Auf dem Weg zur geplanten Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder jetzt einen Staatsvertragsentwurf zur Reform des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur öffentlichen Anhörung freigegeben. Erklärtes Ziel der Reform ist es, "einen zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ermöglichen, der mit seinen Angeboten die gesamte Gesellschaft erreicht", wie es heißt. Im Zuge dessen soll der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "qualitativ gestärkt und quantitativ begrenzt werden".

So enthält der Entwurf unter anderem Vorschläge zur Digitalisierung der Angebote und Reduzierung der Sparten- und Hörfunkangebote. Wie genau die künftige Aufstellung aussehen soll, wird jedoch nur bedingt konkret ausgeführt. Wo bislang lineare Sender wie ZDFneo, Tagesschau24, der Kika, Phoenix oder One - im Entwurf ist kurioserweise noch von Einsfestival die Rede - existieren, soll es künftig ein "Körbemodell mit Schwerpunktangeboten" geben.

So heißt es mit Blick auf Tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo zwar, dass ARD und ZDF künftig gemeinsam nur noch ein oder zwei statt bislang vier Angebote mit den Schwerpunkten Information, Bildung und Dokumentation veranstalten sollen, doch wie diese gestaltet sein sollen, will die Politik den Öffentlich-Rechtlichen selbst überlassen. Durch die Reduzierung könnten aber "erhebliche Mehrkosten abgebaut und das öffentlich-rechtliche Informations- und Bildungsangebot durch die Bündelung der vorhandenen Ressourcen um 'Leuchttürme' angereichert werden".

Daneben soll es auch künftig ein Angebot für Kinder und eines für junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren geben, die Existenz von Kika und funk bliebe also unangetastet. Gleichzeitig wird allerdings die Frage gestellt, inwieweit es auch für die Altersgruppe ab 30 Jahren ein eigenständiges Angebot bedürfe oder ob diese Nutzergruppen hinreichend Angebote in den Hauptprogrammn und Mediatheken finden - was vor allem die Zukunft von One und ZDFneo in ihrer bisherigen Form infragestellt, zumal, wie es schon jetzt etwa beim Kika der Fall ist, für jedes Zielgruppen-Angebote eine Federführung vereinbart werden soll. Obendrein soll nicht mehr staatsvertraglich festgelegt sein, ob ARD und ZDF für junge Zielgruppen klassische Rundfunkprogramme oder sogenannte Telemedien-Angebote, also reine Online-Angebote, verbreiten. Gleichzeitig soll jedoch ein sogenannter "Pfad" zur Überführung in reine Online-Angebote eingeführt werden, der den 1. Januar 2033 als "absolutes Enddatum für die Ausstrahlung als 'klassisches' lineares Fernsehprogramm" vorsieht. Dabei soll das lineare Programm aufgegeben werden, wenn die weit überwiegende Nutzung der Inhalte in der anvisierten Zielgruppe auf die Mediathek entfällt - die genaue Definition bleibt aber auch hier offen.

Hinsichtlich der Kultursender setzt die deutsche Politik ihre Hoffnungen vor allem auf Arte, wo perspektivisch die bislang bei 3sat verbreiteten Inhalte eine neue Heimat finden könnten. Demnach unterstützt die Rundfunkkommission die Idee eines europäischen Angebots, die eine Weiterentwicklung von Arte vorsieht. "Für den wünschenswerten Fall, dass Arte in Zukunft eine über die rein deutsch-französische Zusammenarbeit hinausgehende europäische Rolle einnehmen sollte, wird daher ermöglicht, in Absprache mit den europäischen Partnern das bisher eigenständige 3sat-Angebot in Arte zu integrieren", heißt es in den Anmerkungen des nun veröffentlichten Entwurfs. Eine Verpflichtung hierzu bestehe jedoch nicht - ist aber angesichts der Tragweite über die deutschen Grenzen hinaus auch gar nicht möglich.

