Diese Telegeschichte beginnt am 10. Februar 1992 mit einem kurzen Artikel auf der Fernsehseite der "Nordwest-Zeitung". Unter der Rubrik "Tele-Kritik" ist dort ein Verriss zu lesen. "Alltag TV-tauglich veralbert" steht über dem Text. Darunter heißt es: "Unter der Leitung des RTL-Starmoderators Geert Müller-Gerbes stellten Schauspieler Problemsituationen aus dem Alltag nach. Daß sie dieses handwerklich schlecht machten, ist schlimm genug. Den Unterhaltungswert der Sendung aber dadurch zu steigern, daß die Ärgernisse aus dem ‚normalen Leben‘ TV-tauglich überzeichnet und veralbert wurden, das ist fatal. Was für viele Ventil sein könnte, wurde hier zum billigen Klamauk."

Die Zeilen beziehen sich auf die Show "Wie bitte?!", die zwei Tage zuvor auf dem Privatsender RTLplus erstmals ausgestrahlt wurde. Darin werden reale Rechtsstreitigkeiten von Zuschauenden mit Ämtern, Behörden, Firmen oder Nachbarn satirisch zugespitzt, indem sie ein vierköpfiges Ensemble im Studio in kurzen Sketchen szenisch darstellt. Müller-Gerbes hält als Gastgeber die verschiedenen Themen zusammen und fungiert als Erzähler der vorgetragenen Geschichten. Er gehört zu den Pionieren des Kanals, war er doch der erste Anchorman der Hauptnachrichten "7 vor 7".

Etwas weiter unten sind auf der Zeitungsseite die Reichweiten vom vergangenen Samstag aufgelistet. Daraus geht hervor, dass die Premiere von "Wie bitte?!" eine Sehbeteiligung von 2,53 Millionen Menschen erzielen konnte und die meistgesehene RTL-Sendung an diesem Tag war. Offenbar fand ein Teil des Publikums Gefallen an den dargebotenen Geschichten. Dieser Zuspruch wird sich in den kommenden Monaten und Jahren fortsetzen. Vor allem im Zusammenspiel mit den Bauernschwänken aus "Peter Steiners Theaterstadl" klettern die Werte bald regelmäßig auf über sechs Millionen.

"Die Show, die sich einmischt"

Auch inhaltlich konnte die selbsternannte "Show, die sich einmischt" sehr schnell erste Erfolge und Lösungen für einige der dargestellten Konflikte vermelden. So berichtete Müller-Gerbes bereits einen Monat nach dem Start, dass man einer Zuschauerin helfen konnte. Diese hatte ein beim Waschen eingelaufenes Sweatshirt an das Versandhaus Klingel zurückgeschickt und dennoch weiter Mahnungen über den nicht bezahlten Kaufpreis bekommen. Kurz nachdem das "Wie bitte?!"-Team den Händler kontaktiert hatte, erhielt die Betroffene ein Schreiben, aus dem dann zitiert wurde: "Da wir sie als Kunden unseres Hauses aber schätzen, werden wir aus Kulanz den Betrag von 38 Mark 85 trotzdem Ihrem Kundenkonto gutschreiben." Na immerhin.

Einen festen Platz nahmen bald die witzigen Einspielfilme mit Theo West ein, der als Außenreporter einige Behörden oder Firmenzentralen besuchte, um die Verantwortlichen vor Ort zur Rede zu stellen. Später schlüpfte er dafür in das Kostüm eines Superhelden und setzte sich als "Mahn-Man" für die Anliegen der Zuschauenden ein. Gerne per Megaphon vom Parkplatz in Richtung Chefetage. Nicht selten konnte auf diese Weise ein Einlenken der Beschuldigten erreicht werden.

