Mitten im Dschungel ist bei RTL bekanntlich kurz vor „Let’s Dance“. Während sich zur Halbzeit von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ die Reality-Sternchen Kim und Leyla Down under in den Eifersuchtszoff hineinsteigern, laufen parallel in Köln-Ossendorf die Vorbereitungen für die 17. Staffel der Tanzshow bereits auf Hochtouren. Einige Neuerungen hat der Sender für den Start am 23. Februar angekündigt, etwa ein optisch erneuertes Set mit mehr Platz für die Tänze. Und dass sich am Cast noch kurzfristig etwas ändern könnte, ist nach dem gerade erst am Freitagabend heruntergesausten „Kandidaten-Hammer“ mit Biyon Kattilathu nicht ausgeschlossen.
Nur bei den drei bunten Vögeln, die da immer links im Bild sitzen, wird man sich nicht umstellen müssen: Jorge González, Motsi Mabuse und Joachim Llambi sind zu hundertundein Prozent gesetzt.
Dass dieses Trio furioso über die Jahre zu einer harmonischen Einheit zusammengewachsen ist und sich bei „Let’s Dance“ unverändert am längsten hält wie wohl keine andere TV-Jury der Welt, schreibt sich nicht zuletzt der Künstlermanager Oliver Wirtz Brito auf die Fahne. Selbstbewusst behauptet er:
„Eher wird ,Let’s Dance‘ eingestellt, als dass die Jury verändert wird.“
Eine Veränderung wäre auf jeden Fall ein Schlag ins Kontor von Oliver Wirtz Britos Künstleragentur. Seit 1998 gibt es in Hamburg die Sundance Communications GmbH (damals unter dem Namen Sundance Music GmbH gegründet). Keine andere Karriere begleitet der Agenturgründer und Manager von TV-Persönlichkeiten wie Tim Mälzer, Jan Hofer und Rúrik Gíslason länger als die von Jorge González. 2009 brachte er ihn als Laufstegtrainer bei Heidi Klums „GNTM“ groß raus und 2012 dann als Juror bei „Let’s Dance“ unter.
Die Erzählung von Oliver Wirtz, der seit seiner im Februar 2022 geschlossenen Ehe mit Herrn Brito einen Doppelnamen trägt, führt in die 1990er Jahre.
Er betrieb nach seiner Rückkehr vom Marketingstudium in Arizona und Lehrjahren bei British American Tobacco eine eigene Event-Agentur in Hamburg, die Galas, Messen und Produktpräsentationen inszenierte. Nebenher beriet der Musical-Fan Musical-Stars in Vertragsfragen, produzierte sogar selbst ein Stück für Corny Littmanns Schmidt-Theater. „Freak out!“ über Insassen einer Psychiatrischen Anstalt in den Seventies hatte im Oktober 1996 Premiere. Und weil Wirtz Hilfe brauchte bei den Kostümen, engagierte er eben jenen Jorge Alexis González Madrigal Varona Vila, der nach dem Studium der Nuklear-Ökologie an der Uni in Bratislava in Hamburg hängengeblieben war und als Stylist und Choreograph für Designer wie Vivienne Westwood gearbeitet hatte.
Daraus entwickelte sich eine bis heute andauernde Geschäftsbeziehung. Gemeinsam bauten Wirtz und González die Sundance Music auf, die sich zur Sundance Communications wandelte. Über den Status quo sagt der Agenturinhaber: „Jorge ist nach wie vor Gesellschafter bei Sundance. Natürlich ist meine Rolle als Geschäftsführer über die Jahre stärker geworden als seine, aber er bringt sich kreativ mit vielen Ideen ein.“
Eine erste Jorge-Idee war zum Beispiel, diesen jungen wilden, Holzfällerhemden tragenden Hamburger Koch, der bei Vox mit „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“ das Kochfernsehen auf ein neues Spaßlevel gebracht hatte, umzustylen und dessen explodierende TV-Karriere nach einem Burn-out in eine gesündere Bahn zu lenken. 2009 managte Wirtz Brito für Tim Mälzer in der ARD die Kochlöffelübergabe von Alfred Biolek. Nach fünf Jahren war bei den Öffentlich-Rechtlichen allerdings schon wieder Schluss.
„Wenn Tim eine Idee hat, dann brennt er und will sofort loslegen“, erklärt Mälzers Manager. „Das macht eine Zusammenarbeit mit der ARD, wo die Prozesse bekanntlich länger dauern, schwieriger als mit Vox und RTL.“ Also kocht und flucht und entertaint der „Koch mit Abitur“ (Wirtz Brito über Mälzer) seit 2014 halt dort bei den Privaten, mit wachsendem Betätigungsfeld.
