Diese Telegeschichte beginnt im Februar des Jahres 2000. Die gesamte Medienbranche ist zu dieser Zeit in Aufruhr und voller Erwartung des deutschen Starts von „Big Brother“ bei RTL II. Schon seit Wochen äußern Medienwächter:innen, Kirchenvertreter:innen, Psycholog:innen, und Politiker:innen ihre Bedenken zur neuen Sendung. Sie befürchten einen Verfall von Moral und Werten, wenn sich Personen für die Aussicht auf ein hohes Preisgeld freiwillig ihrer Freiheit und ihrem Recht auf Privatsphäre berauben lassen. Den Machenden werfen sie vor, „Menschenversuche vor der Kamera“ durchzuführen und die Teilnehmenden wie Labortiere in einem „Menschen-Zoo“ zu behandeln. Oft sehen sie darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde, der nicht minder beklagenswert ist, wenn die Betroffenen ihre Einwilligung dafür erteilen. Deswegen wird noch vor der ersten Ausstrahlung immer wieder ein Verbot gefordert.
Im Schatten all dieser Erregung kündigt der TV-Kanal tm3 eine kleine Idee an, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt und dem großen Bruder den Titel als „erste tägliche Real-Life-Show“ in Deutschland auf ewig wegschnappen soll. Ein echter Konkurrenzkampf verbirgt sich hinter beiden Produktionen nicht, weil beide aus dem Hause Endemol stammen.
Ein weiteres „Spanner-Format“
„Wir sind die Ersten mit so einer Sendung“, jubelte Axel Kühn, der damalige Unterhaltungschef von tm3, sichtlich stolz über das klug gewählte Auftaktdatum der neuen Serie. Schließlich startete „Geld für Dein Leben“ am 27. Februar 2000 und damit nur drei Tage vor „Big Brother“. Die Show sollte erfolgreich im Fahrwasser des großen Bruders mitschwimmen und von dessen medialer Aufmerksamkeit profitieren. Auch in ihr ging es darum, intime Einblicke in das Privatleben einfacher Menschen aus der Nachbarschaft zu gewähren – ein weiteres „Spanner-Format“ also, wie es Wolfram A. Zabel in der WELT bezeichnete. Gleichzeitig wollte man sich das Negativ-Image des großen Bruders nicht zu eigen machen. Kühn sicherte daher vorab zu, dass seine Version „viel harmloser“ sei, da die Teilnehmenden keinen „Extremsituationen“ ausgesetzt würden und selbst entscheiden könnten, was gefilmt würde und wann die Kameras ausgeschaltet blieben.
Dazu stattete man insgesamt 14 Personen mit kleinen Videokameras aus, die so ihren Alltag dokumentieren sollten. Was sie öffentlich machen wollten, blieb den Teilnehmenden überlassen, solange sie keine Gesetze verletzten. Das gefilmte Material schickten sie an die Redaktion, die nach Sichtung entschied, welche Geschichten es in die Ausstrahlungen schafften. Je interessanter die Einblicke waren, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufnahmen auf dem Bildschirm landeten – und desto lukrativer war die Teilnahme, denn jede ausgestrahlte Sekunde wurde mit 10 DM honoriert. Bei einer täglichen Nettosendezeit von 30 Minuten war somit ein maximales Preisgeld von insgesamt 18.000 DM pro Folge möglich.
„Theoretisch können in einer Sendung alle Kandidaten gezeigt werden oder nur einer. Hauptsache, es ist interessant“, erklärte Kühn. Die zusammengeschnittenen Episoden liefen täglich um 19:00 Uhr und waren in der Regel in anderthalb- bis dreiminütige Storyhäppchen unterteilt.
