8000 Kilometer entfernt vom deutschen Fernsehmarkt bei einer stark von Lateinamerika beeinflussten Fernsehmesse in Miami Beach schraubt man die Erwartungen an Neuigkeiten für uns in Europa zunächst einmal zurück. Und wenn nicht von Südamerika die Rede war, dann schwärmte beispielsweise HBO vom jungen und dynamischen Markt in Vietnam. Umso bemerkenswerter war dann das Bekenntnis von NBC Universal International-Chef Jeff Shell, der einen so gar nicht jungen und auf den ersten Blick auch nicht dynamischen Markt als das Wachstumsland für sein Unternehmen ausmachte: Deutschland. „Das Pay-TV-Geschäft in Deutschland wird wachsen, die Penetration liegt dort erst bei 20 Prozent. Da ist noch mehr drin. Wir glauben daran, wir setzen darauf.“

Und in Deutschland wie anderen Märkten in denen NBC Universal International tätig ist, gelte: „Going local“. Die Programme kommen längst nicht mehr nur aus den USA. Nähere Details dazu, wie NBC Universal in Deutschland wachsen will, verriet Shell jedoch nicht. Doch Deutschland-Chefin Katharina Behrends hatte vergangenes Jahr im DWDL.de-Interview auch bereits von weiterem Wachstum und möglichen neuen Sendern gesprochen. Die eingedeutsche Version von E! wird damit kaum gemeint gewesen sein. Eine interessante Seitenbemerkung fügte Shell bei seinem NATPE-Auftritt wenig später hinzu: In Ländern, in denen es Universal Studios-Freizeitparks gebe, helfe das auch den Sendermarken. Deswegen schaue man, wo man zur Stärkung der Marken weitere Universal Studios-Parks eröffnen könne.

Bei FOX International Channels steht in diesem Jahr wiederum ein ungewöhnliches, ambitioniertes Projekt im US-amerikanischen Heimatmarkt an: Zusammen mit dem kolumbianischen Medienhaus RCN will man den spanischsprachigen Sender MundoFOX in den USA starten und damit den Marktführer Univision ärgern, der wiederum längst zur so festen Größe im US-Wettbewerb geworden ist, dass bei der NATPE nicht mehr von den großen fünf, sondern großen sechs US-Networks die Rede war - also neben ABC, CBS, FOX, NBC und TheCW auch Univision. Eine solche Marktstellung weckt eben Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz.

MundoFOX war zweifelsohne die interessanteste Nachricht der Fernsehmesse in Miami Beach für den heimischen Markt. Angesprochen auf die wichtigsten Wachstumsmärkte außerhalb der USA, sieht FOX International Channels-Chef Herman Lopez im Gespräch mit DWDL.de Lateinamerika an erster Stelle. Nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit RCN Kolumbien. Doch mit dem Amtsantritt von Mirjam Laux bei FOX International Channels in Deutschland wurden bei uns die Strukturen geschaffen, über FOX und die NatGeo-Familie hinaus zu wachsen. Spruchreif scheint aber wohl noch nichts.

Nichts Neues gab es auf der NATPE von Turner Broadcasting System. CEO Phil Kent musste seine Keynot in Miami Beach kurzerhand aus privaten Gründern absagen. Doch die Pläne von Turner Deutschland-Chef Hannes Heyelmann für dieses Jahr sind ja bereits bekannt: Neben der ersten fiktionalen Eigenproduktion für TNT Serie steht der Start des neuen Frauensenders Glitz auf dem Programm. Auch dieser Sender soll im Vergleich zu anderen Versionen der Sendermarke stark an den deutschen Markt angepasst werden. Eine grundsätzliche Notwendigkeit, die auch US-Player Viacom erst lernen musste.

Doug Herzog (Viacom Entertainment Group) führte die mühsamen Erfahrungen mit den internationalen Ablegern von Comedy Central aus. Weder Colbert noch Stewart würden international gut genug funktionieren. Erst mit der Erkenntnis, die Marke weltweit besser als Anbieter bekannter und nicht zu spitzer Comedy zu positionieren und je nach Markt individuell Programme zuzukaufen, habe der Erfolg eingesetzt. Auch in Deutschland. Keine Wachstumschancen im deutschen Markt sieht übrigens Simon Sutton, President, HBO International & Content Distribution bei HBO.

Gegenüber DWDL.de bekräftigte er den bisherigen Kurs des amerikanischen Pay-TV-Primus in Deutschland: Ein eigener HBO-Kanal sei "in den nächsten Jahren" nicht vorstellbar. Dazu laufe die individuelle Verwertung von HBO-Marken zu gut. Angesprochen auf das Modell von Sky Atlantic in Großbritannien, räumte Sutton ein, dass eine solche Art der privilegierten Partnerschaft mit einem Sender weitaus eher denkbar sei. Doch akute Pläne gebe es nicht. Das Fehlen der oftmals von TV-Fans rund um den Globus als Inbegriff guten Bezahlfernsehens geradezu verehrten Sendermarke hat jedoch eher symbolischen Charakter. Viele HBO-Produktionen finden ja eben auch so ihren Weg zu uns. Und wie stark und vielfältig die Pay-TV-Landschaft in Deutschland ist, zeigt die am Donnerstagabend zum dritten Mal stattfindende Verleihung des von Sky gestifteten Mira-Award für Leistungen im Pay-TV.

Mag es auch noch so viele Unkenrufe und erfüllte Wünsche geben: Besser als heute stand das deutsche Pay-TV noch nie da. Weil inzwischen ein eigenständiger Markt entstanden ist, in dem auch die großen US-Player erkannt haben, dass es nicht eine Universal-Strategie für den internationalen Markt gibt und lokale Produktionen sowie Anpassungen bei der Programmierung nötig sind. Oder wie es NBC Universal International-Chef Jeff Shell bei der NATPE ausdrückte: "Es gibt kein internationales Geschäft. Das ist etwas, was wir Amerikaner erfunden haben, um zu sagen: 'Es gibt uns und den Rest der Welt'. Aber das Geschäft ist in jedem Markt speziell und lässt sich nicht pauschal managen. Entweder man versteht das oder lässt es gleich." Dass die US-Player dies inzwischen alle verstanden haben, macht den deutschen Pay-TV-Markt nur noch spannender.