Film Festival Cologne © Film Festival Cologne
Das diesjährige Film Festival Cologne (FFCGN) steht unter keinem guten Stern. Vor einigen Tagen wurde von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Festivals ein Offener Brief verfasst, in dem man Martina Richter, Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der Cologne Conference GmbH, schwere Vorwürfe machte. Es ging um angeblich toxische Arbeitsatmosphäre und die Beförderung von Scheinselbstständigkeiten im Rahmen des Festivals (DWDL.de berichtete).

Diese Vorwürfe weiten sich nun aus: In den vergangenen Tagen haben sich unabhängig voneinander eine ganze Reihe von Personen bei DWDL.de gemeldet, die in den vergangenen 20 Jahren für das Festival gearbeitet haben. Die einen länger, die anderen kürzer. DWDL.de kennt die Namen von insgesamt vier weiteren Personen, die sich den Schilderungen der neun ehemaligen Mitarbeitenden anschließen. Sie alle bestätigen die Beschreibungen in dem Offenen Brief. Auch sie reden von Mobbing, Erniedrigungen, Beleidigungen und einem generell toxischen Arbeitsplatz. Sie hätten sich auch teilweise "unangemessene und bewertende Kommentare" zu ihrem Äußeren anhören müssen. Menschen, die beim Festival gearbeitet hätten, seien dauerhaft belastet gewesen von der Situation im Büro. Für viele sei der Job beim Festival einer der ersten in der Branche gewesen - dementsprechend schwer sei es gewesen, die Stimme zu erheben. 

Aktuelle Mitarbeitende bestätigen Vorwürfe

Darüber hinaus haben sich mittlerweile auch mehrere aktuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FFCGN zu Wort gemeldet. Auch sie sind DWDL.de namentlich bekannt - und auch sie schließen sich den Vorwürfen gegen Martina Richter an. Die Rede ist von einem Arbeitsklima, das geprägt sei von Misstrauen und "erratischen Anfeindungen durch Martina Richter". Die Mitarbeitenden unterstreichen aber nicht nur die Vorwürfe in Sachen Arbeitsplatzatmosphäre, sondern erklären auch, dass Scheinselbstständigkeiten gängige Praxis beim FFCGN sein sollen. 

Martina Richter hatte diesen Punkt Ende September, so wie alle anderen Vorwürfe, zurückgewiesen. Sie erklärte ihre Bereitschaft, alle Anschuldigungspunkte entkräften zu wollen. Dafür wolle sie alles Notwendige offenlegen. Das könnte noch interessant werden, denn nach Angaben der aktuellen Mitarbeitenden würde es auch heute noch Personen im Team geben, die ganzjährig als freie Mitarbeiter angestellt sind - und trotzdem regelmäßige Bürozeiten haben und monatlich immer dieselben Summen in Rechnung stellen. Martina Richter weist das im Gespräch mit DWDL.de neuerlich zurück und verweist auf regelmäßige Prüfungen, etwa durch das Finanzamt. "In den Anschuldigungen wird Freiberuflichkeit offensichtlich mit Scheinselbstständigkeit gleichgesetzt, das kann man nicht machen. Hier arbeiten Menschen nicht in Scheinselbstständigkeiten", sagt Richter. 

Die Mitarbeitenden deuten außerdem an, dass gegenüber Förderern und Partnern willkürliche Zahlen kommuniziert werden, sei es bei den eingereichten Filmen oder auch den Festivalbesuchern. Im Gespräch mit DWDL.de ist von "Bullshit Zahlen" die Rede. Auch das weist Martina Richter zurück. Im Gespräch verweist sie unter anderem auf Zahlen aus Presse- und Medienspiegel sowie das eigene Ticketingsystem, durch das man konkrete Zahlen habe. Ströer liefere außerdem valide Zahlen für Kontakte von gebuchten Außenwerbeflächen. 