Nach Ablauf einer Woche kam die Zwischenabrechnung: Die beiden Teilnehmenden mit den wenigsten Sendeminuten standen in der Gefahr, aus dem Wettbewerb auszuscheiden und durch jemand neuen ersetzt zu werden. Darüber entschied das Publikum per Telefonabstimmung, jeweils in einer Sonderausgabe am Sonntagabend. Eine andere Beschränkung der Teilnahmedauer gab es nicht. Solange ausreichend spannende Aufnahmen eingereicht wurden, konnte man theoretisch unbegrenzt im Rennen bleiben – und ebenso unbegrenzt Geld kassieren. Sogar Millionäre hätte man so werden können – zumindest theoretisch, wenngleich dies mehr als zwei Jahre gedauert hätte. Mühsam ernährt sich der Reality-Star.
Für jeden etwas dabei
„Das ist einfach gutes Entertainment: Kein Drehbuch, nichts Gestelltes, und jeder Zuschauer findet etwas, das ihn interessiert“, schwärmte damals tm3-Sprecherin Petra Winheller gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Damit wirklich für jeden etwas dabei sein konnte, war das Feld der Mitspielenden entsprechend bunt aufgestellt.
Zu sehen war beispielsweise die engagierte Tierschützerin Silke aus Siegburg, die Schweine aus der Massentierhaltung entführte. Oder der 26-jährige Sportstudent Piet aus Kiel, der mit zwei Kumpels in einer WG lebte und sich den Hobbys „Frauen, Surfen und Snowboarden“ widmete. Oder die neunfache Mutter Renate, die zusätzlich acht Tageskinder betreute und so ihren Alltag mit insgesamt 17 Kindern meisterte. Oder die 49-jährige Gina, die als „Deutschlands abgedrehteste Oma“ in knappen Outfits junge Männer anflirtete. Oder die hochschwangere Ilona, die ihre anstehende Geburt mit ihrer Kamera festhalten wollte, allerdings unsicher war, wer eigentlich der Vater ihrer kommenden Drillinge war. Oder Gesine, die den eigenen Weg zum Erreichen ihres Idealgewichts dokumentierte und die Kamera sogar zu ihren Psychotherapiesitzungen mitnahm. Oder der noch unbekannte Komiker Hennes Bender, der mit seiner Windpocken-Erkrankung kämpfte. Viel los war bei Constanze, die als Mitglied einer alternativen Wohn- und Lebensgemeinschaft gegen die Räumung und den Abriss eines ehemaligen Kasernengeländes kämpfte. Sie hoffte, mit dem gewonnenen Geld die Anwaltskosten im Rechtsstreit um ihr Zuhause bezahlen zu können.
Besonders dramatisch ging es bei Dolores und Marek zu. Sie war unzufrieden mit ihrer Oberweite und plante, die Einnahmen aus der Show für eine Brustvergrößerung zu nutzen. Ihre Aufnahmen dokumentierten zahlreiche seelische Krisen, unzählige familiäre Auseinandersetzungen und ein Vorgespräch bei einem plastischen Chirurgen. Konflikte gab es ferner wegen Dolores’ Entzugserscheinungen, da sie sich Marek zuliebe parallel das Rauchen abzugewöhnen versuchte. Indessen hatte er eigene Baustellen: Er stritt mit seiner Ex-Frau um das Sorgerecht für seine Kinder und ließ sich vor laufenden Kameras sterilisieren. Eine Entscheidung, die er dann bereute und rückgängig machen wollte. Ach ja, und drei Kampfhunde gehörten ebenfalls zu ihrem Haushalt. Kurz gesagt: Dolores und Marek lieferten ausreichend Stoff für eine komplette Staffel einer heutigen Reality-Soap. Das blieb der Redaktion natürlich nicht verborgen, die den beiden großzügig On-Air-Time einräumte.
Ähnlich gut kamen der Kieler Sportstudent Piet und die neunfache Mutter Renate an. Beide hatten nach rund zwei Monaten jeweils zwischen 45.000 und 50.000 DM angesammelt.
