Als Bernd Reichart, im Jahr 2017 noch Vox-Chef, beschloss, dem "Club der roten Bänder" keine vierte Staffel folgen zu lassen, war die Enttäuschung bei den Fans der Serie riesengroß. Sie hatten sich über drei mal zehn Episoden auf eine Achterbahn der Gefühle begeben, hatten geweint und gelacht mit den sechs jungen Patienten, die im fiktiven Albertus-Klinikum in Köln um ihr Leben kämpfen und mit jeder OP ein rotes Band am Handgelenk ansammeln. Beachtlich waren die Quoten, hymnisch die TV-Kritiken, generös die Preisjurys. Sollte auf dem Höhepunkt des Erfolgs wirklich Schluss sein?

Wie wir seit kurzem wissen: Der Serientod war nicht für immer.

Fiction-Chef Hauke Bartel ließ wissen, dass man bei RTL-Deutschland an einer Neuauflage arbeite. Eine neue Generation vom "Club der roten Bänder" soll erzählt werden. Als Produzentin ist erneut Gerda Müller von der Bantry Bay dabei. Für einen der Hauptdarsteller des alten "Clubs" gibt es ebenso ein Comeback, nur in anderer Rolle als bisher.

Nick Julius Schuck war der Jüngste und Kleinste von allen, gerade mal 13, als er den Komapatienten Hugo Krüger in der Vox-Serie spielte. Was heißt spielte! Er verbrachte die erste Staffel meist regungslos im Bett, weil sein Hugo beim Sprung vom 10-Meter-Turm im Schwimmbad verunglückt war. Im Tiefschlaf bekam er trotzdem mit, wie sich Leo, Jonas, Emma, Alex und Toni um ihn kümmerten. Als Erzähler im Off kommentierte er das Geschehen. Mit David Bowies "Heroes" gelang es der Club-Gang schließlich, Hugo aus seiner Zwischenwelt zurück ins Leben zu singen.

Im echten Leben ist Schuck inzwischen 23 Jahre jung und arbeitet nach wie vor als Schauspieler. Groß ist der einstige Kinderstar geworden, 1,75 Meter ausweislich des Profils bei seiner Agentur. Was dort nicht steht: Dass der gebürtige Kölner seit längerem und sehr ernsthaft eine Zweitkarriere als Produzent verfolgt.

Nahtlos an den Bachelor in "Kreativem Produzieren" an der Internationalen Filmschule Köln (ifs) hat sich Schucks erster fester Job angeschlossen: Seit 1. März arbeitet er als Junior Producer bei der Bantry Bay. Also bei jener Produktionsfirma, die die "Club"-Geschichte vor zehn Jahren ins Fernsehen brachte. Deren Reanimation wird er nun mit verantworten, nicht vor der Kamera, sondern dahinter.

Für ihn schließe sich damit "auf wundersame Weise ein Kreis", sagt der angehende schauspielernde Produzent in unserem Gespräch ein paar Tage vor einer New York-Reise, mit der er sich für den frisch bestandenen Filmschulabschluss belohnt. Oder müsste man ihn eher als produzierenden Schauspieler bezeichnen?

Beides, die Schauspielerei und das Producing, lasse sich "sehr gut miteinander verbinden", findet Schuck. Parallel zu den Jobs als Schauspieler habe er immer wieder selbst Kurzfilme gedreht und Musikvideos produziert. Es gefalle ihm, dass er sich auch "auf eine andere Art in den kreativen Prozess des Filmemachens einbringen kann".

In der ZDFneo-Serie "BFF – Best Family Forever" im vorigen Jahr war er zum ersten Mal in doppelter Funktion im Einsatz: als Werkstudent der Bantry Bay hinter der Kamera und davor mit einem kleinen Gastauftritt. Jetzt steht für ihn ein echtes "Herzensprojekt" an.

Nick Julius Schuck © Cedric Sprick
So wie auch Hauke Bartels Herz am "Club der roten Bänder" hängt, weil es für ihn vor zehn Jahren die erste Eigenproduktion war, mit der er sich frisch von der Uni kommend bei Vox beschäftigen durfte, so geht es auch Nick Julius Schuck. Nur schlagen, um im Bild zu bleiben, doch bestimmt gleich zwei Herzen in seiner Brust: das des Produzenten, der die Kreativität im finanzierbaren Rahmen halten muss, und das des Grenzen sprengen wollenden Künstlers. Wie gut sich das miteinander verträgt?

Als Clash zweier Welten habe er das bisher nicht empfunden, antwortet Schuck, er habe "eher das Gefühl, dass es Synergien gibt". Klar, als Produzent müsse er auf die Zeit achten, im Budget bleiben, die ganze Orga auf die Reihe kriegen. Aber auch da könne er "aus produktioneller Sicht sehr kreativ sein in der Herangehensweise an Themen und Figuren, und zwar von der ersten Idee bis hin zur Ausstrahlung, natürlich im engen Austausch mit Buch, Regie und Redaktion".

