Wäre Braut ein Beruf, sie hätte ihn ergriffen. Das hat Nanni Erben im Podcast ihres Ober-Boss Marcus Wolter einmal verraten. Jeden Tag einen Traum aus Taft und Tüll tragen, am liebsten das Modell von Lady Di, das sie vor dem Fernseher bewunderte, wie fabelhaft wäre das denn? Doch die Realität ist hart respektive passen sich frühkindliche Berufswünsche ihr notgedrungen an. Nur einmal zog die Tochter einer Modedesignerin und eines Dokumentar-Kameramanns ein Brautkleid an (Gratulation an den Ehemann!). Ihr größtes berufliches Glück fand sie trotzdem: „Ich darf Produzentin sein“, ruft die Co-Chefin der MadeFor Film fröhlich-selig jedem zu, der sie danach fragt.
Eine Win-Win-Situation ist das obendrein, denn die eine und andere Braut hat Nanni Erben in der Produzentenrolle schon ins Fernsehen gebracht.
Einem besonders tragischen Exemplar gedachte die Welt vergangene Woche. Am 31. August 1997 verunglückte die Princess of Wales in einem Pariser Autotunnel, 16 Sommer nach der im Fernsehen übertragenen Eheschließung mit weltweit mehr als 750 Millionen Zuschauern plus der siebenjährigen Nanni aus dem rheinhessischen Nieder-Olm. Von einer solchen Rekordeinschaltquote waren die zu Dianas 25. Todestag gesendeten Hagiographien hierzulande natürlich weit entfernt. Auch Erbens MadeFor Film steuerte im ZDF mit „Dianas letzte Nacht“ ein Werk zum Gedenken bei, das halb dokumentarisch, halb fiktional mit den wildesten Verschwörungstheorien um ihren Tod aufräumt und nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Resonanz (2,41 Mio. Zuschauer) Produzentin wie Sender zufriedenstellte.
Es gibt aber natürlich noch weit mehr als nur Bräute-Stoff in Nanni Erbens Filmschaffen. In ihren nunmehr 48 Lebensjahren hat sie mehr als 100 TV-Produktionen verantwortet, darunter allein 30 „Tatort“-Episoden und sechs Herzkino-Staffeln von „Marie fängt Feuer“, historische Event-Serien wie „Ottilie von Faber-Castell“, drei Staffeln der Sitcom „Frau Jordan stellt gleich“ und die Instant-Serie „Loving her“ über lesbische Liebe. Film und Serie ist also ihr Metier. Da drängt sich schon die Frage auf: Wie läuft es eigentlich so, seit Erbens MadeFor Teil des auf Shows wie „The Masked Singer“ spezialisierten Produktionsverbundes Banijay Germany geworden ist?
Wer sich dort mit ihr digital verabredet, kommt von den schwarz-weißen Augenfängern im Hintergrund kaum los. Isabelle Adjani, Jane Birkin und Nadja Tiller, alle drei Diven in ihrer Leinwandblüte und von Li Erben porträtiert, Nanni Erbens Tante. Als jüngste Standfotografin hatte diese 1958 beim deutschen Film angefangen und „Filmstills für die Ewigkeit“ geschaffen, wie der vormalige Berlinale-Chef Dieter Kosslick lobte. Später holte Li Erben für „Brigitte“ und „Paris Match“ Persönlichkeiten vor die Linse, deren Namen posthum noch immer schillern: Fellini! Chagall! Dalí! (Diana, die meistfotografierte Frau der Welt, war übrigens nicht dabei.)
Nichte und Tante begleiten das jeweilige Schaffen sehr interessiert. Klingelt das Festnetztelefon, weiß Nanni Erben, es sind entweder ihre Eltern dran oder Li Erben mit einem „immer sehr ehrlichen“ Feedback. „Zum Glück gefällt ihr meistens, was ich mache.“
Eine familiär visuell-kreative Vorbelastung ist also nicht von der Hand zu weisen. Noch größeren Einfluss auf ihren Werdegang übten freilich Nanni Erbens Eltern aus, die sie als konservative Hippies und Vorbilder beschreibt. Während Monika Erben erfolgreich Batik-Mode entwarf, drehte Harald Erben Asien-Dokus fürs ZDF. Singapur wurde Nanni Erbens Geburtsort. 1978 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, ins besagte Nieder-Olm, das eine Viertelautostunde vom Mainzer Lerchenberg gelegen ist, wo die Erben-Tochter nach dem Abitur als Aufnahmeleiterin jobbte. Die Leidenschaft zum Geschichtenerzählen trieb sie schließlich nach Ludwigsburg, wo sie sich 1996 für den Studiengang Produktion einschrieb. Nico Hoffmann, ihr Prof an der Filmakademie, vermittelte die erste Stelle, und so wurde die diplomierte Absolventin eines Tages auf dem Anrufbeantworter von einer tiefen Stimme überrascht: Hier ist Regina Ziegler, ich würde Sie gerne kennenlernen.