Wie bitte?! © IMAGO / Horst Galuschka Das "Wie Bitte?!"-Team im Jahr 1992: Georg Einerdinger, Siegfried W. Kernen , Geert Müller-Gerbes, April Hailer, Thomas Hackenberg

Im Jahr 2016 - rund 17 Jahre nach dem Ende von "Wie bitte?!" - gab Müller-Gerbes dem Podcaster Julian Schlichting ein Interview. Darin gestand er, dass sich viele Fälle, die man eigentlich "auf die Schippe nehmen" wollte, schon allein dadurch gelöst hätten, dass man bei den Geschäften nachfragte. Aus Angst, in der Sendung aufzutauchen, boten diese direkt einen Vergleich an. Doch nicht alle Unternehmen zeigten sich derart einsichtig, manche gingen juristisch gegen die Darstellung vor, manche drohten, in Zukunft keine Werbung mehr zu schalten. Das mit Abstand häufigste Angriffsziel bildete die Deutsche Telekom, die bald verlässlich in nahezu jeder Ausgabe auftauchte. Stets dargestellt durch drei sehr einfältige Mitarbeiter mit Mützen des Telekom-Radsportteams. Wegen der anhaltenden Verballhornung, so Müller-Gerbes im Interview, habe der Konzern schließlich angekündigt, einen Werbeetat von 50 Millionen Mark abzuziehen. Der damalige Senderchef Helmut Thoma habe solche Reaktionen gern in Kauf genommen und wiederholt seine schützende Hand über die Produktion gehalten - in der festen Überzeugung, dass man als Werbekunde an seinem Kanal sowieso nicht vorbeikomme. Aus diesem Grund sei selbst die Telekom irgendwann wieder zu RTL zurückgekommen.

"Wir kämpfen für Sie!" – Im Auftrag des Herrn

Im November 1995 ging RTL einen Schritt weiter und schuf mit "Wir kämpfen für Sie!" ein Format, das sich mit dem bloßen satirischen Abbilden von Behördenärger nicht mehr zufriedengeben, sondern nun aktiv eingreifen wollte. Konsequenterweise übernahm Geert Müller-Gerbes diese Aufgabe gleich mit. Er besuchte die Betroffenen zu Hause, ließ sich dort die schicksalhafte Unrechtsgeschichte erzählen und versprach ihnen "schnelle und unbürokratische Hilfe". Dazu telefonierte er entweder von seinem großen Schreibtisch aus, meist wild gestikulierend und drohend. Oder er fuhr in einem Kleinbus durch die Gegend, um direkt vor Ort mit den beteiligten Behörden, Versicherungen oder Firmen eine Einigung zu erzielen.

In diesem Rahmen unterstützte er zerstrittene Nachbarn oder eine verzweifelte Familie bei der Suche nach einer dringend benötigten Tagesmutter. Er kümmerte sich zudem um Jochen, dessen Hausratsversicherung einen Einbruch bei ihm nicht entschädigen wollte. Wie sich herausstellte, verweigerte die Gesellschaft die Zahlung, weil Jochen das Kleingedruckte aufgrund seiner Sehbeeinträchtigung nicht lesen konnte und deswegen nicht korrekt angegeben hatte, dass er schon öfter bestohlen worden war. Mit der Kamera im Rücken konnten Müller-Gerbes und sein Team genug öffentlichen Druck aufbauen, sodass es trotzdem zu einer Einigung kam.

Mit solchen Aktionen, so Ingo Brüggenjürgen, RTL-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, habe die Serie ein "direktes Anliegen der Kirchen" erfüllt, nämlich "die christliche Nächstenliebe". Nicht ganz unbeabsichtigt, denn das Projekt wurde zu einem Drittel von den Kirchen finanziert. Entsprechend stürzte sich an der Seite von Geert Müller-Gerbes der katholische Priester Dietmar Heeg mit in den Kampf für Gerechtigkeit.

Wie es zu dieser ungewöhnlichen Kooperation kam, erklärte der Moderator freimütig in einem Interview mit der taz: "‚Wir kämpfen für Sie!‘ hat RTL in Zusammenarbeit mit den Kirchen gemacht, weil die einen theoretischen Sendeanspruch von 45 Minuten pro Woche haben, den sie natürlich nicht dadurch füllen können, daß sie das Neue Testament im schwarzen Anzug zur Vorlesung bringen. Also haben wir das mal so probiert." Konsequenterweise erhielt das Projekt powered by Kirche einen Sendeplatz am Tag des Herrn (Sonntag), wenn auch erst gegen 23.00 Uhr.