Auf bei den Hörfunkprogrammen der ARD sieht der Entwurf des Reformstaatsvertrags erkennbare Veränderungen vor. So soll die Zahl der terrestrisch verbreiteten Sender je Landesrundfunkanstalt nicht mehr als vier betragen. Zusätzlich könne das Landesrecht jedoch vorsehen, dass die jeweilige Landesrundfunkanstalt ein weiteres Programm pro sechs Millionen Einwohnern veranstalten kann, wodurch den Anforderungen von Mehrländeranstalten Rechnung getragen werden soll. Ohnehin sollen regionale Auseinanderschaltungen unberührt bleiben. Daneben sollen auch Kooperationsprogramme ermöglicht werden. Gegenüber dem Status Quo mit 69 Hörfunkprogrammen könnte es auf diese Weise zu einer Reduzierung von auf nur noch 53 Sender kommen.

"Die Einstellung von Hörfunkprogrammen trifft nicht primär die ARD, sondern sie trifft das Publikum", sagte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge bereits am Donnerstag auf einer Pressekonferenz und verwies auf 33 Millionen Menschen, die am Tag die Radiosender ARD hören. "Wenn man sagt, ihr müsst auf 20 Wellen verzichten, muss man halt nur wissen, was man tut." Für die Hörer sei das eine Zumutung. 

Neuer Medienrat für den "Blick von außen"

Und sonst? Durch den Maßstab der sogenannten "Erforderlichkeit" soll es zu einer Begrenzung der Online Ausspielwege kommen. Daneben soll der regionale Auftrag auch in den Gemeinschaftsangeboten der ARD betont werden, während eine "Innovationsverpflichtung" nach dem Vorbild der BBC-Charta die ständige Weiterentwicklung der Angebote sichern soll. Mehr Effizienz erhofft sich die Politik zudem durch eine umfassende Pflicht zur Zusammenarbeit von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Hier ist unter anderem die Rede von einem gemeinsamen technischen Plattformsystem, das durch eine gemeinsame Tochtergesellschaft betrieben werden soll. Werbung in Online-Angeboten soll es dem Reformvorschlag zufolge aber auch weiterhin nicht geben. Darüber hinaus soll ein neu zu schaffender "Medienrat" mit einem "Blick von außen" auf die ganzheitliche Auftragserfüllung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhand staatsvertraglich festgelegter Kriterierien blicken. Dieser Medienrat soll aus sechs "unabhängigen Sachverständigen" bestehen, von denen zwei von der Politik, insgesamt vier von den Gremien von ARD, ZDF und Deutschlandradio benannt werden.

Vor Veränderung der jeweiligen Programmschemas sollen die Verantwortlichen der ARD und ZDF-Intendant "auf ein Einvernehmen hinwirken", heißt es. Dieser Punkt ist jedoch auf die Spartensender beschränkt und betrifft nicht die Hauptprogramme Das Erste und ZDF. Und mit Blick auf die Ausgaben für Sportrechte ist die Rede davon, dass die dafür aufgewendeten Mittel "ein angemessenes Verhältnis zum Gesamtprogrammaufwand nicht überschreiten" dürften. Der Erwerb von Übertragungsrechten dürfte zudem "ausschließlich zu marktüblichen Preisen erfolgen", was auch immer das konkret bedeutet. Eine exklusive Auswertung der Rechte sei zudem nur zulässig, "wenn und soweit dies zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich ist". Beim Erwerb von Rechtspaketen seien zudem "Sublizenzen sind zu marktüblichen Preisen anzubieten".

Es sind also durchaus bedeutende Veränderungen, die der nun vorgestellte Entwurf zur Diskussion stellt - es bleiben jedoch auch viele Fragen offen, insbesondere hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung bisheriger Spartenprogramme. Anstelle klarer Ansagen wird der Ball und damit die Verantwortung den Sendern zurückgespielt. Das dürfte den Gesprächsbedarf zwischen ARD und ZDF in den kommenden Wochen und Monaten gewiss intensivieren.

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