Im Hamburger Stage Theater Neue Flora wurde am Donnerstagabend unter der Moderation von Katrin Bauerfeind und Thorsten Schorn wieder der Deutsche Radiopreis für die besten Leistungen der vergangenen zwölf Monate im Radiobereich übergeben. Die unabhängige Grimme-Jury hatte dabei die Wahl aus insgesamt 400 Einreichungen. Und los ging's direkt mit der reichweitenstärksten Zeit im Radio: Der besten Morgensendung.
Die von Steven Gätjen übergebene Auszeichnung ging dabei an Julia Menger und Kerstin Hermes, die den "Schönen Morgen" beim Radioeins vom RBB moderieren. "Hochprofessionelle Radio-Enthusiastinnen, die nicht nur die hohe Kunst der unterhaltsamen Plauderei beherrschen, sondern auch das knallharte Polit-Interview und die gesellschaftliche Analyse - mit Musik, die ernst genommen wird, statt als Klangtapete benutzt zu werden", heißt es in der Begründung der Jury.
Menger und Hermes hatten dabei nicht nur für die Jury und ihre Hörerinnen und Hörer viel Liebe übrig, sondern auch für ihren Sender. "Radioeins ist wirklich außergewöhnlich, bei uns steht niemand mit der Uhr daneben, wenn wir die vierte oder fünfte Nachfrage haben, unserer Musikredaktion sind die Charts relativ egal und wir dürfen Veranstaltungen präsentieren, auf die wir selbst gerne gehen" - alles längst keine Selbstverständlichkeiten in der heutigen Radio-Landschaft.
Der Radiopreis für die beste Moderation ging an "eine Naturgewalt am Mikrofon", wie die Jury schwärmte. Das Kompliment gebührte Gianluca Meli, der bei 98.8 KISS FM zu hören ist. "Wenn du zuhören musst, ob du willst oder nicht, weil dich diese Stimme so in ihren Bann zieht. Obwohl sie laut ist, schrill, chaotisch und alle Klischees reitet, die du dir ausdenken kannst. Oder gerade deswegen? Egal, Gianluca Meli ist wie ein Rohdiamant, der bitte nicht zu viel geschliffen werden soll, denn er glänzt schon in so vielen Farben: im Umgang mit seinen Hörer:innen, in Spontanität, Humor und Präsenz", so das Loblied der Jury.
In der Newcomer-Kategorie war Frauenpower angesagt: Hier fiel die Wahl auf bigFM-Moderatorin Filiz de Campos Oliveira. "Mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an guter Laune und Frische, nimmt Filiz ihre Zuhörer:innen mit durch den Tag. Dabei ist sie stets aufmerksam und reaktionsschnell, bleibt immer authentisch und auf Augenhöhe. In ihrer Sendung gelingt es ihr mit Spontanität und einem guten Gefühl fürs richtige Timing, das Tempo und die Spannung hochzuhalten - ein Gute-Laune-Wirbelwind in voller Fahrt mit großer Nähe zu ihrer Hörerschaft", so die Jury.
Gleich zwei Mal an diesem Abend konnte man sich beim WDR über Preise freuen. Einmal wurde die bei WDR Cosmo ausgestrahlte Reportage "CUT - Das Silvester, das uns verfolgt" von Jan Koch und Miriam von Przewoski ausgezeichnet, die sich mit der Kölner Silvesternacht 2015 auseinandersetzt. "Die Produktion besticht durch aufwändig recherchierte Inhalte sowie die beiden versierten Hosts, die zurückgenommen und kenntnisreich durch ein augenöffnendes Arrangement von Fakten führen", schreibt die Jury. Und: "'CUT' redet mit Menschen statt über sie" - etwas, das sich die beiden in ihrer Laudatio auch generell für die Gesellschaft wünschten.
Auch die beste Sendung lief nach dem Urteil der Jury bei WDR 5. Es ist der Beitrag "MausLive: Wenn der Tod allgegenwärtig ist, im Kinderhospiz" von Jana Magdanz und Andreas Blendin. Er werde "der Königsdisziplin im Journalismus, schwere Themen mit sinnhafter Leichtigkeit zu erzählen, mehr als gerecht", indem "unaufgeregt und unverkrampft mit kleinen Betroffenen, ihren Eltern, Geschwistern und dem Pflegepersonal über den Tod" gesprochen wird.