"Jetzt reicht’s!" – Man sollte Euch alle einsperren

Zum Frühjahr 1997 erreichte die Welle der televisuellen Rechtshelfer ihren Höhepunkt. Neben "Wie bitte?!" und "Wir kämpfen für Sie!" versprachen Peter Escher ("MDR hilft- Ein Fall für Escher") und Marie von Welser ("Mit mir nicht! Welsers Fälle", ZDF), sich in die juristischen Auseinandersetzungen ihres Publikums einzumischen. Daneben gab es eine Reihe von Verbrauchermagazinen in den Dritten Programmen, die in einzelnen Rubriken ähnlich vorgingen.

Außerdem schickte Sat.1 mit "Jetzt reicht's!" eine weitere Variante ins Rennen. Ihr Untertitel brachte das Konzept dahinter auf den Punkt: "Wir kämpfen für Ihr gutes Recht". Sie verstand sich somit abermals als Anwalt der Bürger:innen gegen Behördenwillkür und gierige Konzerne, verschärfte hierbei aber den Ton spürbar.

Vera Int-Veen findet, jetzt reicht's.  Attila Weidemann und Friedrich Kösters auch. © IMAGO / Horst Galuschka Vera Int-Veen findet, jetzt reicht's. Attila Weidemann und Friedrich Kösters auch.

Die Vorfälle wurden in theatralischen Einspielfilmen mit entsättigten Bildern hochdramatisch dargestellt. Sie gipfelten im Idealfall in einer emotionalen Konfrontation des vermeintlichen Opfers mit der beschuldigten Firma oder Behörde, um diese im Studio vor laufenden Kameras zum Einlenken zu zwingen. Für die auf diese Weise konstruierte Dramaturgie war es unerlässlich, dass die Betroffenen am Ende einen noch so kleinen Triumph über die vermeintliche Ungerechtigkeit erlebten. Konnte keine Vereinbarung mit dem Gegner erzielt werden, zögerte die Produktion nicht, selbst einen Teil der entstandenen Schäden zu übernehmen, wie zum Beispiel die Kosten für nicht ausgelieferte Badezimmermöbel zu tragen. Ein Happy-End musste sein. Irgendwie.

Der Look und der Grundton von "Jetzt reicht’s!" orientierten sich stark an den damals sehr umstrittenen Talkshows im Tages- und Nachmittagsprogramm.  Nicht zufällig wurde mit Vera Int-Veen eine Moderatorin eingesetzt, die parallel durch den Daily Talk „Vera am Mittag“ führte. So kam es, dass in der ersten Ausgabe ein aufgebrachter Mann aus dem Studiopublikum den anwesenden Autohändler:innen und ihren Anwälten zurief: "Man sollte euch alle einsperren!", woraufhin Int-Veen ihm mit dem Satz "Sie haben Recht!" noch zustimmte.

"Schlichtweg verarscht"

Viele der vermeintlichen Verbrauchersendungen strebten gar keine objektive Berichterstattung an. Sie stellten sich gewöhnlich auf die Seite der Geschädigten und zeigten diese mit "burschikoser Berufsbetroffenheit" konsequent als "Bürger in Opferpose" (Zitat aus der "taz"). Um ihren Aktionismus und ihr Engagement zu unterstreichen, trugen die meisten dieser Magazine ein Ausrufezeichen im Titel.

In ihnen ging es oft weniger darum, hilfreiche Lösungswege oder Handlungsempfehlungen für das Publikum aufzuzeigen, als vielmehr darum, einen Übermut von Behörden vorzuführen. Diesen Vorwurf brachte auch Uwe Keßler, der damalige Leiter des Kölner Wohnungsamtes, der Sendung "Wir kämpfen für Sie!" entgegen. Demnach fühlte er sich durch solche Beiträge schlichtweg "verarscht", wie er im Gespräch mit der "Zeit" offen äußerte. Er kritisierte, dass durch skandalgetriebene Aktionen, die auf einen schnellen Abschluss abzielen, die Realität auf den Ämtern verzerrt dargestellt würden. "Es muß TV-Zuschauern jedoch klar werden, warum einem Antragsteller bisher nicht geholfen werden konnte."