Aus der ersten Begegnung wurden 12 Lehrjahre, in denen Nanni Erben „Lauter tolle Frauen“ auf den Freitagabend im Ersten beförderte wie das „Vollweib“ Christine Neubauer. Diese RomKoms, die die Feierabendlust auf Süßstoff mit einem Schuss Emanzipation befriedigten, würde man gemeinhin nicht als „Filme für die Ewigkeit“ bezeichnen, aber, hey, sie waren quotenstark. Nach und nach sammelte die Junior-Producerin auch Erfahrung im Krimi- und Doku-Fach, ließ „Die Karawane“ durch die Mongolei ziehen und arbeitete an einer Stasi-Story mit und das sehr gezielt.
Denn so jung sie im Job war, legte Nanni Erben schon bei den Zieglers großen Wert darauf, sich als Produzentin eine große Bandbreite zu eigen zu machen. Bloß nicht festgelegt werden auf ein Genre! „Das passiert in Deutschland leider immer sehr schnell“, bedauert sie und erzählt dann von Regisseurinnen, die bei ihr anriefen und klagten, ich habe viele Komödien gemacht, niemand lässt mich an einen Krimi ran. „Dann frage ich mich schon, warum ist das so und muss das sein?“
Quirin Berg und Max Wiedemann prägten Nanni Erbens nächstes Jahrzehnt als Produzentin, was vice versa wohl ebenso gilt. Neu und anders war für sie anfangs die Zusammenarbeit, aber der Austausch „immer ein Genuss“. Die Männer in München ließen die Frau in Berlin eine Dependance der Wiedemann & Berg Filmproduktion aufbauen. Als es 2020 zur Trennung kam, die „wirklich sehr freundschaftlich und unproblematisch“ verlief, war selbstverständlich, dass Erben die eigenen akquirierten Projekte in der MadeFor fortführt. Also auch die „Tatorte“ in Weimar und Dresden.
Skurril und schwarzhumorig der eine, hart und mit einem weiblichen Doppel-Team besetzt der andere – gerade auch in dieser Unterschiedlichkeit das Hochamt des Fernsehens am Sonntagabend mit dem MDR bespielen zu dürfen, ist für Nanni Erben „ein besonderes Geschenk“. Deshalb muss es sie schmerzen, dass der Weimar-„Tatort“ aktuell ruht; eine neue Episode mit Tschirner/Ulmen ist jedenfalls nicht in Planung. Dafür wurde der erste „Tatort“ in Berlin mit der neuen Kommissarin Corinna Harfouch an der Seite von Mark Waschke gerade frisch abgedreht.
Sendetermin des „Tatorts“ aus dem aktuell arg affärengebeutelten RBB ist irgendwann im nächsten Jahr. Wird trotzdem bestimmt sehr gut. Bei diesem Besetzungscoup! Außerdem hat ja die MadeFor jetzt die geballte Banijay-Power im Rücken und kann, so hat es der CEO versprochen, „auf all unsere Unterstützung bauen“, nicht wahr?
„Wir profitieren ganz klar vom nationalen und internationalen Netzwerk der Banijay“, antwortet Nanni Erben, ohne allzu nah ins Detail gehen zu wollen. Dass sie im dritten Jahr der Zugehörigkeit den „kreativen Unternehmergeist“, den die Banijay „lebt“, völlig verinnerlicht hat, spiegelt jeder ihrer Sätze, die den Gruppen-Boss erröten lassen müssen: Marcus Wolter fördere den kreativen und unternehmerischen Austausch innerhalb der Gruppe sehr, charmiert seine Fiction-Spezialistin. Alle Firmen und Labels agierten eigenständig und individuell, eine überholte Konzern- oder Berichtstruktur gebe es nicht, was sie gerade in Zeiten struktureller Zusammenführungen ausgesprochen wertvoll finde. Die schönste Unterstützung sei, „dass Marcus Wolter an uns und unsere Visionen glaubt und unsere Leidenschaft und Begeisterung für Projekte teilt, auch wenn es mal Niederlagen gibt."
Die gab es in der jüngeren Vergangenheit der Grimme-Preis-gekrönten Produzentin (für den Berliner „Tatort: Meta“) ja schon auch. So schaffte es die für RTL+ produzierte Serie „Mirella Schulze rettet die Welt“ im Vorjahr nicht über die erste Staffel hinaus, was Erben noch immer rätseln lässt: „Vielleicht wäre es besser gelaufen, wenn wir nie erwähnt hätten, dass es um Klimawandel und Greta Thunberg geht, sondern dass es sich einfach um eine neue Family-Sitcom handelt?“
Aber auch Marcus Wolter selbst musste schon einen Misserfolg einstecken, wie er in seinem Podcast ausplauderte: Als er mal mit einer Idee für einen Film an Nanni Erben herantrat, sei er knallhart bei ihr abgeblitzt. Taugt nicht. Besser nicht. Macht aber nichts.
Auf den Berg darf Nanni Erben selbstverständlich trotzdem mit.
Noch vor der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises am 13./14. September, dessen Jury die MadeFor-Chefin angehört, scheucht Marcus Wolter wie jedes Jahr seine Führungsköpfe hinauf ins Gebirge nach Maria Alm, um eingebettet zwischen Steinernem Meer und Hochkönig nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe zu stärken. Die alpine Klausur dient auch der Manöverkritik, dem Brainstorming, der Vorfreude auf neue Projekte. Alles strengstens geheim natürlich; während der Seminare muss das Handy, Pssst!, ausbleiben.
Aber wer weiß, vielleicht wird sich das eine oder andere Gespräch auch um eine Braut drehen?