Förderer wollen Antworten

In einem anonymen Schreiben an die Förderer (Land NRW, Stadt Köln und Film- und Medienstiftung NRW) haben die aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die erhobenen Vorwürfe gegen Martina Richter bestätigt und gleichzeitig Gesprächsbereitschaft signalisiert. Sie wollen sich auch gegenüber den Förderern zu erkennen geben, pochen aber auf Vertraulichkeit. Weil sie von den Geldgebern des Festivals bislang noch keine Antwort auf ihr Schreiben erhalten haben, sind sie nun an die Presse gegangen, auch der WDR berichtete bereits über ihr Anliegen. Martina Richter jedenfalls wundert sich, dass nun auch aktuelle Mitarbeitende Vorwürfe erheben. Nach ihren Angaben gebe es eine Woche vor Festival-Start eine "angenehme Arbeitsatmosphäre" im Büro. 

DWDL.de hat sich ebenfalls bei den Förderern umgehört. Sie alle sagen, dass sie die erhobenen Vorwürfe gegen Martina Richter ernst nehmen - und die Festival-Chefin um eine Stellungnahme gebeten haben. Zumindest bei der Stadt Köln ist diese Stellungnahme auch bereits eingegangen. Im Gespräch mit DWDL.de bestätigt Martina Richter, dass sie sich gegenüber den drei großen Förderern bereits geäußert habe. In dieser Stellungnahme hat sie nach eigenen Angaben ihre Sichtweise noch einmal dargelegt. Und das war im Wesentlichen das, was sie bereits Ende September - auch gegenüber DWDL.de - kommuniziert hatte.

Die Stadt Köln teilt gegenüber DWDL.de mit, dass man diese Stellungnahme zur Kenntnis genommen und sie in der "Gesamtbetrachtung der Prüfung künftiger Förderanträge miteinbeziehen" wolle. Unabhängig davon wolle die Stadt mit den beiden anderen Förderern sowie der Cologne Conference GmbH - also Martina Richter - nach dem diesjährigen Festival in einen Austausch treten über die künftige Ausgestaltung, die Trägerstruktur sowie weitere strategische Fragen zum Filmfestival.

Kurzfilmfestival Köln sagt Teilnahme ab

Erste, spürbare Konsequenzen haben die Anschuldigungen ehemaliger und aktueller Mitarbeitenden auf die kommende Ausgabe des Film Festivals Cologne (17. bis 24. Oktober) inzwischen übrigens auch. Das Kurzfilmfestival Köln (KFFK) hat seine Teilnahme abgesagt, die geplante Veranstaltung Look Short Film wird nicht im Rahmen des FFCGN stattfinden. "Wir stehen mit unserem Festival auch für gewisse Werte ein. Und das, was beim Film Festival Cologne passiert, können wir nicht guten Gewissens mit einer Kooperation, wenn auch nur indirekt, unterstützen", erklärte Johannes Dunckert, Leiter des KFFK zuletzt gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es sei ihnen nach Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitenden des FFCGN wichtig gewesen, Stellung zu beziehen, so Dunckert.

Und wie wird es nun, das Film Festival Cologne 2024? Martina Richter verweist auf viele relevante Filme, die man im Programm habe. Dennoch schweben die Anschuldigungen über der Festival-Chefin, die von einer "totalen Belastung" spricht. Sie nehme die Vorwürfe ernst und wolle sie aus der Welt räumen, sagt Richter. "Ich wünsche mir, dass ich mich nach dem Festival mit den ehemaligen und aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die Vorwürfe austauschen kann, ich möchte auch gehört werden." Dass sich das Kurzfilmfestival Köln zurückgezogen habe, tue ihr leid. Mit den anderen Verleihern, Produzenten und Filmschaffenden sei man eine Woche vor dem Start des Festivals in einem engen Austausch. "Es gibt sonst keinen, der angedeutet hätte, dass er sich zurückzieht."