Letztlich bedienten Serien wie "Wir kämpfen für Sie!", "Jetzt reicht’s!" und "Wie bitte?!" das bewährte Narrativ nach geldgierigen Versicherungskonzernen, faulen Beamten oder inkompetenten Ämtern. Die da oben sind halt alle unfähig oder korrupt und wollen uns kleine Leute nur abzocken. In dieser Konstellation positionierte sich das Fernsehen an der Seite der vermeintlich "kleinen Leute" und inszenierte sich als ihr Anwalt, ihr Helfer in ihrer Not und ihre letzte Rettung. Oder wie es die "Stuttgarter Zeitung" formulierte: "Das Fernsehen wird unversehens zur Weltverbesserungsanstalt - das, zumindest, wird hier vorgegaukelt."

Es ist ein Narrativ, das noch heute gern von TV-Formaten wie "Mario Barth deckt auf" bedient wird. Für das Erzählen einer amüsanten Verwaltungsposse nehmen diese einen generellen Vertrauensverlust in staatliche Organisationen billigend in Kauf. Bei aller Fehlerhaftigkeit mancher Einzelfälle heizen solche Zuspitzungen die ohnehin schon hitzige Stimmung in der Gesellschaft weiter an. Mit ihren anekdotischen Extremfällen nähren sie Erzählungen über eine generelle Dysfunktion des Rechtsstaates und stützen eine wachsende Skepsis in demokratische Strukturen. Natürlich können, sollen und müssen Medien bürokratische Missstände und betrügerische Geschäftspraktiken in den Blick nehmen. Darin besteht kein Zweifel. Geschieht dies aber vorrangig, um billige Empörung auszulösen oder um das Zerrbild einer generellen Unfähigkeit "derer da oben" fortzuschreiben, ist das unfair, unredlich und schädlich.

Ein Trikot mit Folgen

Im Jahr 1998 wurden fast alle Redaktionen von einer Welle juristischer Klagen überrollt und deshalb selbst zu Rechtsfällen. Etwa erhob eine Gruppe von Anwälten aus Nordrhein-Westfalen einen Unterlassungsanspruch gegen die Episode von "Wie bitte?!" vom 31. Mai 1997. Darin setzte sich Theo West für einen Mann ein, der in einem Preisausschreiben ein Eishockey-Trikot gewonnen hatte, auf dessen Erhalt er bis dahin vergebens wartete. Nachdem der "Mahn-Man" im Rahmen eines Fernsehbeitrags den Veranstalter besuchte, ging das Trikot prompt seinem neuen Besitzer zu. Die Rechtsanwälte sahen im generellen Konzept und insbesondere in dieser Aktion eine unzulässige Rechtsberatung, da man den Protagonisten wie ein Anwalt bei der Durchsetzung seiner Ansprüche geholfen habe.

Die sogenannte "Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten" bedarf in Deutschland seit 1935 allerdings einer behördlichen Genehmigung. Das Recht, andere Personen in juristischen Fragen zu beraten oder sie gar zu vertreten, obliegt somit ausschließlich Anwält:innen und nicht Redakteur:innen oder Moderator:innen. Zulässig ist einzig eine Berichterstattung, die mit dem Blick auf allgemeine Informations- und Unterhaltungsinteressen Rechtsfälle journalistisch aufbereitet.

Die zugehörigen Klage- und Berufungsverfahren blieben aus Sicht von RTL erfolglos. In der Begründung hieß es: "Indem sie [die Sendung] den Zuschauern den Eindruck vermittele, es sei aussichtsreicher, sich sogleich an sie und nicht an einen Anwalt zu wenden, fördere sie ihren eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft, was sie auch beabsichtige. Die Beklagte wolle einen Markt für Konfliktlösungen abseits herkömmlicher Wege schaffen. Das Auftreten von ‚Mahn-Man‘ könne vom Publikum nur als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten aufgefaßt werden."

