Verlieben wie anno dunnemals, ohne Smartphone, ganz analog. Dafür mit pompösen Kostümen im höfischen Ambiente eines bayrischen Schlosses – was unter dem Titel „Love is King“ bereits auf Joyn und demnächst auf Pro Sieben amüsiert, soll nichts weniger sein als „die königlichste Datingshow aller Zeiten“. Auf jeden Fall ist es die Antithese zu den Pool-Nackedeis auf „Love Island“. Beide Kuppelshows stammen aus dem, um im Bild zu bleiben, Königreich von ITV Studios Germany, dem deutschen Ableger des an der Börse notierten britischen Medienkonzerns ITV.
Und wo ein Reich ist, gibt es selbstverständlich auch eine Königin, nicht wahr Christiane Ruff?
Der Geschäftsführerin von ITV mit Sitz in Köln und Berlin sind in ihrer mehr als dreißigjährigen Karriere als Fernsehmacherin schon viele Etiketten aufgeklebt worden. „Mutter der Comedy“ zum Beispiel, als sie für RTL Serienkracher wie „Nikola“ und „Ritas Welt“ schuf. Wobei sie, die gerne mit ihrer Erdung im Ruhrpott und dem fortgeschrittenen Alter von 62 Jahren kokettiert, mittlerweile „Omma der Comedy“ richtiger findet. Sie selbst nennt sich hin und wieder „ein altes Zirkuspferd“.
„Königin des Reality-TV“ würde aber auch gut passen. Schließlich hält Christiane Ruff mit „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ pures Fernsehgold in Händen. Fragt sich nur: Wie lange noch?
Und so erreicht man die Chefin an einem noch sehr heißen Donnerstagnachmittag in ihrem Büro unweit des Kölner Hotels Wasserturm und möchte als erstes von ihr wissen, was sie vor acht Jahren zurück zum Fernsehen brachte.
Ein Trugschluss sei das gewesen, dass sie auf Dauer etwas anderes als Fernsehen machen könnte. „Machen, produzieren, entwickeln, das steckt in meiner DNA“, erzählt die Schnell- und Vielrednerin, die während des Gesprächs immer wieder zum Wasser greifen muss, um die Stimme geschmeidig zu halten. Nach einem Schluck geht es weiter, ohne Punkt und Komma. Ein bisschen „rumpuddeln“ in ihrer Vergangenheit, obwohl das eigentlich nicht ihres ist; das Hier und Heute interessiere sie mehr.
Aber wir müssen doch zurückschauen, um zu verstehen, wie aus der Leiterin einer Tanzwerkstatt in Köln, die keinen Fernseher besaß, eine der erfolgreichsten Vertreterinnen der Voll-auf-die-Zwölf-Unterhaltung werden konnte.
Der zentrale Satz, der sie durch ihr Leben begleitet und der an diesem Nachmittag oft fällt, lautet: „Ich hatte immer Spaß am Machen.“ Und gemacht hat sie vieles Unterschiedliche. Schon mit 14, 15 die ersten Ferienjobs, damals in Gelsenkirchen, wo sie 1960 geboren wurde. Schüler-Journalistin bei der „WAZ“ war sie. In Köln ging sie an die Uni, stellte aber schnell fest, Gott, was Langweiligeres gibt es gar nicht. Viel spannender war für sie, mit einem Choreographen ein Tanzprojekt zu gründen. Nicht dass sie selbst professionelle Tänzerin war oder werden wollte. Sie ließ tanzen und organisierte alles im Hintergrund. Bis das Privatfernsehen kam „wie Kai aus der Kiste“.
Sie war jung, brauchte nicht unbedingt das Geld, aber den verrückten Aufbruch. Und war genau richtig bei RTL, obwohl bei Ruffs zuhause nie ein Fernseher gelaufen war. Den Job als Producerin bekam sie trotzdem; das Brennen und die Euphorie bei ihr waren offenbar sehr spürbar. Trotzdem riet ihr Mister RTL, Helmut Thoma, der eine Art Ziehvater für sie werden sollte, sie solle sich einen TV-Apparat anschaffen – damit sie weiß, was wir da eigentlich machen.