An der Schauspielerei wiederum gefalle ihm so gut, dass er in unterschiedliche Rollen hineinschlüpfen dürfe und damit "einen kleinen Teil von einer Produktion zum Leben erwecke". Das macht Nick Julius Schuck immerhin schon seit seinem sechsten Lebensjahr.

Bei Anke Engelkes "Ladykracher" fing er 2008 klein an, nachdem ihn die Oma, selbst aktiv als Komparsin, zum Casting bei Brainpool gelotst hatte. Schucks Eltern hatten mit Film und Fernsehen nichts zu tun. Der Vater arbeitete bei einer Versicherung, die Mutter betrieb eine KiTa. Dass sie seine Aktivitäten neben der Schule unterstützten, dafür ist er ihnen "sehr dankbar".

Das Wort lässt Schuck übrigens 17-mal (!) in unserem Gespräch fallen. Diese anscheinend ausgeprägte Demut, sie wirkt auch ein bisschen antrainiert wie bei vielen anderen seiner schauspielernden Kolleginnen und Kollegen.

"Dankbar" ist Schuck jedenfalls ebenso für die Unterstützung von Freunden und Lehrern. Denn das Drehen nach Schulschluss oder in den Ferien war "nicht immer nur einfach" für ihn. Nicht alle an der Schule fanden sein Filmschaffen so toll wie der Direx. Der sagte ihm oft: "Nick, die Erfahrungen, die du am Set, ob in Deutschland oder im Ausland, machst, kannst du so in der Schule nicht machen."

Und so ließ der Schulleiter ihn ziehen, nach Prag für die KiKa-Serie "Sturmfrei", nach Rom für den ARD-Film "Sommer in Rom", nach New York für die ZDF-Reihe "Katie Fforde", auch nach Köln-Hürth für "Alarm für Cobra 11". Da nimmt man Schuck zweifelsohne ab, wenn er sagt: "Schule war Pflicht und nicht zwingend immer schön, der Dreh dafür umso schöner."

Die Themen seiner frühen Filme waren allerdings auch nicht immer zwingend schön.

Sein Spielfilmdebüt gab der Schüler Nick Julius Schuck in dem ARD-Drama "Der letzte schöne Tag" an der Seite von Filmvater Wotan Wilke Möhring. Als gerade mal Zehnjähriger musste er sich in den Kummer eines Sohnes hineinversetzen, dessen depressive Mutter (Julia Koschitz) sich das Leben nimmt. Diese Tragödie, mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, war für Zuschauer zum Heulen ergreifend, aber wie sehr muss sie erst die Darsteller berührt haben?

Schucks Vater gab zunächst sein Veto, als die Anfrage hereinkam. Nee, das können wir nicht machen, so kann man nicht ein Kind in eine Produktion stürzen. Der Sprung vom lustigen "Ladykracher" war ja auch wirklich sehr krass. Doch Regisseur Johannes Fabrick leistete erfolgreich Überzeugungsarbeit.

Junger Schauspieler, herausfordernde Figuren

Auch während der sehr intensiven Dreharbeiten fand Fabrick einen guten Weg, um Rolle und Person klar zu trennen: Er legte einen Hula-Hoop-Reifen an die Stelle, wo Schuck räumlich in die Szene startete, und dorthin, wo er wieder herauskam. Auch eine medienpädagogische Fachkraft war immer dabei. Überhaupt, erinnert sich Schuck, sei sehr viel Wert darauf gelegt worden, dass bei aller Schwere und Realitätsnähe des Themas "trotzdem ein Wohlbefinden am Set" da war und man "die Drehtage genießen" konnte.

Der Gefühlsspagat gelang Schuck offenbar so gut, dass man ihm fortan weitere Hauptrollen im emotional strapaziösen Fach zutraute. In der ZDF-Dramaserie "Fritzie – Der Himmel muss warten" zum Beispiel war er bis 2023 vier Staffeln lang als Sohn einer an Brustkrebs erkrankten Lehrerin (Tanja Wedhorn) zu sehen. Zuvor spielte er die Rolle seines (bisherigen) Lebens: die des Hugo in "Club der roten Bänder".

Nick Julius Schuck © Cedric Sprick
Mit dieser Serie ist Nick Julius Schuck erwachsen geworden, hat die prägenden Jahre der Pubertät bis zur Volljährigkeit damit verbracht. Parallel zum Release des Kinofilms 2018, der die Vorgeschichte der Club-Mitglieder erzählt, machte er Abitur. Film wie Serie seien für ihn sowohl als Schauspieler als auch als Mensch "eine tolle Reise" gewesen, sagt er.