Es hagelt Verbote

Gegen einen ähnlichen Vorwurf musste sich das Magazin "MDR hilft - Ein Fall für Escher" zur Wehr setzen, dem ein Oberhausener Rechtsanwalt ebenfalls einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorwarf. Er erwirkte eine einstweilige Verfügung, die die Verantwortlichen im März 1998 zwang, die Worte "MDR hilft" aus dem Titel der Reihe zu streichen, die fortan schlicht "Ein Fall für Escher" hieß. Zudem hatte jetzt ein Jurist jede Ausgabe daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht doch eine Rechtsberatung enthielt. Nach weiteren Auseinandersetzungen mussten ab Dezember sogar alle Folgen vorab aufgezeichnet werden, um sie vor der Ausstrahlung streng prüfen zu können.

Ein Fall für Escher © IMAGO / Michael Handelmann Peter Escher musste auf den Zusatz "MDR hilft" verzichten

Fast zeitgleich gingen gegen "Wir kämpfen für Sie!", "Jetzt reicht’s!" und "Mit mir nicht!" Unterlassungsanzeigen oder Klagen mit der identischen Begründung einer unzulässigen Rechtsberatung ein. Teilweise stand sogar derselbe Anwalt aus Oberhausen dahinter, der bereits gegen "Ein Fall für Escher" vorgegangen war. In "Wir kämpfen für Sie!" hatte sich Müller-Gerbes dafür eingesetzt, dass eine Zuschauerin von ihrer Bank aus einem Kreditvertrag entlassen wurde. Das Landgericht Köln stellte hierzu fest, dass es sich bei dem gezeigten Vorgehen um eine "unzweifelhaft unter das Rechtsberatungsgesetz fallende Tätigkeit" handele.

Bei "Jetzt reicht’s!" störte man sich an drei Beiträgen, in denen sich das Team um eine überhöhte Anwaltsrechnung, um eine fehlerhafte Möbellieferung und um mangelhafte Beratung eines Autohändlers gekümmert hatte. Insbesondere der Auftritt des Außenreporters Attila stand in der Kritik. Er war mit den Betroffenen zu deren Vertragspartnern gefahren, um sie vor laufender Kamera zum Einlenken zu bewegen. Dass man vorsorglich den stets gestriegelten Anwalt Dr. Friedrich Kösters im Ablauf fest installiert hatte, reichte dem Landgericht nicht aus. Es wies die Redaktion an, sich nicht mehr für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen von Zuschauenden einzusetzen und sie nicht mehr aufzufordern, sich bei rechtlichem Ärger an sie zu wenden. In der Folge musste die Show ihren bezeichnenden Untertitel "Wir kämpfen für Ihr gutes Recht" ablegen. In der zweiten Staffel, die ab September 1998 lief, standen nur noch Produkttests und allgemeine Geschäftsprinzipien im Vordergrund.

Nach all diesen Entscheidungen, die ihre redaktionelle und journalistische Arbeitsweise massiv einschränkten, waren die Einmisch-Formate im Grunde inhaltlich entwaffnet und ihres konzeptionellen Kerns beraubt.

Es hagelt Freisprüche

Die Rechtsabteilungen der TV-Stationen und Anstalten ließen sich davon nicht beirren und legten Revision gegen die Entscheidungen ein, sodass die Angelegenheiten vor den höchsten Gerichten landeten. Dort setzten sie sich schließlich durch. Zuerst kassierte das Oberlandesgericht Düsseldorf das Urteil gegen "Ein Fall für Escher", woraufhin kurz danach die zugehörige einstweilige Verfügung endgültig aufgehoben wurde und man wieder live senden konnte.

Im Dezember 2001 befasste sich der Bundesgerichtshof gleich in fünf Fällen mit der Frage, ob Verbraucher- und Ratgebersendungen im Fernsehen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen - darunter der umstrittene Auftritt des "Mahn-Mans". In den Grundsatzentscheidungen wies der I. Zivilsenat die fünf Klagen im Wesentlichen ab, da er (von einer Ausnahme abgesehen) in den betreffenden Programmen eine unzulässige Rechtsberatung nicht bejahte. Damit war "Wie bitte?!" entlastet. Der Rechtsstreit um "Jetzt reicht’s!" gipfelte im März 2004 sogar in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das ebenfalls eine Aufhebung der vorherigen Urteile anordnete. Letztlich gingen fast alle Verfahren doch noch zugunsten der TV-Produktionen aus.

