Ob es Ankündigungs-PR war oder einfach nur der fromme Wunsch eines Fans? Fakt ist: Seit Marcus Wolter, Deutschland-Chef des Produktionsriesen Banijay, hier auf DWDL.de das Gerücht nährte, es könnte ein Wiedersehen mit der Serienfigur Bernd Stromberg geben, ist exakt so viel passiert: nichts. Keine neuen Schlechtigkeiten des wohl berühmtesten deutschen Büro-Ekels weit und breit, obwohl doch die alten Episoden im Streaming ein Mega-Hit sein sollen.
Das Comeback knüpfte Wolter freilich an die Voraussetzung, dass der Serienschöpfer Ralf Husmann und sein Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst „das wollen“. Wollen sie also nicht?
Was Ralf Husmann betrifft, ist es ja nicht so, dass seine Kreativität versiegt wäre, seit er im Herbst 2014 den Leiter der Abteilung Schadensregulierung bei der Capitol-Lebensversicherung, also Bernd Stromberg, nach fünf Serienstaffeln und einem Kinofilm auf den Fernsehfriedhof der Kultserien beförderte. Im Gegenteil. Er schuf in den vergangenen zehn Jahren ein neues „Tatort“-Team in Dresden, schrieb Katrin Bauerfeind („Frau Jordan stellt gleich“) und Klaas Heufer-Umlauf („Check Check“) Comedyserien auf den Leib, dachte sich eine Filmrolle für Bastian Pastewka aus („Alles gelogen“), mit dem er, ungelogen, bis dato noch nie zuvor zusammengearbeitet hatte.
Und nicht zuletzt gab er Christoph Maria Herbst eine neue Serienexistenz. In „Merz gegen Merz“ spielt dieser an der Seite von Annette Frier ein Ehepaar im Rosenkrieg. Es ist ein Herzensprojekt des einmal Geschiedenen Ralf Husmann und begann 2019 als Mini-Serie im ZDF. Nach drei Staffeln wurden die Merzens begraben – bis sie vor einem Jahr überraschend wieder auftauchten, in einem Langfilm. Nun folgt schon der zweite, wenige Tage vor dem 60. Geburtstag des Spiritus rector.
Warum sollte so eine Wiederbelebung nicht auch mit Bernd Stromberg gelingen?
Videoanruf nach . . . Berlin. Berlin? Von Husmanns Umzug in die Hauptstadt hat die Wikipedia (und auch die Autorin dieser „Nahaufnahme“) nichts mitbekommen; sie verortet ihn nach wie vor in Köln. Dabei packte er, wie er erzählt, bereits 2016 die Koffer. Das mutet, ehrlich gesagt, schon etwas irre an. Wie kann man den Hotspot der deutschen Comedy-Szene, die man zwei Jahrzehnte mitgeprägt hat, freiwillig verlassen?
Ohne Husmanns unbestreitbaren Mut zur Veränderung schmälern zu wollen: Er fiel just zusammen mit einer Phase, in der es für die „Stromberg“-Produktionsfirma Brainpool unbequem wurde.
Zwanzig Jahre stand er dort fest in Lohn und Brot, seit ihn die Kölner engagierten hatten, um Harald Schmidt Polen-Witze und was auch immer man damals für lustig hielt auf die dirty Zunge zu schreiben. Das Comedy-Talent erlebte live die Entwicklung von der Firmenklitsche aus fünf Mann in der Bismarckstraße bis zum börsennotierten Unternehmen. 2007 stieg Husmann sogar in die Geschäftsführung auf. Die Geschäfte liefen gut, vor allem auch dank des zwei Jahre jüngerem Brainpool-Kollegen Stefan Raab.
Der unbedingte Ehrgeiz und die überbordende Energie des „König Lustig“ faszinierten ihn. Ein paar Mal ließ sich Husmann Filmmusiken von Raab komponieren, unter anderem für „Stromberg – Der Film“. Sonst querten sich ihre Wege nicht. Raab machte Show und Husmann kaprizierte sich auf Fiction. Von den Querelen nach Raabs Tschööö in die TV-Rente und der daraus folgenden Scheidung von Brainpool (die ja noch immer nicht, verfluchtes Raab-Paradox, komplett vollzogen ist) will Husmann nur interessiert in der Presse gelesen haben. Er stand ja schon mit einem Bein in Berlin, um als Freiberufler neu zu starten.
Apropos Neustart: Wenn sich Stefan Raab demnächst ins Fernsehen zurückboxt, könnte dann nicht auch Bernd Stromberg . . .?
