In einem normalen Jahr wäre die Verleihung des Grimme Online Awards längst über die Bühne gegangen - doch weil das Grimme-Institut unter seiner alten Führung in eine finanzielle Schieflage geriet, war lange unklar, ob es die Auszeichnung überhaupt weiter geben würde. Erst Ende Juni schließlich konnte man verkünden, dass man mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW den Grimme Online Award auch 2024 würde verleihen können. Die Nominierungskommission tagte nun also über die Sommermonate und hat letztlich 27 Angebote eine Runde weiter geschickt.

Trotz der besonderen Umstände habe es bei den eingereichten Vorschlägen "weder an Masse noch an Klasse" gefehlt, wie es im Bericht der Nominierungskommission heißt. Ein großes Thema war Vergangenheitsbewältigung, sowohl was die Zeit des Nationalsozialismus anbelangt als auch die Jahre der DDR oder die Flutkatastrophe von 2021. Die virtuelle Ausstellung "So was haben wir noch nicht erlebt" über die Flutkatastrophe in Euskirchen vom Museum Kutlurhof zeige, "wie das Netz sowohl als Geschichtsarchiv als auch als Ort der Aufarbeitung durch eine Gemeinschaft genutzt werden kann".

Nominierungen gab es beispielsweise auch für "Die Treuhand und die Folgen" der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, eine Zeitreise durch die DDR-Geschichte bietet die "DDR Box" des gleichnamigen Vereins, "De-Zentralbild" von out of focus medienprojekte präsentiert private Fotos zur Migration in die DDR. Und mit "Andreasstraße digital" der Gedenk-und Bildungsstätte Andreasstraße und der Stiftung Ettersberg macht die Unterdrückung und Reglementierung Andersdenkender in der ehemaligen DDR nachvollziehbar.

Um die Zeit des Nationalsozialismus geht es in den nominierten Angeboten "#LastSeen", das Bilder von NS-Deportationen sammelt, "Zwangsräume" erzählt wiederum anhand ausgewählter Häuser in Berlin, wie und wo Jüdinnen und Juden vor ihren Deportationen leben mussten. "Library of Lost Books" stellt die wechselvolle Geschichte der Bibliothek der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums vor. Im digitalen Archiv "Curt Bloch und ‘Het Onderwater-Cabaret'" werden die selbstverfassten Satiremagazine des deutsch-jüdischen Geflüchteten präsentiert, das gezeichnete Storytelling-Projekt "Der Krieg und seine Opfer" gedenkt des Vernichtungskrieges Deutschlands gegen die Sowjetunion, der mindestens 14 Millionen Zivilistinnen und Zivilisten das Leben kostete. Ganz aktuell dokumentiert das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) mit "Rechtsterrorismus seit dem NSU" rechtsextreme Straftaten.

Die Nominierungskommission berichtet über besonders viele Einreichungen von TikTok-Kanälen. Davon haben es letztlich vier zu einer Nominierung gebracht: "Fakecheck" (MDR für Funk), das TikTok-Videos auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, "keine.erinnerungskultur", wo Susanne Siegert über Nazi-Verbrechen aufklärt, das MDR-Angebot "eineminutegeld", das zielgruppengerechte Aufklärung in Finanzfragen betreibt sowie der TikTok-Kanal @tahdur" des angehenden Lehrers Tahsim Durgun, dem die Nominierungskommission "zeitgemäße Comedy über deutsch-migrantischen Alltag, die niemanden schont und nichts beschönigt" attestiert.

Auch diverse Instagram-Angebote sind auf der Nominierungs-Liste. Nadia Zaboura wird für ihre umfassende und sehr detailreiche Medienkritik nominiert, "My Hidden History" von SWR Kultur. Junge Leute präsentieren regionalgeschichtliche Ereignisse, die sie besonders faszinieren. Ebenfalls auf Instagram klärt Robin König alias "Robinga Schnögelrögel" als "Plantfluencer" über Natur und Naturschutz auf. Und "Migratöchter" des SWR gibt Migrantinnen und ihren Problemen eine Stimme.

Bei den zahlreichen eingereichten Podcasts habe man unterdessen diesmal stärker gewichtet, ob "neben der reinen Audioausspielung auch weitere Möglichkeiten der Internetpublizistik" genutzt worden seien. Nominiert wurden hier der Doku-Podcast "Systemeinstellungen" von netzpolitik.org über Menschen, die unvermittelt ins Visier des Staates geraten; "Auf dünnem Eis - Der Polar-Podcast für Kinder" vom Deutschen Technikmuseum; "Frauen von damals", wo die Historikerin Bianca Walther erzählt, wie Frauen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts für ihre Rechte kämpften.

Die drei Nominierten für den erstmals verliehenen "Sonderpreis KI" sind sogar allesamt Podcasts: Zum Einen "Der KI-Podcast" von BR24 und SWR. Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub beschäftigen sich darin wöchentlich mit den großen und kleinen Fragen der KI-Entwicklung. Im BR2-Podcast "In 5 Tagen Mord - die Krimi-Challenge mit KI" stellen sich Janina Rook und Christian Schiffer der Aufgabe, in kürzester Zeit ein Krimi-Hörspiel im Stile alter Radio-Krimis zu schreiben und bedienen sich dabei auch der Hilfe von KI. Und den Deutschlandfunk-Podcast "KI verstehen" Carina Schroeder, Moritz Metz, Ralf Krauter und Friederike Walch-Nasseri lobt die Nominierungskommission als "allgemein verständlich, unaufgeregt, manchmal auch nachdenklich, dabei nicht zu wissenschaftlich und schön kompakt."

Verständlich aufbereitet weil schön visualisiert hat die "SZ" den Einfluss des Golfstroms aufs Klima in "Die Strömung, die alles verändern kann", für die eindrückliche Visualisierung wird außerdem "Europäische Waffen, amerikanische Opfer" gelobt, das auf Recherchen von "Tagesspiegel" und des "ZDF Magazin Royale" über die deutschen und österreichischen Profiteure des Waffenkults in den USA basiert. Wissensvermittlung auf vorbildliche Weise wird dem SWR-Angebot "Herzstillstand kann alle treffen, jede Sekunde zählt" attestiert.

In der Kategorie "Spezial" gibt es diesmal zwei Nominierungen. Zum Einen für die Databroker-Files-Recherche von netzpolitik.org und BR. Hier wir an einem konkreten Beispiel aufgezeigt, wie der Datenhandel der Online-Werbeindustrie zu einer Gefahr für Datenschutz für Millionen wird. Und schließlich gab es auch noch eine Nominierung für die Correctiv-Recherche zum "Geheimplan Deutschland", hier wird im Bericht der Nominierungskommission vor allem der erzielte "Impact" gewürdigt.

Alle Nominierten im Überblick

Kategorie Information

Kategorie Wissen und Bildung

Kategorie Kultur und Unterhaltung

Kategorie Spezial

Sonderpreis KI