"Prangerandrohung"

Was aber hatte sich geändert, dass die obersten Gerichte nun so unterschiedlich urteilten? Dazu muss man zunächst verstehen, dass in vielen Konstellationen, in die sich die TV-Reihen einmischten, eigentlich gar kein Unrecht vorlag, sondern die Betroffenen sich lediglich ungerecht behandelt fühlten. Oft waren es Streitigkeiten, in denen Missverständnisse oder Kommunikationsdefizite die Ursache waren. Oder es waren Sachverhalte, in denen das Recht sogar korrekt angewandt wurde und "gerade die Treue zu bürokratischen Verfahren und papiernen Verträgen bizarre Mißstände erzeugt" hatte, wie es Barbara Sichtermann in der "Zeit" beschrieb. Im Wesentlichen bestand das Vorgehen daher darin, die beschuldigten Unternehmen vor laufenden Kameras zum Einräumen von Kulanz zu drängen. Andernfalls hatten sie durch die negative Berichterstattung einen erheblichen Imageschaden zu befürchten. Die Effizienz dieser Androhung hatte sich ja gleich in den ersten Ausgaben von "Wie bitte?!" gezeigt.

Diesen Mechanismus hatte das Landgericht Köln in seinem Urteil zu "Wir kämpfen für Sie!" zwar erkannt und darin von einer Praxis der "Prangerandrohung" gesprochen, diese aber noch gegen die Produktion gerichtet. Die obersten Richter:innen bewerteten diesen Umstand dann anders und sprachen ihm eine entscheidende Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht stellte beispielsweise fest, "Jetzt reicht’s!" setze vor allem auf "die Wirkung öffentlicher Medienberichterstattung, um die angesprochenen Unternehmen zu einem Entgegenkommen" zu bewegen. In der Begründung des Bundesgerichtshofs zu "Wie bitte?!" hieß es analog, dass man dort "die von der Berichterstattung in Medien ausgehende Wirkung benutzt, um Forderungen von Zuschauern aufgrund des öffentlichen Drucks durchzusetzen". Und da sich die Redaktionen mit ihrer impliziten Androhung einer öffentlichen Bloßstellung nicht wirklich auf dem Gebiet des Rechts bewegten, konnten sie gar nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Anstelle einer suggerierten Hilfestellung bei rechtlichen Fragen, erzielten sie ihre Happy-Ends oft durch eine Form der medialen Erpressung und damit auf einem Weg, dem das Publikum ohne Kamera nie zur Verfügung stand.

Die höchstrichterlichen Urteile waren zwar formale Siege für die Sender und ermöglichten eine Reaktivierung ihrer Rolle als Helfer der kleinen Leute. Die Ironie lag darin, dass bis auf "Ein Fall für Escher" alle Formate zu diesem Zeitpunkt längst eingestellt waren.

Bei den Proben der Konfrontationen von "Jetzt reicht’s!" ersetzten übrigens oft Doubles die späteren Gegner:innen. Die damalige Produzentin Gisela Marx schwärmte später in einem Gespräch mit Stefan Niggemeier davon, wie gut dies funktionierte: "Wir fanden häufig, daß die Laiendarsteller besser waren als die eigentlichen Protagonisten. Die Generalproben liefen göttlich, und hinterher hakte es, weil die echten Protagonisten nicht so wollten, wie wir wollten." An diese Beobachtung erinnerte sie sich, als sie ihre strauchelnde Serie "Richterin Barbara Salesch" neu justieren musste. Die danach folgende Überschwemmung des Nachmittagsprogramms mit gescripteten Geschichten, die von Laiendarstellern vorgetragen werden, hat also ihren Ursprung in der krawalligen Verbrauchershow von Vera Int-Veen. Das allerdings ist eine ganz andere Telegeschichte.