„Ich mach‘ alles!“
Natürlich setzte die Reihe auch auf voyeuristische Momente. Diese lieferte etwa die Stripperin Tanja, die kurz vor einer Geschlechtsumwandlung stand und vor der eigenen Kamera ihre beruflichen Fähigkeiten unter Beweis stellte. Weil sie sich zu geistlichen Gesängen entkleidete, brachte die Szene dem Sender im Nachhinein Ärger mit den Landesmedienanstalten ein. In den Augen der Medienaufsicht verstieß man durch die Verknüpfung von christlichen Symbolen mit sexuellem Inhalt gegen das Jugendschutzgebot im Rundfunkstaatsvertrag. Ähnlich provokant präsentierte sich das vollbusige, 18-jährige Erotik-Model Julia, das sich freizügig beim Duschen filmte.
Und da war noch der junge Heiko aus Leipzig, dessen größter Wunsch es war, Pornostar zu werden – vor allem, um endlich mit vielen Frauen schlafen zu können. Bis dahin hatte er nämlich erst ein einziges Mal Sex gehabt, dafür aber reichlich onaniert. Trotz seiner hageren Statur brachte er eine beeindruckende Portion Selbstvertrauen mit. So berichtete er vor der eigenen Kamera im breitesten Sächsisch von seiner Penislänge, von einem feuchten Kondom in seinem Portemonnaie, von seiner Groschensammlung und von seiner Busfahrkarte. Der rote Faden in den zugehörigen Geschichten lag in seinem unermüdlichen Streben, endlich Fuß im Erotikbusiness zu fassen. Dafür war er bereit, vieles zu tun: „Ich mach’ alles. Nur nich’ inn Po reinsteggn! Das is das einzige Tabü.“
Nach seinen Auftritten bei „Geld für Dein Leben“ sollte sich Heikos Traum tatsächlich erfüllen. Ein Pornoproduzent wurde dort auf ihn aufmerksam und besetzte ihn als „Sachsen-Paule“ in der albernen Sex-Klamotte „Der Lady-Killer aus dem Osten“. Es folgten drei weitere Filme mit ähnlich dämlichen Titeln – darunter „Der Ossi-Rammler“ und „Der Ossi-Picasso“. Diese Engagements brachten Heiko eine Auszeichnung mit dem Erotik-Preis „Venus“ sowie, eine Einladung zu „TV Total“ ein. Darüber hinaus führten sie ihn im Jahr 2004 sogar ins echte „Big Brother“-Haus.
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Die größte mediale Aufmerksamkeit zog die Verpflichtung der Eiskunstläuferin Tanja Szewczenko auf sich. Nach einigen Rückschlägen war sie zuvor immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Ihr Promi-Status sollte ihr jedoch keine Sonderbehandlung einbringen, wie Axel Kühn im Vorfeld klarstellte: „Zehn Mark pro ausgestrahlte Sekunde gilt auch für Frau Szewczenko.“ Ihre Teilnahme begründete sie damit, zeigen zu wollen, „dass ein Prominenter genauso normal lebt wie alle anderen.“
Entsprechend sah man sie beim Eislauftraining, beim Einkaufen, beim Einrichten ihrer Wohnung, beim Tanzen in der Kneipe, in romantischen Momenten mit ihrem Freund oder beim Lästern mit ihren Freundinnen. Oder, wie sie ihrer singenden Großmutter beiwohnte, während der Hund kläglich jaulte. Mit ihren Erlebnissen schaffte es Szewczenko, sich zehn Wochen in der Show zu halten. Am Ende wählte sie das Publikum mit einem Kontostand von 70.220 DM aus dem Wettbewerb.
Im Sturm untergegangen
Abgesehen von einigen skurrilen Momenten war das, was vor den verteilten Kameras von tm3 ablief, inszenatorisch meist ermüdend. Die Aufnahmen stammten stets aus einer einzigen Perspektive. Häufig filmten sich die Teilnehmenden aus der Hand oder platzierten das Gerät irgendwo. Im Vergleich zum Spektakel bei RTL II, das mit einem aufwendigen Setting und deutlich höherem Budget aufwartete, wirkte die tm3-Version wie ein „Big Brother“ im Eigenbau. Unscheinbar, blass und billig.
