Ihr Dach ist undicht. Was tun Sie? Einen Eimer auf den Boden stellen, um den Regen aufzufangen. Und je mehr Löcher im Dach entstehen, desto mehr Eimer werden benötigt. Das klingt irgendwie plausibel - und hat sogar etwas mit Fernsehen zu tun. Denn das Fernsehen ist nicht ganz dicht, zumindest im übertragenen Sinne. Weil in den letzten Jahren immer mehr kleine Sender auf den Markt drängten, haben die Großen im Laufe der Zeit viele Marktanteile einbüßen müssen. Erreichten die großen Acht - also Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, Vox, RTL II und kabel eins - vor zehn Jahren noch mehr als 70 Prozent aller Zuschauer, so schrumpfte diese Zahl inzwischen auf weniger als 60 Prozent zusammen.
Daran sind die großen Sendergruppen aber zu einem großen Teil auch selbst schuld, denn mit neuen Kanälen wie Sixx, ProSieben Maxx und RTL Nitro versuchen sie, möglichst viele Marktanteile in der Familie zu halten. ProSiebenSat.1 und die Mediengruppe RTL Deutschland bohren die Löcher in ihren Decken mittlerweile also mit eigenen Werkzeugen. Auf diese Weise ist knapp zehn Jahre nach dem Start von DMAX, dem Größten unter den Kleinen, eine beachtliche Zahl an Sendern entstanden, die einzeln betrachtet zwar meist nur überschaubare Marktanteile erzielen, zusammengerechnet aber dann doch einen sehr ordentlichen Anteil am Fernsehmarkt haben.
Entwicklung der Marktanteile der großen Acht (2002-2015)
Quelle: DWDL.de-Recherche
Alleine die vier jungen Sprösslinge von ProSiebenSat.1 und RTL verzeichneten im vergangenen Jahr gemeinsam fast sechs Prozent Marktanteil - das ist in etwa so viel wie RTL II oder kabel eins erreichen. Und geht es nach den Verantwortlichen, dann ist das Ende der Entwicklung noch nicht erreicht, denn bereits im Juni werden von Köln aus RTLplus und Toggo Plus an den Start geschickt. Und bei ProSiebenSat.1 sind die Pläne für einen frei-empfangbaren Doku-Sender mittlerweile ebenfalls schon weit vorangeschritten. Dieser soll ebenfalls noch im Laufe des Jahres auf Zuschauerfang gehen.
Sender wie diese haben gegenüber den großen Schlachtschiffen einen entscheidenden Vorteil: Sie müssen gar nicht erst versuchen, allen zu gefallen, sondern können sich auf kleine, spitze Zielgruppen konzentrieren. Dass selbst diese manchmal zu klein sind, musste in der Vergangenheit aber auch des öfteren festgestellt werden: So verabschiedete sich ProSieben Maxx schon kurz nach dem Start von seinem lobenswerten Vorhaben, amerikanische Serien im englischen Originalton zu senden - und Discovery hat bei seinem bislang wenig erfolgreichen Frauensender TLC längst "Amerikas gefährlichste Killer" und "1000 Wege ins Gras zu beißen" zwischen den "Cake Boss" und die "Candy Queen" gemixt.
Davon abgesehen bieten Sender wie RTL Nitro oder Sixx den großen Sendern regelmäßig die Möglichkeit, gefloppte Formate durchzureichen: Auf diese Weise findet die zweite Staffel der wenig glanzvollen "Transporter"-Serie nun ihren direkten Weg zu RTL Nitro, während sich ProSieben Maxx mit "House of Cards" und der "24"-Neuauflage schmücken darf. Hinzu kommen immer mehr Eigenproduktionen: Dass Sixx im Herbst eine neue "Big Brother"-Staffel auf die Beine stellte, war ein fettes Ausrufezeichen aus Unterföhring, auch wenn das Unterfangen letztlich nicht den gewünschten Erfolg brachte und daher erst mal keine Fortsetzung finden wird.
Dennoch dürfte der Trend hin zu Eigenproduktionen weitergehen, wie die jüngste Ankündigung einer Neuauflage von "Familienduell" und "Jeopardy!" bei RTLplus, aber auch fiktionale Projekte, wie sie ZDFneo zuletzt angestoßen hat, recht eindrucksvoll beweisen. Und so lohnt sich der Blick auf die kleinen Sender also so sehr wie nie zuvor. Es ist eine Entwicklung, der wir bei DWDL.de schon seit einigen Jahren mit unseren Analysen der Monatsmarktanteile der Kleinen gerecht werden wollen. Hinzu kommt ein verstärkter Blick auf DMAX & Co. in unseren täglichen Quotenbetrachtungen.
Seit dem Jahresbeginn weisen wir zudem in unserer Zahlenzentrale täglich die Top 15 Tagesmarktanteile sowohl für das Gesamtpublikum als auch für die Zielgruppe 14-49 aus. So lässt sich jeden Tag beobachten, welche der kleineren Sender es schaffen, an die großen acht heranzurücken - und einzelne davon an manchen Tagen auch schon zu überholen. Um einschätzen zu können, ob der konkrete Tagesmarktanteil auch ein Erfolg war, muss man das normale Senderniveau kennen. Das haben wir etwa in unserer Analyse der Jahresmarktanteilen für 2015 zusammgenfasst, Updates gibt es jeden Monat in den Monatsmarktanteilen. Hier zur Übersicht die Marktanteile der kleineren Sender im Jahr 2015 bei den 14- bis 49-Jährigen.
MA 14-49 2015 |
2014 |
2013 |
|
DMAX | 1,8 |
1,8 |
1,6 |
RTL Nitro |
1,7 |
1,5 |
0,8 |
Sixx |
1,4 |
1,4 | 1,2 |
Sat.1 Gold |
1,3 |
0,7 | 0,4 |
N24 |
1,3 |
1,2 |
1,3 |
ProSieben Maxx |
1,2 |
1,0 |
0,2 |
ZDFneo | 1,1 | 0,9 | 0,8 |
ZDFinfo |
1,1 | 0,9 | 0,8 |
Tele 5 |
1,0 |
1,0 | 1,0 |
n-tv |
1,0 | 1,0 | 1,0 |
Sport1 |
1,0 | 0,8 | 0,9 |
Phoenix | 0,8 | 0,8 | 0,9 |
3sat | 0,7 | 0,7 | |
Arte | 0,7 | 0,7 | |
Eurosport | 0,5 | 0,4 | 0,5 |
Einsfestival | 0,3 | 0,3 | |
TLC | 0,3 | 0,2 |
Quelle: DWDL.de-Recherche
Um Ihnen diesen spannenden Markt noch näher zu bringen, starten wir nun außerdem die neue Reihe "Deutschland, deine Sendervielfalt", in der wir ab dem kommenden Freitag wöchentlich einen kleinen Sender porträtieren. Wir blicken auf die größten Erfolge, aber auch auf die Schwachstellen im Programm, fragen nach Zielen und Wünschen für die Zukunft - und analysieren, wie groß die kleinen Sender eigentlich werden können, ohne dabei ihre zumeist klare Ausrichtung aufs Spiel zu setzen.