Das veränderte Verfahren brachte gleich mehrere Verbesserungen mit sich. Es ermöglichte jetzt die einzelnen Personen eines Haushalts nach Geschlecht und Alter zu identifizieren. Sogar Kinder und Jugendliche waren programmierbar. Dadurch konnten die aufwendigen Begleitumfragen endgültig eingestellt werden. Die automatische Übertragung machte zusätzlich den großen Stab an Techniker:innen überflüssig, die die Lochstreifen eingesammelt und die Uhren aufgezogen hatten. Durch beide Effekte sanken die jährlichen Kosten für den Betrieb des Verfahrens von fünf Millionen auf 2,8 Millionen Mark pro Jahr. Durch die Erhöhung der nutzbaren Kanäle lagen zudem endlich Zahlen für die Dritten Programme sowie über ausländische Anbieter vor, die nach Deutschland einstrahlten.

Die Umstellung führte aber noch zu einem weiteren Effekt, der bis in die heutige Zeit nachwirkt. Mit dem endgültigen Wegfall der Befragungen, die stets auch qualitative Urteile erfassten, blieben einzig die technischen Werte zur Einschätzung der Beliebtheit von Inhalten übrig. Die Interpretation, ob Programme gefallen oder nicht gefallen, fortgesetzt oder abgebrochen werden, reduziert sich seither auf die unterkomplexe Binarität, ob ein Empfangsgerät ein- oder ausgeschaltet ist. Dass eine solche Anordnung konzeptionelle „Mängel und Gefahrenquellen“ in sich birgt, merkte der Journalist Wolf Donner bereits zur Vorstellung des „Teleskomat“ an. Für ihn war es fraglich, ob jedes Familienmitglied „immer brav sein Knöpfchen drückt“ und ob dann auch wirklich hingesehen wird. Es sei ebenso denkbar, dass der Fernseher nur als „ständiges Hintergrundgeräusch und kaum beachtetes Möbelstück“ genutzt werde. Zudem bezweifelte er, dass die Zahl der Haushalte nicht ausreiche, um „exakte Zahlen über die schwach frequentierten Dritten Programme“ errechnen zu können. Angesichts all dieser Unsicherheiten sah er die Gefahr, dass das neue System so viel wert ist „wie die Versprechungen der Politiker oder wie die Wettervorhersage“. Mit Zweifeln wie diesen ist das System bis heute konfrontiert.

Zuschauerforschung und Fernsehkonsum (ab 1985)

Das Aufkommen von privaten Fernsehanbietern ab 1984 bildete in der deutschen Fernsehlandschaft eine maßgebliche Zäsur. Erstmals standen auch wirtschaftliche Interessen am Anfang der Programmgestaltung. Fast zeitgleich erhielt anstelle eines reinen Meinungsforschungsinstituts die Gesellschaft für Konsum-, Markt und Absatzforschung (GfK) den Auftrag zur technischen Umsetzung der Quotenmessung. Seitdem wurde im diskursiven Sprachgebrauch der bislang genutzte Begriff Zuschauerforschung zunehmend durch Formulierungen wie „Messung des Fernsehkonsums“ verdrängt. Mit dem Zutritt der Privatsender in den deutschen Fernsehmarkt ging ein sprunghafter Anstieg an Anbietern und Werbezeiten einher. Mit dem Ziel, eine einheitliche und verlässliche Währung für alle zu gewährleisten, schlossen sich im Jahr 1988 die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF mit den kommerziellen Kanälen RTLplus und Sat.1 zusammen, um die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) zu gründen. Sie liefert seither die Einschaltquoten in Deutschland.

GfK-Meter © GfK#

Nach der Beauftragung der GfK wurde der „Teleskomat“ (bzw. dessen Nachfolgemodell „Telemetron“) durch das sogenannte „GfK-Meter“ (eigentlich „Telecontrol 3“) ersetzt, das bis acht Personen und maximal 98 Programme berücksichtigen konnte. Darüber hinaus erfuhr das Untersuchungs-Panel im Laufe der Jahre zunächst eine Aufstockung auf 2.688, dann auf 2.833 und schließlich auf 3.970 Haushalte. Nötig waren diese Erweiterungen zum einen, um das aufkommende Kabelfernsehen mit einer ausreichenden Anzahl an Messwerten miteinbeziehen zu können und zum anderen durch die Wiedervereinigung. Nach der Wende wurden 1.100 weitere Geräte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verteilt, um fortan gesamtdeutsche Sehbeteiligungen bestimmen zu können. Die grundsätzliche Art der Erfassung sowie deren Berichtsverzögerung von einer Woche blieben allerdings unverändert.