Den 360-Grad-Vertrag, den die Sundance für Tim Mälzer mit der RTL-Gruppe abgeschlossen hat, stellt der Agenturchef als „Leuchtturmprojekt“ voller Stolz ins Schaufenster. Nicht nur, dass sein Schützling nun schon im elften Jahr für das von Endemol Shine Germany erfundene und produzierte Format „Kitchen Impossible“ alle Herren Länder bereist und er ihn dabei häufig begleitet wie zum Beispiel in die japanische Bergwelt.
Kochbuch, Podcast, Social-Media-Präsenz, weitere TV-Formate wie „Viva la Diva“ (RTL) und „Zum Schwarzwälder Hirsch“ (Vox) – all das ist im crossmedialen Paket unter dem Dach der Bertelsmann Content Alliance mit verschnürt. Nur die Vermarktung im Zeitschriftensektor ist schwierig geworden seit der Auflösung von Gruner + Jahr, was Oliver Wirtz Brito bedauert: „Ich lebe in Hamburg und habe viel mit Gruner + Jahr zusammengearbeitet. Natürlich tut das erstmal weh, wenn so eine Traditionsmarke verschwindet. Aber es ist ein Ausdruck unserer Zeit. Wenn die ganze Welt sich verändert, kann man nicht darauf pochen, wir sind ein gallisches journalistisches Dorf, wir bleiben, wie wir sind.“
Das gilt im Übrigen auch für seine eigene Agentur.
Wie sich der Fernsehmarkt verändert, insbesondere durch den Einzug von Künstlicher Intelligenz, und wie er sein Tun danach umstellen muss, treibt Oliver Wirtz Brito um. In einem Gastbeitrag für die „FAZ“ teilte er unlängst seine Sorge über Fluch und Segen dieser neuen technischen Revolution. Und er appellierte an die Medienbranche, sich dringend ein Beispiel an Hollywood zu nehmen, wo Drehbuchautorinnen und Schauspieler nach monatelangem Streik Grenzen für den Einsatz von KI definierten und gesetzliche Rahmenbedingungen durchsetzten, damit es nicht zum Missbrauch durch andere kommt.
Mit KI wäre es ohne Probleme möglich, Tim Mälzer in „Kitchen Impossible“ fließend isländisch sprechen zu lassen, „und zwar simultan und lippensynchron!“ Aber auch dieses Schreckensszenario geht: „Es lässt sich ja technisch gar nicht verhindern, dass irgendjemand eine Performance von Tim oder Jorge aus dem Fernsehen abgreift und verfremdet, um völlig neue Inhalte zu kreieren und daraus Kapital zu schlagen“, warnt Wirtz Brito, „das Risiko von Deep Fakes wird immer größer.“
Für Fernsehköche und Entertainer, die er vertrete, gebe es bislang keine Lobby. Deswegen appelliert der Künstlermanager an seine Kolleginnen und Kollegen: „Lasst uns darüber reden, wie sichergestellt werden kann, dass die intellectual property unserer Klienten durch Gesetze geschützt werden kann.“ Auf der IPXchange-Konferenz in Köln im vergangenen September führte er bereits erste Diskussionen mit anderen Künstlermanagern und Produzenten. Auf der nächsten Mipcom wollen sie diese fortsetzen.
Dabei könnte er, der Anfang Januar, Happy Birthday!, die 60 vollmachte, sich entspannt zurücklehnen, loslassen, mehr Zeit mit der Familie samt neuem Hund verbringen. Doch die Sundance an eine große Firma verkaufen, wie das Kollegen gemacht haben? No way! Die Selbstständigkeit bewahren, organisches Wachstum, das hatte immer Priorität. Er fühle sich heute noch jung genug und habe noch viel zu viel Tatendrang, sagt er und fügt hinzu. „Wir haben uns mit der Internationalisierung unserer Agentur sehr viel vorgenommen.“
International wird immer wichtiger
Oliver Wirtz Brito glaubt, dass es mit Blick auf das Streaming-Geschäft und die Entwicklung von KI immer wichtiger wird, eine Marke auch international zur Geltung zu bringen. „Wachstum ist nur noch international zu schaffen – und natürlich mit gutem Content.“ Sein Ziel bis 2026: Tim Mälzer, Jorge González und Rúrik Gíslason zu internationalen Stars ausbauen. In London, New York, Los Angeles und Rio de Janeiro neue Talente, Partner und Formate finden. Und: weitere Leute ins Team holen, „die die gleiche Sprache sprechen wie unsere künftigen Klienten, die sehr viel diverser und jünger sein werden“.