Es ist jedenfalls eine lustige Volte des Schicksals, dass sich der Stromberg-Erfinder inzwischen wieder mit Brainpool verbandelt hat, wenn auch indirekt. Denn kaum hatte er bei der MadeFor als Autor und Produzent unterschrieben, schloss sich sein neuer Arbeitgeber Marcus Wolters „Star Alliance des Entertainments“ an, zu der auch Brainpool gehört. Die MadeFor sei „das bunte Schaf in der Banijay-Familie“, sagt Husmann und meint es durchweg positiv:
„Als einzige Firma, die Fiction macht und weit weg von Köln sitzt, genießen wir einen gewissen Sonderstatus. Wir müssen innerhalb des Hauses nicht mit anderen konkurrieren, um ein Projekt durchzubringen. Und natürlich ist es von großem Vorteil, dass man finanzielle Durststrecken besser aushalten kann.“
Zum Beispiel dann, wenn ein Sender ein Serien-Aus beschließt.
Nun war es im Fall von „Merz gegen Merz“ offenbar so, dass das ZDF und Ralf Husmann die Entscheidung gemeinsam trafen. Bei einer neuen Firma (MadeFor) anzufangen und für die alte (NetworkMovie) ein Projekt fortzusetzen – das wäre Husmann zufolge „eine komische Gemengelage“ gewesen. Abgesehen davon war er zutiefst unglücklich darüber, dass das ZDF für seine 25-minütigen short stories im Hauptprogramm keinen Slot hatte. Die Sonderprogrammierung mit zwei, drei Folgen am Stück rund um Weihnachten oder Ostern herum sei „nicht ganz das passende Umfeld für eine Scheidungsgeschichte“ gewesen.
Verrückterweise, fährt Husmann fort, soll Roman Beuler, Teamleiter Comedy und Kabarett in der ZDF-Hauptredaktion Show, die Initiative ergriffen haben, das Scheitern der Merz-Ehe und die Versuche, ein neues Glück zu finden, als Neunziger zu erzählen. Husmann fand die Idee gut. Über die längere Strecke fühle sich das Format „sogar homogener an, als wenn man eine neue Serienstaffel gemacht hätte“.
Aus ZDF-Sicht ist dieser Vorstoß durchaus bemerkenswert. Husmanns Humor, der immer auch das Schwere im Leichten sucht, der immer auch Themen verhandelt, die die Gesellschaft sorgen, sei es Krankheit und Altwerden in „Merz gegen Merz“, sei es der Klimawandel in „Mirella Schulze rettet die Welt“ für Vox – all diese in Comedy verpackten Dramen holen nicht automatisch sechs Millionen Zuschauer, nur weil sein Name draufsteht. So war der erste Neunziger mit dem Ex-Paar Merz, „Hochzeiten“, linear der schwächste in der ZDF-Komödienstrecke 2023, sammelte aber in der Mediathek dafür die so begehrten Jüngeren ein. „Marktforschungen ergaben: Ich verliere meist die Alten und den Osten“, sagt Husmann und es klingt nach Galgenhumor.
Seine Arbeit polarisiert, das weiß er selbst. Bei „Stromberg“ hätten die Leute gestänkert: „Was soll der Quatsch? Ich sitze selber acht Stunden im Büro, warum soll ich mir das abends auch noch angucken?“ Er kann diese Reaktion total verstehen. Dennoch treibt ihn kein missionarischer Eifer, dass er jeden mit seiner Humorfarbe überzeugen muss: „Ich mache das, was ich gut finde und worauf ich Bock habe.“ Er könne auch nicht auf Zielgruppe schreiben, sondern hoffe darauf, dass genug Leute super finden, was er mache. „Hauptsache, meine Arbeit ist ihnen nicht egal.“
Mit fast 60 und dekoriert mit wichtigen Preisen (allein für „Stromberg“ ein Deutscher Fernseh- und ein Grimme-Preis) lässt sich so etwas natürlich leicht sagen. Ob er auch am Beginn seiner Karriere so dachte?
Als Kind wollte Ralf Husmann Schriftsteller werden
Als Kind wollte Ralf Husmann jedenfalls unbedingt Schriftsteller werden, so jemand wie Hemingway oder Johannes Mario Simmel. Deren Biografien hatte er bei der Lektüre des Bertelsmann-Büchleins „Autoren in Wort und Bild“ in sich aufgesogen. „Aus Notwehr heraus“ sei er dann lustig geworden: „Arbeiterkind, Halbwaise und schlecht im Sport, da bleibt nur der Humor, um bei Mädchen zu punkten.“ Zur Attraktivitätssteigerung beim anderen Geschlecht kam die Erkenntnis hinzu, dass man mit dem Lustig-Thema am leichtesten Geld verdienen kann.