Entsprechend wenig Beachtung fand das Programm in der Presse. Es wurde allenfalls als Ansammlung von „profanen Alltagsbanalitäten“ belächelt; als „albern bis belanglos“ oder als „Kindergarten“ abgestempelt. (etwa von Annika Ries im Hamburger Abendblatt und von Gitta Düppenthal in der Frankfurter Rundschau)
Diese Einschätzungen spiegelten sich in den Reichweiten wider: Die Sehbeteiligungen pendelten oft um die 100.000er-Marke, der Marktanteil lag meist bei 0,5 Prozent und erreichte höchstens an guten Tagen Werte um 0,8 Prozent. Der vermeintlich klug gewählte Sendetermin im Medienhype rund um „Big Brother“ entpuppte sich am Ende eher als Nachteil, da das Projekt im enormen Sturm um den großen Konkurrenten einfach unbemerkt unterging.
Die Verantwortlichen bei tm3 gaben sich dennoch zuversichtlich und kündigten an, an der Reihe festhalten zu wollen. Trotzdem gestalteten sie sie nach rund anderthalb Monaten um. Ab dem 17. April führte Yared Dibaba durch die bis dahin unmoderierten Ausgaben. Eine Trendwende brachte dieser Schritt nicht. Nach den bereits vorab zugesicherten 72 Episoden gab es nach dem 21. Mai 2000 keine Fortsetzung mehr.
Eine Frage der Authentizität
All die öffentlichen Diskussionen darüber, inwieweit Real-Life-Formate mit ihren Einblicken in die intimen Lebensbereiche von anderen Menschen voyeuristische Bedürfnisse befriedigten, wirkten angesichts der gezeigten Trivialitäten rückblickend völlig überzogen. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob durch eine ständige TV-Überwachung eine Verletzung der Menschenwürde zu befürchten war. Natürlich waren diese Fragestellungen grundsätzlich berechtigt. Die allgemeine Empörung darüber überdeckte aber, worin der eigentliche Paradigmenwechsel der neuen Konzepte bestand. Genau genommen zeigte er sich in zwei Punkten. Der erste lag in der Umdeutung des Begriffs „Authentizität“.
Wie viel von dem Gezeigten in „Geld für Dein Leben“ tatsächlich „echt“ war, welche Situationen gar nicht zum Alltag der Teilnehmenden gehörten und welche Konflikte bewusst inszeniert oder vom Zaun gebrochen wurden, einzig mit dem Ziel, mehr Sendezeit zu erzwingen, ließ sich schwer beurteilen. Gleichwohl stand das Schlagwort „Authentizität“ über allem. Schließlich hätte es senderseitig keine Vorgaben, keine Drehbücher, keine Regieanweisungen gegeben. Das schloss ja nicht aus, dass solche redaktionellen Entscheidungen auf die Protagonist:innen übergingen, die diese Aufgaben für ihre 10 DM pro Sekunde nun selbst übernehmen mussten. Ob in diesem Verhältnis am Ende tatsächlich echte Momente entstanden, war letztlich unerheblich. Das gab Axel Kühn bei der Pressekonferenz zum Start von „Geld für Dein Leben“ offen zu. Er glaubte, dass „es den Zuschauern egal ist, ob die Kandidaten sich inszenieren. Hauptsache, sie amüsieren sich.“ Es ging demnach gar nicht um Authentizität, sondern lediglich um ein Versprechen von Authentizität. Es zählte einzig der Anschein.
Genauso verhält es sich mit der Sendung „Big Brother“, die eine ähnliche Prämisse formulierte. Sie setzt die Menschen jedoch in ein durch und durch künstliches Labor-Setting und macht ihnen unentwegt bewusst, dass sie unter ständiger Beobachtung stehen. Wie soll unter einem solchen Vergrößerungsglas tatsächliche Authentizität entstehen? Wie in den zu dieser Zeit sehr präsenten Daily Talks speist sich diese Form der Authentizität vor allem daraus, dass man Personen und gesellschaftliche Schichten in die Öffentlichkeit stellt, die bislang keinen Zugang zu ihr hatten, und beobachtet sie dabei, wie sie sich in der künstlichen (Stress-)Situation schlagen – in der Hoffnung, durch das ungewohnte Setting und durch all den erzeugten Druck einen Gefühlsausbruch provozieren zu können. Solche Kontrollverluste sind letztlich das Ziel aller Bemühungen. Die mit aller Macht künstlich hervorgerufenen Emotionen werden dann als authentische, als echte Momente fehlinterpretiert.