Denn das ist ihm, der in einer Zeit großwurde, als man dienstags um Viertel vor zehn „Dallas“ schaute oder gar nichts, glasklar: „Persönlichkeitsmarken finden heute nicht mehr ausschließlich im TV statt.“ Also ran an die Influencer, die bereits an die Tür der Sundance klopfen.
Dass er diese neuen wie die alten Stars nicht steuern könnte, wo doch jeder vom Mittagessen bis zur Trennung alles auf Social Media oder im Podcast preisgibt, fürchtet der erfahrene Manager nicht: „Wer zu uns kommt, kennt unsere Haltung: Privatleben wird so weit es geht aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Und das tun unsere Klienten.“ Er müsse sie deshalb gar nicht kontrollieren und er will es auch nicht, weil er sich nicht als Manager von Marionetten versteht, die man an Fäden zum eigenen Glück führen muss. „Glücklicherweise habe ich es mit erwachsenen Menschen zu tun, mit denen ich auf Augenhöhe kommuniziere.“
„Die RTL-Dschungel-Show hat Kultstatus, keine Frage“, antwortet Oliver Wirtz Brito, er finde sie „unglaublich gutgeschrieben“, fast wie Kabarett. Und doch habe er erstmal gezittert, als Tim Mälzer und Jorge González einmal im Spaß sagten, komm, lass uns da mal hingehen und den Dschungel aufmischen. „Meint Ihr das ernst?“
Natürlich nicht. Die beiden verfolgten die Campspiele halt mit großer Leidenschaft, auch wenn sie manches grenzwertig fänden, so wie ihr Manager auch. „Es gibt eine Grenze, wie man mit Menschen umgeht – und die war in der Vergangenheit nicht immer klar gezogen.“ Einer Olivia Jones oder einem Ross Antony habe der Dschungel trotz allem nicht geschadet. Andere wiederum hätten ihn als demütigend empfunden. Am Ende, glaubt er, habe es jeder selbst in der Hand, wie er oder sie da reingeht und wieder rauskommt. In seinem aktuellen Portfolio sehe er aber niemanden, „für den eine Teilnahme strategisch und inhaltlich sinnvoll wäre. „Es muss in den bisherigen Werdegang reinpassen, dass ich sage, okay, mach das.“
Aber das viele Geld, das er als Künstlermanager im RTL-Dschungel indirekt mit verdienen könnte, ist das kein lukratives Argument? Oliver Wirtz Brito winkt ab. Er habe noch nie eine Summe gesehen, die wirklich stimmte, wenn er über kollegiale Verbindungen nachgeforscht habe. „Geld allein darf für einen Künstlermanager keine Motivation sein.“ Er halte sich an die britisch-hanseatische Devise: Don’t trait short term success for longterm relationships – verwechsle nicht kurzfristigen Erfolg mit langfristigen Beziehungen. „Für uns sind nachhaltige und langfristige Strategien die wichtigste Motivation. Das ist auch der Grund, warum meine Klienten schon relativ lange bei mir sind. Wir haben kaum Fluktuation.“
Weit weniger Hemmungen hat Oliver Wirtz Brito dagegen, seinen Klienten zur Teilnahme an „einer der größten Unterhaltungssendungen, die wir im deutschen Fernsehen haben“, zuzuraten, ob als Tänzer wie im Falle von Jan Hofer, der vor dem Wechsel von der „Tagesschau“ zu den RTL News erstmal „Stallgeruch der RTL-Familie“ annehmen sollte, oder eben als Jury-Mitglied.
Als Jorge González in die „Let’s Dance“-Jury dazustieß, war es, so erzählt es Oliver Wirtz Brito, anfangs etwas schwierig. Misstrauen war im Spiel. Also brachte er Joachim Llambi, Motsi Mabuse und Jorge erstmal an einem Tisch zusammen und schuf Transparenz auch über das Honorar. Nicht, dass die Männer mehr verdienen als die Frau? Seither herrscht angeblich Friede, Freude, Freundschaft. Motsi Mabuse erzählte jedenfalls neulich in „Inas Nacht“, sie fahre mit Jorge schon mal in Urlaub.
Und dann plaudert Oliver Wirtz Brito noch aus, dass die Sundance und das Management von Motsi Mabuse und Joachim Llambi gerade wieder einen mehrjährigen Vertrag mit RTL abgeschlossen hätten, was ja in der Branche eher unüblich ist. Über die Dauer ist ihm nichts zu entlocken. Es werde dazu sicherlich noch eine Pressemitteilung von Senderchefin Inga Leschek geben.
Dann warten wir mal ab, wer tatsächlich zuerst aufgibt: die Show oder die Jury.