Hurra, die fabelhafte Schauspielerin Caroline Peters ist im Krimi-Fach zurück! Und jetzt kommt das große Aber: leider nicht im Ersten und leider nicht in ihrer Paraderolle als Kölner Kriminalkommissarin Sophie Haas, die in der ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ auf unvergleichliche Art Humor und Farbe ins Genre gezaubert hat. Die neue ZDF-Reihe „Kolleginnen“, die heute Abend linear Premiere hat mit Peters in der Ermittlerhauptrolle, ist nun das glatte Gegenteil.
Keine Stilisierungen, keine Übertreibungen, keine Comedy. Alles furchtbar ernst. Ist auch nicht schlecht. Wo Caroline Peters draufsteht, steckt schließlich Caroline-Peters-Schauspielkunst drin. In der Pressemappe von „Kolleginnen“ lässt sie sich mit dem durchaus nachvollziehbaren Satz zitieren, „warum nicht mal eine ernste Ermittlerin spielen?“
Die Spurensuche führt ans andere Ende der Telefonleitung nach Wien. In Wien hat die Schauspielerin, die vor 50 Jahren in Mainz geboren und in Köln sozialisiert wurde, Wurzeln geschlagen, seit die große „Burg“ sie 2004 vom Fleck weg in ihr Ensemble engagierte. „Die Peters“ war also in Bühnenkreisen bereits ein Star, bevor sie auch im Fernsehen berühmt wurde und diese Berühmtheit selbst im Urlaub am französischen Strand keine Pause einlegte (die sehr lustige Geschichte, wie sich eine barbusige ältere Dame ins Zelt beugte „aber Sie sind doch die Blonde aus ,Mord mit Aussicht‘“, erzählte Peters vorige Woche in dieser Talkshow).
Und auf die Bühne wird sie nach unserem Telefonat auch zurückkehren, allerdings in Berlin. „ödipus“ stand vorige Woche auf dem Spielplan der Schaubühne mit Caroline Peters als Jokaste respektive Christina, wie Ödipus‘ Mutter in diesem Stück heißt. Es ist, so viel Exkurs muss sein, eine Klassikerübersetzung in die Jetztzeit. Von der Autorin und Dramaturgin erfährt man in einem Interview-Trailer des Theaters, dass es ihr wichtig war, dass in dem Stoff „genauso viele Frauen wie Männer vorkommen“ und dass es „nicht nur ein reiner Männerstoff ist“.
Womit wir bei „Kolleginnen“ wären.
Dem ZDF ist es wichtig herauszuheben, dass es zwar viele Ermittlerduos im Fernsehen gibt, Frauen-Doppel darunter aber nur wenige. Und hurra, mit Caroline Peters als Berliner Kommissarin Irene Gaup und Natalia Belitski als „Kollegin“ Julia Jungklaus präsentiert der Sender nun auch so eine seltene Paarung, die es beim ARD-„Tatort“ in Ludwigshafen und Zürich allerdings schon länger gibt. Ob man in der Krimischwemme allein mit zwei TV-Kommissarinnen im Hauptcast auffällt, zumal diese in der abgegriffenen Feuer-trifft-auf-Wasser-Konstellation auftreten: hier die herzenswarme Irene, dort die eiskalte Julia? Das ZDF legt werbemäßig sicherheitshalber noch einen drauf.
Frauen, die von Frauen erzählen
Weil mit Annette Simon (Buch) und Vanessa Jopp (Regie) noch zwei weitere wichtige Frauen im neuen Krimi-Reihe-Projekt involviert sind, kommt aus Mainz der bemerkenswerte Satz: „Vier Frauen, die von Frauen erzählen.“ Ganz schön viel PR-Theater ums Geschlecht.
Aber ist „vier Frauen, die von Frauen erzählen“ wirklich besonders?
„Ich habe das Gefühl, es ist wieder zur Besonderheit geworden“, sagt Caroline Peters. Als sie um die Jahrtausendwende mit Drehen anfing, habe sie es „fast ausschließlich mit Frauen zu tun gehabt, und zwar in allen Positionen“. Und besonders oft und erfolgreich hatte sie es mit Isabel Kleefeld als Regisseurin und Autorin zu tun; für das gemeinsame Dorfkrimiwerk „Arnies Welt“ zum Beispiel gab es 2007 den Grimme-Preis. Dass in einer Drehbuchbesprechung ein einziger Mann unter 15 Personen saß, ist in Peters‘ Erinnerung „so völlig anders“ gewesen, als sie es vom Theater kannte, wo es ja nach wie vor doch recht, wie die Amerikaner sagen, white male zugeht. „Ich hab’s damals genossen: Wow, die Fernsehwelt ist ja drei Klassen weiter!“
Und heute? Auf einmal sei es wieder ein Alleinstellungsmerkmal, wenn Frauen in der Überzahl sind, was Caroline Peters besorgniserregend findet: „Das sind doch nicht alles Frauen, die ihren Job ausüben, weil sie Frauen sind, sondern weil sie begabte Hersteller von Fernsehkunst sind.“ Ihre Sorge untermauert die Schauspielerin mit Analysen der Vereinigung Pro Quote: Schon 2014 stellte man dort fest, dass Frauen in der Bilderwelt der TV-Sender als Kommissarinnen oder Moderatorinnen zwar sichtbar sind. Inszenieren würden diese Bilder aber zumeist Männer.