Der Stoff habe auch mit ihm "super viel gemacht". Die Rückmeldung zu bekommen, wie die Geschichte von Freundschaft über Krankheit und Tod hinaus die Menschen berührt, wie sie manchen Mut macht und Stärke gibt, Krebs, Magersucht und sonstiges Leid zu bewältigen, habe er am meisten geschätzt. Er möchte weiterhin solche Geschichten erzählen, "die die Schwere des Lebens authentisch zeigen und trotzdem unterhaltsam sind."

Albert Espinosa, der Mann, auf dessen Lebensgeschichte die Vox-Serie beruht, lobte die deutsche Adaption des katalanischen Originals "Polseres vermelles" als die weltweit beste. Den Erfolg von "Club der roten Bänder" konnte Vox indes nie wieder toppen. "Tonis Welt", der Versuch eines Spin-Offs mit der von Ivo Kortlang verkörperten Figur Toni, reichte nach Quote da nicht heran. Die Erwartungshaltung, dass der neue "Club" an den alten Erfolg anknüpft, ist entsprechend groß.

"Sehr mutig" findet Nils Julius Schuck denn auch den Vorstoß von RTL, den "Club" mit einer neuen Generation wieder aufleben zu lassen, "mit neuen Krankheitsbildern und mit den Themen, die die Jugendlichen heute umtreiben".

Gut, der Mut reicht senderseits diesmal nur für sechs statt zehn Folgen. Aber mit Schuck haben sich RTL und die Bantry Bay auf jeden Fall einen Spezialisten für Neuauflagen geholt, zumindest in der Theorie. In der Praxis muss sich das ja noch beweisen.

In seiner Bachelor-Arbeit befasste sich der angehende Produzent nämlich genau mit diesem weltweiten Trend, Marken wieder aufleben zu lassen oder Bücher zu verfilmen. Er analysierte, welche Arten von Reboots und Remakes es gibt und "wo man bestimmte Stellschrauben anziehen kann", damit sie die hohen Erwartungen auf dem Markt dann tatsächlich einlösen.

Auf Nachfrage behält er die Details leider für sich. Betriebsgeheimnis offenbar. Schuck lässt sich nur das entlocken: Ein großes Erbe anzutreten, sei "Chance und Herausforderung zugleich". Man müsse dem Original "Respekt zollen" und trotzdem versuchen, "einen neuen, frischen Ansatz reinzubringen". Was er sich für den "Club"-Reboot wünscht? "Dass wir es noch mal schaffen, die Emotionen so rüberzubringen, wie das in den ersten drei Staffeln und im Kinofilm der Fall war." Er sei "zuversichtlich, dass das auch mit den neuen Figuren gelingt."

Neue Autoren für "Club"-Neuauflage

Er verhehlt nicht, dass damals das Serien-Aus auch bei ihm viele Emotionen auslöste. Er hätte den "Club" gerne noch ein paar Jahre weitergeführt. Im Nachhinein habe "Bernd" (Reichart) aber ein gutes Gespür gehabt: "Dramaturgisch war es absolut legitim und richtig. Wir hatten einen schönen Erzählbogen, der bis zum Ende von Staffel drei reichte." Der nachfolgende Kinofilm sei "mehr als nur ein schöner Zusatz" gewesen. "Jetzt ist es vom Bauchgefühl her das Richtige, mit neuen Figuren weiterzumachen."

Bei Auskünften über das aktuelle Entwicklungsstadium bleibt Schuck bedauerlicherweise zugeknöpft. Ob noch in diesem Jahr Drehbeginn sein wird? Kein Kommentar. Es lägen aber schon erste Bücher von den zwei "tollen Autor*innen" Kirsten Loose und Adrian Spring (als Headautor) vor. Was heißt: Das Autoren-Duo des alten "Clubs", Arne Nolting und Jan Martin Scharf, ist raus.

Ob er auch vor der Kamera seinen Beitrag leisten wird, will man von dem Junior Producer zum Schluss noch wissen, aber das ist ihm zufolge "nicht der Plan". Die neuen Club-Mitglieder seien ja wieder im Alter von Jugendlichen.

Aus unserer Sicht muss das freilich kein Hinderungsgrund sein. Trotz seiner 23 Jahre geht Schuck noch immer locker als Teenager durch. Und war nicht Tim Oliver Schultz, der den beinamputierten Anführer Leo spielte, bei der ersten "Club"-Staffel schon 27 Jahre alt?

Aber Schluss jetzt mit dem Bohren. Nick Julius Schuck hat das letzte Wort: "Inwiefern es eine Verbindung zum alten ,Club‘ gibt, wird man bei Vox sehen können."

Irgendwann dann halt.