Am Freitag veröffentlichte die Rundfunkkommission nun von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten abgesegneten Entwurf für einen Reform-Staatsvertrag für ARD und ZDF, dessen kolportierte Eckpunkte schon seit Wochen heiß diskutiert werden. Nun kann also jeder schwarz auf weiß nachlesen, wie die Regelungen im Einzelnen aussehen sollen, die - nach einer Online-Anhörung - noch im Oktober beschlossen werden und dann bis Mitte kommenden Jahres ratifiziert werden sollen. Erste Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.

Norbert Himmler © ZDF/Tim Thiel
ZDF-Intendant Norbert Himmler begrüßte zwar generell, dass die Länder die Reform vorantrieben, findet einige positive Aspekte in dem Entwurf und an der geforderten Einstellung linearer Sender übt er hingegen scharfe Kritik. "Es ist gut, dass der Auftrag qualitativ gestärkt werden soll. Wichtige Zukunftsaufgaben, wie der Ausbau von Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen sowie das ZDF-Projekt 'Public Spaces Incubator' sollen weiterentwickelt werden. Das passt sehr gut zur Strategie 'Ein ZDF für alle'. Kein Verständnis habe ich allerdings dafür, dass in politisch und gesellschaftlich unruhigen Zeiten darüber nachgedacht wird, erfolgreiche und gesellschaftlich relevante Kanäle pauschal zu streichen. Vielfalt darf gerade in der derzeitigen gesellschaftlichen Situation keinen Rückschritt erleiden."

ARD-Intendant Kai Gniffke sprach schon am Donnerstag vor der Veröffentlichung des Entwurfs davon, dass die deutliche Reduzierung vor allem das Publikum treffe und für die Nutzerinnen und Nutzer dieser Kanäle einen Verlust und eine Zumutung darstelle. "Man muss wissen, was man tut". Natürlich werde sich die ARD aber an Recht und Gesetz halten. ZDF-Intendant Himmler betonte, dass man sich "konstruktiv in die Debatte einbringen" werde, die sich aus seiner Sicht "an den Kriterien Qualität, Effizienz und Erfolg orientieren" solle.

Gerda Hasselfeldt © ZDF/Andreas Reeg Gerda Hasselfeldt
Rückendeckung bekommt der ZDF-Intendant bei seiner Kritik von seinen Aufsichtsgremien. Die Fernsehrats-Vorsitzende Gerda Hasselfeldt erklärte, die Reformen dürften nicht zu einer Verschlechterung des Angebots führen."Eine Einschränkung des Angebots wird dem Anspruch, ein Programm für alle Gesellschaftsgruppen zu bieten, nicht gerecht." Dass die Politik zwar genaue Vorgaben mache, wieviele Kanäle eingestellt werden sollen, die konkrete Entscheidung dann aber den Sendern überlasse, empfinde sie als Zuspielen des "Schwarzen Peters". "Das entspricht nicht unserem demokratischen Verständnis. Für Entscheidungen müssen am Ende die Entscheider verantwortlich sein."

Auch Malu Dreyer, die lange als rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin die Rundfunkpolitik in Deutschland maßgeblich mitbestimmt hat und nun Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats ist, sprach sich für die Beibehaltung von ZDFneo und ZDFinfo aus und verwies auf deren hohe Relevanz auch im linearen Bereich. Zugleich sei es dringend geboten, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf neue Beine zu stellen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk "wetterfest" zu machen.

Von seiten der Beschäftigten des ZDF klingt es ähnlich. In einer Resolution fordern diese unter anderem die Wahrung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie eine zukunftssichere und stabile Finanzierung - wozu neben angemessenen Rundfunkbeiträgen auch die Verfassungstreue der Länder gehöre. Die wollen die von der KEF empfohlene Erhöhung wohl nicht zum Jahreswechsel umsetzen. Geschehe das nicht, fordern sie ARD und ZDF auf, vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Sie sprechen sich auch gegen die Abschaffung von Angeboten wie ZDFinfo, ZDFneo aus, deren hohen Nutzungszahlen "Indikator für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" seien. Inhalte von ebenfalls zur Disposition stehenden Sendern wie 3sat und Phoenix seien "wichtig für unsere Gesellschaft und Kulturszene". Auch ZDF-Intendant Norbert Himmler hatte Phoenix vor dem ZDF-Fernsehrat am Freitag als "unabdingbar für politische Meinungsbildung in Deutschland" bezeichnet.

Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse bezeichneten die Pläne als "fahrlässige oder sogar mutwillige Schwächung der Sender", die nur Gegnern der Meinungsfreiheit und Populisten helfen würden. "Wir sind grundsätzlich offen für notwendige Reformen und  Priorisierungen, vor allem mit dem Fokus auf journalistische Inhalte. Viele Vorschläge halten wird aber für rückwärtsgewandt und weltfremd, sie widersprechen den dringenden Empfehlungen des von Ihnen eingesetzten 'Zukunftsrats' und wurden ohne Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet." Sollten lineare Sender gestrichen werden, müsse das an die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Profils gekoppelt werden - etwa durch die Stärkung von digitalen Kanälen. Der Wegfall erfolgreicher Sender sei aber in jedem Fall ei Rückschritt, "zumal sich digitale und lineare Angebote gegenseitig befeuern". Generell sei es nötig, die Debatte zu "entpolitisieren und von Macht-, Länder- und Parteiinteressen zu entkoppeln".

Auf einen weiteren Aspekt weist ZDF-Verwaltungsrats-Mitglied Leonhard Dobusch - der auch viele positive Aspekte des Entwurfs aufzählt - auf netzpolitik.org hin: Im Entwurf des Reform-Staatsvertrags habe man die aus seiner Sicht "völlig aus der Zeit gefallenen Konzepte wie 'Presseähnlichkeit' und 'Sendungsbezug' nicht nur nicht entsorgt, sondern sogar noch einmal gestärkt." Es sei "absurd, Texte auf öffentlich-rechtlichen Angeboten derart einzuschränken, während private Online-Angebote längst crossmedial und voll mit Video- und Audioinhalten sind." Presse im Internet sei längst überall ein multimedialer Mix - und den Textanteil zu reduzieren bedeute "letztlich vor allem eines: einen qualitativ schlechteren, öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter."

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