Infuencing lang bevor es Influencing überhaupt gab
Die als Banalitäten verkannten Geschichten in „Geld für Dein Leben“ offenbaren sich rückblickend betrachtet als wegweisend. Die Aufnahmen der Teilnehmenden – oder sollte man sie besser Content-Creator nennen – waren nicht weit entfernt von denen, wie sie Influencer:innen in sozialen Netzwerken heute nutzen, um ihren Alltag zu monetarisieren. Sie kamen bloß noch nicht in HD, ohne Produktplatzierung und ohne das Anbiedern des Like-Buttons daher. In dieser Logik übernahm die TV-Show mit ihrer limitierten Sendezeit die Funktion der Plattform, auf der es zu bestehen galt. Sie war indirekt eine erste Variante von Instagram, YouTube oder TikTok. Einzig mit dem Unterschied, dass dort nicht ein allmächtiger Algorithmus darüber entschied, welche Story gepusht wird, sondern menschliche Redakteure.
Das dahinterliegende Prinzip fußt auf der Verknüpfung der Aufmerksamkeitsökonomie mit einem radikalisierten Leistungsprinzip. Bei tm3 galt dasselbe wie in den späteren sozialen Netzwerken: Wer nicht regelmäßig abliefert, wer sich nicht im Gespräch hält oder wer nicht ständig Beiträge liefert, die die Menschen emotional berühren, gerät aus dem Fokus. Wer sich nicht streitet, wer nicht nackt duscht, wer nicht über seine Penislänge redet oder seine Sinnkrise nach außen trägt, fliegt aus dem System. Wer die Redaktionen (oder die Algorithmen) nicht stetig mit verwertbarem Material füttert, verschwindet zurück in die Anonymität.
Das kommt einer Umkehrung der bisherigen Verhältnisse gleich. Nicht mehr die TV-Redaktionen werden dafür bestraft, wenn nichts passiert. Nicht mehr sie haben die ersehnten Kontrollverluste und Emotionen zu beschaffen. Es sind die Teilnehmenden, die abliefern und sich einem stetigen doppelten Urteil stellen müssen: Einerseits durch die Redakteur:innen, die mit der Selektion der zugelieferten Aufnahmen über das Schicksal entscheiden, und anderseits durch das Publikum, das als letzte Instanz eine zu langweilige Performance mit dem Rauswurf bestraft.
Daraus erwächst ein Leistungsdruck, ein Verwertungskapitalismus des eigenen Lebens, der die Teilnehmenden in eine ungleiche Abhängigkeit zwingt. Sie müssen eine höhere Instanz mit ihren Darbietungen ständig bei Laune halten. Verliert diese irgendwann das Interesse, bedroht sie die eigene Sichtbarkeit und die finanzielle Entlohnung für alle Mühen. Sie bedroht letztlich die eigene Existenz. Das geschieht außerdem in einem Rahmen, in dem die Teilnehmenden die Spielregeln nicht mitbestimmen können - sie oft nicht einmal genau kennen, höchstens vermuten.
Insofern ist es sehr konsequent, dass Tanja Szewczenko die Monetarisierung ihres Familienalltags unter dem Label „die.szewczenkos“ auf einem YouTube-Kanal und bei Instagram fortsetzt. Nach ihrer Abwahl bei „Geld für Dein Leben“ wurde ihr Nachfolger übrigens ein gewisser Alexander Trpkovski. Er war der Bruder des „Big Brother“-Bewohners Zlatko, der zeitgleich als einer der ersten Reality-Stars in der Medienmaschinerie verglühte. Das allerdings ist eine ganz andere Telegeschichte.