Als die großen Streamingdienste noch nicht die Einnahmequelle Werbung als neues und immer wichtiger werdendes Standbein für sich entdeckt hatten, konnten sie es sich einfach machen: Man war niemandem Rechenschaft über die erzielten Reichweiten schuldig, selbst die Produzenten der Inhalte ließ man häufig im Unklaren, wie gut etwas ankam. Doch seit man eben verstärkt auch an die Werbetöpfe will, wandelt sich das Bild - schließlich sollte eine unabhängig erhobene Messung, die vor allem mit anderen Anbietern vergleichbar ist, mittelfristig eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

In Deutschland würde die AGF Videoforschung, die seit Jahrzehnten die TV-Quoten misst und die Messungen längst auch nach und nach auf die Online-Welt ausweitet, gerne diese unabhängige Institution sein, tat sich bislang aber schwer, Streamer als neue Kunden zu gewinnen. Zuletzt sang man auf dem AGF-Forum in Frankfurt nicht nur das Hohelied auf die Bedeutung unabhängiger Standards, sondern präsentierte auch ein Easy-Entry-Angebot, mit dem man Plattformen mit einer niedrigen Eintrittsschwelle anlocken will.

Tatsächlich misst die AGF schon bislang die Nutzung von Streamingangeboten wie Netflix, Amazon, Disney+ und YouTube auf dem Smart-TV - nicht auf Basis einzelner Inhalte, aber auf Basis des Gesamt-Angebots. "Hochaggregiert", wie es im Medienforschungs-Sprech heißt. Diese Zahlen werden auch monatlich im sogenannten Smartmeter-Report veröffentlicht. Die neuesten Daten aus dem August zeigen hier beispielsweise eine Nettoreichweite von 5,09 Millionen Personen für Netflix und 4,18 Millionen für Prime Video.

Diese also ohnehin erhobenen Daten, die ohne eigenes Zutun der Plattformen erhoben werden, werden im Rahmen dieses Easy-Entry-Angebots, das Prime Video nun offenbar angenommen hat, in das crossmediale Planungstool AGF Reach Planner übernommen. Dort können sie für strategische Planungsprozesse nun mit TV- und Streamingdaten der AGF kombiniert werden. Dies ermöglicht den Ausweis der Total Reach einer geplanten Kampagne, sowie die Ermittlung inkrementeller und exklusiver Reichweiten der einzelnen Kanäle bzw. Angebote und Anbieter für eine Vielzahl von Zielgruppen. 

Das soll nach Willen der AGF aber freilich nur der Einstieg sein, mittelfristig will man Amazon zu einer aktiven Messung bewegen und sie in die reguläre Streaming-Messung der AGF aufnehmen. AGF-Geschäftsführerin Kerstin Niederauer-Kopf: "Auch die reichweitenstarken internationalen Anbieter haben ein Interesse daran, Nutzungsdaten unterschiedlicher Zielgruppen für ihr Angebot aus einem standardisierten System zu kennen und sie im Wettbewerb verorten zu können. Wir freuen uns sehr, parallel gemeinsam mit Prime Video die Machbarkeit zur Integration der Plattform auf dem Niveau der AGF-Streamingmessung zu prüfen. Das Angebot eines solchen Einstiegs in eine angebotsübergreifende Abbildung nach vergleichbaren Kriterien und Grundsätzen, steht allen Plattformen offen."

Nils Gräf, Managing Director Amazon Ads Deutschland, kommentiert die Kooperation so: "Wir freuen uns sehr über die Integration der Prime Video-Daten in die AGF Videoforschung. Damit geben wir Agenturen und Werbetreibenden die Möglichkeit, zusätzlich zu unseren first party insights, auf neutral gemessene Reichweitendaten zuzugreifen."