Da auch seine Vorbilder Hemingway und Simmel als Journalisten klein anfingen, schrieb sich Husmann in Dortmund für Journalistik ein, verfolgte das (humorfreie) Studium aber eher halbherzig als zielstrebig und beendete es nie. Nebenher tingelte er in einem Kabarett-Duo durch die Lande, schrieb Sketche fürs Radio und bunte Rausschmeißer für Magazine wie „Stern TV“, um die sich sonst niemand riss. Und empfahl sich damit als Autor für die neue „Harald Schmidt Show“.
Eine Reanimation von Dirty Harry? Das wäre ja so, wie wenn . . . ach was, lassen wir das. Husmanns ehemaliger Master of Ceremony hat mit 67 de iure das Recht und die Pflicht, die Rente zu genießen.
Ralf Husmann wiederum denkt noch nicht daran, es sich bequem zu machen. Mit dem bevorstehenden runden Geburtstag verbindet er auch nichts, was in ihm Panik oder Druck auslöst. Trotzdem hat sich bei ihm im Hinterkopf eine gewisse Sorge festgesetzt, seit er Helmut Dietls letzten Film „Zettl“ im Kino sah und dachte: „Ach, du Scheiße, das ist so missraten, wie kann das passieren bei einem, der so viel geiles Zeug gemacht hat? Warum hat’s ihm keiner gesagt? Ich hoffe, dass mir das nicht passiert.“
Sagt’s und schiebt noch die Info hinterher, dass er nach unserem Interview flugs ein neues Exposé in Mainz einreichen muss. Mit dem ZDF ist er neuerdings besonders gut im Business, seit bei den Privaten in Sachen Film und Serie so gut wie nichts zu holen ist.
Aber eine Frage noch: Was ist denn jetzt mit dem „Stromberg“-Comeback?
Davon habe er auch gelesen, lacht Husmann so trocken, wie man es von Ruhrpottgewächsen halt kennt. Was sein Ober-Boss bei DWDL.de gesagt habe, sei „nicht abgesprochen“ gewesen. Trotzdem fand er’s „ganz süß“: „Marcus hat da, unabhängig von seiner Funktion, offenbar als Fan geredet.“
Fans scheint es in allen Altersgruppen zu geben. Als er „Stromberg“ machte, ging Husmann immer davon aus: Leute, die das gut finden, müssen schon mal im Büro gearbeitet haben. „Aber unsere Kernzielgruppe stand auf dem Schulhof.“ Auch heute noch werde er immer wieder auf „Stromberg“ angesprochen, und zwar auch von Leuten, die bei der Erstausstrahlung noch gar nicht geboren oder im Kindergarten waren. Sie hätten die Serie auf YouTube entdeckt und fänden sie super. Er wisse nicht, warum, „aber irgendwas connected da“.
Im Übrigen, fährt er fort, habe er nie gesagt, wir machen auf keinen Fall weiter. Wenn, dann müsste es halt in einem anderen Set sein als der Capitol. Die Idee, Bernd Stromberg Karriere in der Politik machen zu lassen, kam bei ihm auf. Schließlich endet der Kinofilm mit einer Szene im Willy-Brandt-Haus. Doch in der Zeit, als er ernsthaft über einen Weiterdreh nachdachte, gab es erstens relativ viele politische Stoffe. Zweitens war es ihm dann doch zu billig, die Stromberg-Story zu erzählen: In der Politik läuft es genauso ab wie in der Capitol. Und so begrub er das Projekt wieder.
Ein viel- und nichtssagendes „Aber schauen wir mal“ setzt Husmann noch nach. Und dass er mal eine KI-getriebene Drehbuch-Software für eine „Stromberg“-Fortsetzung ausprobiert habe. Das Ergebnis ging in die Richtung: Stromberg fliegt ins All. Husmanns Begeisterung hielt sich in Grenzen. „Vielleicht warte ich da dann doch noch ein paar Updates ab.“
Die Fans, das ist so was von sicher, warten gespannt mit.
Die Ralf-Husmann-Festwochen im ZDF läutet am 5. September die Familienkomödie „Alles gelogen“ mit Bastian Pastewka ein (seit Juli schon in der ZDFmediathek), gefolgt von der neuen Episode „Merz gegen Merz – Geheimnisse“ am 12. September, jeweils 20.15 Uhr.