Vier Jahre ohne Urlaub
Die ersten vier Jahre bei RTL arbeitete sie durch, ohne Urlaub. Stieg auf zur Leiterin Show, dann Leiterin Comedy. Jene Sitcoms, für die der Sender Lob und Quote einheimsen sollte, realisierte sie von 1996 an auf der anderen Seite, als stellvertretende Geschäftsführerin von Sony Pictures. Also jener Firma, die sich jetzt komplett aus Deutschland zurückziehen will. Was sie davon hält?
„Meine erste Reaktion war, an meine Nachfolgerin Astrid Quentell zu schreiben: Du siehst mich sehr erstaunt und verblüfft. Das ist das Ende einer Ära.“ Emotional ergriffen habe sie die News gleichwohl nicht, dafür sei sie zu lange weg. Sie hoffe nur, dass es ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen guthaben werden, wenn sie in dem neuen Konzern unter welchem Namen auch immer aufgehen. "Der menschliche Aspekt ist mir bei allem immer wichtig.“
Zu ihren Auftraggebern gehörte Jan Kromschröder, der bald seinen Abschied von ITV plante. Kann ich dich mal auf die Liste nehmen als potenzielle Nachfolgerin, fragte er sie eines Tages am Telefon. Sie sagte, ja, kannst du machen, aber ich werde 54, warum sollten die eine Frau in dem Alter nehmen, wenn du gehst? Die werden doch bestimmt was Junges, Flottes wollen.
Schwuppdidu, ein halbes Jahr später fing sie bei ITV an. Und ist auch acht Jahre später jeden Tag aufs Neue froh, in einem Haus zu arbeiten, das ihr zahlreiche internationale Formate durch die Pipeline schickt. Womit wir beim Thema „IBES“ wären.
Warum sollte sie nach dem Aus von „DSDS“ um ihr Dschungelcamp bangen?, fragt Christiane Ruff zurück. Sollte die Jubiläumsstaffel mit Dieter Bohlen, die das potenzielle Ende markiert, ein Quotenhit werden, „dann reden wir in einem Jahr noch mal“. Come on! Sie war acht Jahre beim Sender. „RTL will, wie jeder andere Sender auch, natürlich Erfolg. Und der Dschungel ist ein Erfolg, immer noch.“ Zwar nicht mit Blick auf die letzten Zahlen im Linearen, ja, das stimmt schon, „aber in der Kombination mit RTL+ ist es immer noch eine Rechnung, die aufgeht“.
Wie es ausschaut, wird der „IBES“-Zirkus im Januar nach der Zwischenstation in Südafrika wieder nach Australien zurückkehren können. Mit dem neuen Moderator und „sehr geschätzten Sendergesicht“ Jan Köppen. Aber wahrscheinlich ohne die Produzentin. Zu viel Aufriss, allein die Reise Down Under, zwei Tage hin, zwei Tage zurück. Das Team wisse auch ohne sie, „wie man eine unterhaltsame, große Show produziert“. In ihrem ersten Jahr bei ITV war sie aber schon dort unten, „um die Anatomie des Formats zu verstehen“. Es war für sie ein Schock im Positiven: „Was wird hier denn abgefeiert? 400 Leute vor und hinter der Kamera, diese Gigantomanie“ – so was hatte sie zuvor noch nicht erlebt.
Es gibt da noch zwei Reality-Formate aus dem internationalen ITV-Katalog, die würde Christiane Ruff gerne für Deutschland adaptieren. Darunter „ein richtiger Straßenfeger“ aus England: „Richter, Quizmaster oder Nachrichtensprecher studieren Musical-Nummern ein, dass es einem die Schuhe auszieht. Einfach mitreißend!“ Zu ihrem Bedauern konnte die Show bisher nicht verkauft werden.
Außer Reality hat Ruffs Reich freilich noch andere Genres im Angebot, nicht nur beständige Quiz-Hits („Gefragt, gejagt“ im Ersten) oder moderne Sitcoms („Nix Festes“ auf ZDFneo). ITV in Deutschland ist ja in diesem Sommer gewachsen, Imago TV als Spezialist für Factual Entertainment und die Talpa Fiction sind jetzt in die Firma integriert. Mehraufgaben kamen damit auf die CEO hinzu, sodass sie – Ihr Alter! Ihre Ressourcen! – ein bisschen um ihre Work-Life-Balance bangte. Mit 23 Direct Reports hatte sie es Ende letzten Jahres zu tun; kluge Leute sagen, zehn reichen. Also verteilte Christiane Ruff Bereichsverantwortlichkeiten auf mehrere Schultern. So hat sie nun den Kopf frei „für das große Ganze“, für strategische Überlegungen, „wie man diese Firma gut in die Zukunft führt“.