Ob sie mit einem Regisseur oder einer Regisseurin dreht, macht für Caroline Peters indes keinen Unterschied. Es komme ihr auf die „Persönlichkeit“ an: „Regie, Kamera, Schauspiel – da schaue ich in erster Linie, wie man gemeinsam tickt in Geschmack und Inhalt.“ Auch habe sie bei der Rollenauswahl bislang nie in der Stabsliste (sofern sie ihr bei Vertragsabschluss überhaupt komplett vorliegt) nachgezählt: wie viele Frauen sind dabei, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund, wie viele über 50... Denn grundsätzlich findet sie: „Es sollen diejenigen den Job bekommen, die ihn am besten können.“
Solche grundsätzlichen Gendergedanken waren ja auch im Jahr 2008, als dieses wie ein Volksschwang angelegte Krimidings „Mord mit Aussicht“ im TV aufschlug, noch nicht von derart öffentlicher Relevanz und Brisanz wie heute. Stattdessen diskutierte man über immer kürzere Drehzeiten, die ein „kreatives Ausleben“ erschwerten – und Caroline Peters‘ Spielkollegen Bjarne Mädel, der den leicht depperten Dorfpolizisten Dietmar Schäffer mimte, schließlich zum Serienausstieg bewegten. Ein 90-minütiges Weihnachtsspecial gab es 2015 noch, danach war Schluss mit lustig. Oder wie es offiziell hieß: kreative Pause.
Nie verstanden, warum Schluss war
Caroline Peters alias Sophie Haas geht es wie den Fans der Serie: „Ich habe nie verstanden, warum wir auf dem Höhepunkt unserer Schaffenskraft und unseres Erfolges aufhören mussten. Es kommt nur auf die Quote an, hatte ich gelernt.“ Und dann machte sie die umgekehrte Erfahrung: „Als wir anfangs wenig Quote hatten, wurde ,Mord mit Aussicht‘ fortgesetzt, weil viele darin eine große Qualität sahen. Dann wurde die Quote erreicht...“ Und nach einer Kunstpause setzt Peters lachend fort: „Also, es war schon sehr verblüffend. Das kann ich nicht anders sagen.“
Die nicht enden wollende „kreative Pause“ war für die Kommissarin-Darstellerin „schon eine Zeitlang eine Hängepartie“: Kommt da noch was? „Niemand sagte, ob es nur eine Pause ist oder ein Ende. Und dann wendet man sich halt anderen Projekten zu, wofür ich inzwischen sehr dankbar bin."
„Fantastische Produktionen“ waren dabei, die ihr schauspielerisch „viel Freude und Erfüllung“ brachten, darunter auch Kinoarbeiten wie Sönke Wortmanns „Der Vorname“, das von einem Millionenpublikum wertgeschätzt wurde (und demnächst mit „Der Nachname“ einen Nachfolger hat). Doch dann kam im März 2020 der erste Lockdown. Und Caroline Peters fand sich von einem Tag auf den anderen in Wien vor und hatte nichts zu spielen, weder im Theater noch im TV. Fern ab in Berlin wurde der erste Drehtag von „Das böse Mädchen“, wie die erste Folge von „Kolleginnen“ betitelt ist, auf unbestimmte Zeit verschoben.
Ihre Spiellust lebte sie, wie so viele andere Kreative der darstellenden Kunst, fortan auf Instagram aus. Kinderbücher las Caroline Peters zunächst vor und arbeitete sich dann vor bis zu diesem herrlich-anarchischen Osterdramolett, das sie mit ihrem Lebenspartner Frank Dehner improvisierte just im eigenen Postkartenladen, den das Fotografie liebende Paar im 5. Bezirk betreibt. Und wenn man sieht, wie sie als Jesus mit angemaltem Bart und Dornenkranz im Haar Ostereier bemalt und Fruchtbarkeitstänze aufführt, denkt man sich: Was für eine begnadete Komödiantin diese Caroline Peters doch ist!
Womit wir wieder bei „Mord mit Aussicht“ wären.
Im März wird es, wie gesagt, eine Neuauflage des Serienhits geben. Aber niemand, also der ausführende WDR nicht, hat bei Caroline Peters nachgefragt, ob sie nach der „kreativen Pause“ zurückkommen wolle. Damals hätte sie ja gerne weitergemacht, „auch weil wir im Team so verwachsen und familiär waren und sich daraus kreative Schübe und Ideen entwickelten“. Wenn man so was acht Jahre lang brach liegen lasse – wie kocht man das wieder auf? „Am besten gar nicht“, glaubt Peters heute, „insofern: Das neue Team soll ruhig machen. Ich wünsche ihm viel Glück.“
„Kolleginnen“ im ZDF gilt jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit, und wenn es gut läuft, könnte daraus ein längeres Projekt werden; die zweite Folge ist jedenfalls schon abgedreht. Da gefühlt 80 Prozent aller im deutschen Fernsehen angebotenen Hauptrollen Kommissarinnen sind – was bleibt ihr, die selbst keine Krimis liest und schaut („Mich entspannt das gar nicht.“) auch für eine andere Wahl, als sich wieder in die Ermittlerwelt hineinzudenken?
„Im Krimi lässt sich ja alles Mögliche verhandeln“, hört man eine salomonische Caroline Peters am anderen Ende der Leitung sagen. Für die Figur der Irene Gaup hätte sie sich dennoch „durchaus auch eine andere Rahmung vorstellen können“ als den Polizeiberuf: „Wir setzen ein an einem Punkt, wo sie den Boden ihrer Karriere und ihres Lebens erreicht hat.“ Das fand die Schauspielerin als Spielaufgabe dann doch „sehr reizvoll“.
Dass private Umbrüche (Irene Gaup lebt getrennt von ihrem Mann, der ausgerechnet mit ihrer Kollegin Julia ein Verhältnis hat) und innere Wunden (die verwahrloste Beziehung zur Mutter) fast immerzu in Drama-Form verhandelt werden, wo man doch jedes noch so ernste Thema des Lebens in Komödien verpacken könnte?
Ach ja, schade drum, würde wohl auch die Komödiantin Caroline Peters beipflichten.
Papatschi!