Das beste Musikformat schreibt die Jury in diesem Jahr 105'5 Spreeradio für "Ein Song und meine Geschichte" zu, den Preis nahmen hier Nicole von Wagner und Jochen Truss entgegen. Die Verknüpfung von Musikwünschen mit persönlichen Erinnerungen gebe der Rubrik ihren besonderen Charme, so die Jury. "Wirkungsvoller ließe sich kaum unter Beweis stellen, wie gut Musik als Träger von Gefühlen und Erinnerungen funktioniert. Dass der Sender dafür zweimal täglich seine Playlist aufbricht und eine Hörerin oder einen Hörer zum Kurzzeit-DJ macht, vertieft ganz nebenbei die Bindung ans Programm."
Der Preis fürs Beste Entertainment ging an Andreas Altenburg von NDR 2 für "Die Kur-Oase", die die Hörerinnen und Hörer wöchentlich Ohrenzeugen von therapeutischen Gruppensitzungen der besonderen Art werden lässt. "Wunderbar verschroben und mit viel Liebe zum Detail produziert, verleiht ihr Schöpfer seinen vier Schützlingen hier unterschiedliche Identitäten, die er alle selbst inszeniert und akustisch zum Leben erweckt. Das Ergebnis sind äußerst skurrile Therapiesitzungen, die ein großartiges Kopfkino erzeugen und in denen stets aktuelle Themen aus dem Radioland mit Herz und norddeutschen Humor ausgiebig und liebevoll analysiert werden", so das Urteil der Jury.
Bei Bayern 2 kann man sich über den Radiopreis für das Beste Informationsformat freuen. Paula Lochte und Andrea Bräu wurden für "radioWissen: Paula sucht Paula – Vergessene Heldin im Hitlerputsch?" ausgezeichnet. Darin geht's um die Journalistin Paula Schlier, die 1923 vor den Nazis warnte und sich beim "Völkischen Beobachter" einschleuste. "'Paula sucht Paula' lebt von der akribischen Recherche und vom bewusst subjektiven Zugang aus heutiger Perspektive, der die hohe Relevanz der historischen Figur klarmacht. Lochte setzt ihre persönlichen Erfahrungen in Beziehung zu dem, was sie über Schlier herausfindet, und spricht die dabei entstehenden Widersprüche offen an. Durch die geschickte Montage von Originalzitaten, Interviews und Reportageelementen im Sounddesign der 1920er Jahre wird Geschichte lebendig, sodass eine jüngere Generation ebenso spannende wie beklemmende Einblicke in die Anfänge einer extremistischen Gesellschaft erhält."
Dazu passt auch die Auszeichnung in der Kategorie Bestes Interview. Sie ging an Frank Bremser und Fabian Pede für den R.SH-Podcast "Küsten-Köppe mit Frank Bremser". In der eingereichten Ausgabe interviewt der R.SH-Moderator den ehemaligen Neonazi Philip Schlaffer. Über gut 35 Minuten hinweg gelinge es Bremser "mit Bravour, tiefe Eindrücke aus einem Leben zu vermitteln, das lange Jahre von Rassismus und Gewalt geprägt gewesen ist. Ein eindrückliches Hörerlebnis", so die Jury.
Und schließlich wurde Bremen Next in Person von Pit Kröger und Grit Thümmel für die Beste Programmaktion ausgezeichnet - konkret für "Realtalk: Mobbing". Im Rahmen einer kompletten Themenwoche schaffe man es, "ein tabuisiertes und schambesetztes Thema für die eigene Zielgruppe umfassend zu erschließen – im stets sensiblen und wertschätzenden Dialog mit den Zuhörenden", schreibt die Jury. Dabei besteche das Format durch Niedrigschwelligkeit, Augenhöhe und Verzahnung von Radio und Social Web. Die Jury weiter: "Insbesondere der Service-Charakter und die gelungene Strukturierung mittels aufeinander aufbauender Gespräche, Informationsangebote und Interviews mit Expert:innen, Politik und Polizei überzeugen."