Denn der Markt verändert sich rasant. Sender gründen ihre eigenen Produktionsfirmen, siehe Pyjama Pictures, siehe Cheerio, siehe RTL Studios. „Die Reise geht dahin, möglichst viel in der eigenen Konzernkasse zu halten, was natürlich für uns Produzenten draußen schwieriger werden kann“, befürchtet die ITV-Chefin. Sorge bereitet ihr auch, wie man den Sparvorgaben von Sendern und Streamern begegnen soll, die ein qualitativ hochwertiges Produkt erwarten, aber weniger bezahlen wollen. In den letzten acht Jahren habe sie bereits immer wieder erlebt, dass sie bei TV-Produktionen Geld mitbringen mussten. Kein Verdienst oder Marge gegen Null, „das kann’s nicht sein, dass wir zum Selbstkostenpreis produzieren, wenn wir keine Rechte behalten können.“
Na, da fragen wir doch konkret mal nach: Wie hält sich die Waage zwischen Produktionsaufwand und Ertrag beim aktuellen Format „Love is King“?
„Pro Sieben hat uns ein gutes Budget zur Verfügung gestellt“, antwortet die Produzentin diplomatisch, dann kommt aber die Einschränkung: „Da wir allerdings auch exzellente Qualität abliefern wollten, war die Marge am Ende geringer als geplant. Dafür sind wir umso glücklicher mit dem wertigen Ergebnis.“
„Prinz“ Jerome, der voll tätowierte Ofensteuermann aus Duisburg, der in der zweiten Episode rausflog, scheint zwar nicht ganz so zufrieden gewesen zu sein mit dem wertigen Setting („Natürlich is dat nich meine Einrichtung. Veraltet, quasi“). Aber gut, die Dating-Show verbreitet einen schön anzusehenden Hauch von „Bridgerton“-Lifestyle. Und sie verbindet auf jeden Fall zwei private Leidenschaften, denen Christiane Ruff frönt und die hier zum Schluss nicht unerwähnt bleiben sollten: dem Paartanz und der englischen Gartenkultur.
Das Tanzen nahm sie nach jahrzehntelanger Pause wieder auf im ITV-Tanzclub, den ihr Vorgänger Kromschröder ins Leben rief. Das Ziel war: im Warm-up von „Let’s Dance“ auftreten. Hat geklappt. Leider lassen sich davon keine Video-Beweise finden, aber man kann davon ausgehen, dass Christiane Ruff Quadrille und Sarabande wohl genauso gut hinbekäme wie Walzer und Cha Cha Cha. Bei „Love is King“ wird ja so was Altmodisches getanzt und dazu auf feinem Rasen gebalzt, dass die Royals in UK neidisch werden könnten. Womit wir bei Ruffs Leidenschaft Nummer zwei wären.
Nein, ein „Royal-Fan“ sei sie nicht, obwohl sie der Tod der Queen wie viele Menschen auf der ganzen Welt emotional sehr berührt habe. „Sie war halt immer da – seitdem ich auf der Welt bin.“ Aber an königlichen Gärten, daran kann sie sich, die nur einen Balkon besitzt, sehr erfreuen.
So lustwandelte sie unlängst nach einem Firmentreffen in London im Garten von Charles, als der noch Prince war, in Highgrove Garden. War ein Erlebnis! Charles soll manchmal dort mitzupfen. Leider nicht an dem Tag, als sie da war.
Man muss sich also nicht sorgen, dass sich Christiane Ruff irgendwann, wenn es mit der TV-Rente endgültig so weit ist, langweiligen könnte. Mit 62 mache sie sich natürlich Gedanken, wie lange die Reise noch geht. „Noch zwei, drei, vielleicht vier Jahre? Dann sollte aber das Feld gut bestellt sein für das, was danach kommt.“