Alles ist möglich (ab 1995)

Telecontrol XL © GfK
Mit dem Einsatz der nächsten Generation an Messgeräten, dem Telecontrol XL, im Jahr 1995 reagierte man auf eine Vielzahl von Forderungen, die die Mitglieder an die AGF in den vergangenen Jahren gerichtet hatten. Für die Verantwortlichen in der Programmplanung war vermutlich die Verkürzung der Auslieferungsverzögerung der Ergebnisberichte am bedeutsamsten. Ab diesem Zeitpunkt lagen die Einschaltzahlen bereits am darauffolgenden Vormittag in Form einer Schnellberichterstattung (TV-Quick) vor. Darüber hinaus reagierte die Herabsetzung des Messintervalls auf eine Sekunde auf die flächendeckende Verbreitung von Fernbedienungen und das daraus resultierende Zapping-Verhalten. Gleichzeitig führte die Etablierung des Sekundentakts dazu, dass unter Anwendung von leistungsstarker Auswertungssoftware exakt bestimmt werden konnte, an welcher Stelle die Zuschauenden in ein Programm einstiegen oder es wieder verließen.

Eine weitreichende Auswirkung auf die TV-Branche brachte die Einführung der sogenannten „PIN-Daten“. Dahinter verbargen sich „personenindividuelle Nutzungsdaten“, die für jeden Menschen im Panel vorlagen und mit jeder Sendung, jedem Werbeblock oder jedem Zeitabschnitt zusammengeführt werden konnten. 

Grundsätzlich war es ja seit der Inbetriebnahme des „Teleskomats“ im Jahr 1974 möglich, in der heterogenen Publikumsmasse spezifische Zielgruppen auszumachen. Dies geschah aber aufgrund weniger Kenngrößen, wodurch die Definitionen recht grob vorgenommen werden und sich meist auf Alter und Geschlecht reduzieren mussten. Die neuen PIN-Daten erweiterten den Katalog der Messwerte unter anderem um den Bildungsstand oder das Durchschnittseinkommen der registrierten Personen. Das Publikum bestand somit nicht mehr aus einer Masse, für die eine statistische Verteilung errechnet werden konnte. Es bestand fortan aus einzelnen Personen, für die Nutzungsdaten individuell abrufbar waren.

Auf ihrer Website kokettiert die AGF derzeit mit der Leistungsfähigkeit ihrer Daten. Dort fragt sie rhetorisch: „Wie viele Frauen aus Hessen mit Abitur im Alter zwischen 20- und 29-Jahren, die einen Garten und ein Haustier besitzen, haben vergangenen Donnerstag die Nachrichten in TV und Mediatheken gesehen?“ Dass die AGF die Antwort darauf weiß, liegt vor allem an jenen hinterlegten PIN-Daten.

Ein endloser Prozess

Die weiteren Jahre waren von einer Reihe von Anpassungen der Messmethode geprägt, um neue Empfangsarten und veränderte Nutzungsweisen berücksichtigen zu können. Hier stellten die AGF insbesondere die Fragmentierung des TV-Marktes, die Erfassung von zeitversetzter Nutzung auch auf Geräten jenseits eines stationären TV-Apparats sowie der Abruf von Online-Video-Inhalten auf Streaming-Diensten oder in Mediatheken vor große organisatorische und technische Herausforderungen. Ebenso musste die Größe und Zusammensetzung des Panels mehrfach justiert werden, nicht zuletzt um auch in Deutschland lebende Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft einbeziehen zu können. Die Erhebung von Werten für den Bereich des Videostreamings machte gar den Aufbau von zwei zusätzlichen Panels nötig. Längst geht der Auftrag der AGF über eine reine Messung der linearen Einschaltquoten hinaus. Darum steht das Kürzel mittlerweile für „Arbeitsgemeinschaft Videoforschung“.

Bei den Vorarbeiten zur Umstellung auf das neue 1995er Messverfahren unterlief der GFK übrigens eine fatale Software-Panne. Sie führte dazu, dass die aufgezeichneten Geräteeinschaltungen den falschen Sendern zugeordnet wurden und man fehlerhafte Einschaltquoten lieferte. Und zwar monatelang. Das allerdings ist eine ganz andere Telegeschichte.