Die Gewerkschaften DJV, ver.di und Unisono haben sich in einem Offenen Brief an Florian Hager, den Intendanten des Hessischen Rundfunks (HR) gewandt, und darin die vor gut einem Monat vorgestellte "Radiostrategie" sowie deren mediale Kommunikation scharf kritisiert. "Groß ist das Unverständnis über die 'Strategie', die aus unserer Sicht keine ist", heißt es in dem Offenen Brief, der von mehr als 270 Mitarbeitenden des öffentlich-rechtlichen Senders unterzeichnet worden ist. "Besonders frustrierend erscheint uns, dass trotz angekündigter 'Umschichtungen ins Digitale' vor allem Leerstellen und Perspektivlosigkeit erkennbar werden."
Gleichzeitig sei man "verärgert und enttäuscht über die Art und Weise, wie all das mit einem einseitigen 'Spin' von der HR-Kommunikation in Ihrem Auftrag an andere Medien gespielt wurde, noch bevor die eigene Belegschaft erahnen konnte, was da auf sie zurollt". Die Rede ist zudem von "weitere Nackenschläge für die Belegschaft", die in den Tagen danach "beinahe im Stundentakt" folgten. Mit Blick auf ein mögliches Aus für die Jugendwelle You FM und den massiven Streichungen bei HR2-Kultur verweisen die Gewerkschaften auf "unausweichliche personelle Konsequenzen" vor allem für freie Mitarbeitende. "Mit anderen Worten: Es droht nicht nur ein personeller Exodus, er findet bereits statt."
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fordern "strategisches Augenmaß und Perspektive" bei geplanten Umschichtungen ins Digitale und stellen konkrete Fragen: "Wo sind die digitalen 'Produkte', die künftig junge Zielgruppen erreichen sollen? Wer soll diese Inhalte erstellen und verbreiten?" Zudem heißt es in dem Offenen Brief an Hager: "Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die (meist unbezahlt in ihrer Freizeit) digitale Ideen und Konzepte entwickelt und vorgeschlagen habe, fühlen sich von den Verantwortlichen ignoriert oder abgewimmelt."
"Wird Ihre 'Radiostrategie' ohne Abstriche umgesetzt, droht ein (weiterer) massiver Legitimationsverlust", schreiben die drei Gewerkschaften in ihren Offenen Brief an den HR-Intendanten. "Der vorauseilende Spargehorsam wird weder die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gesellschaft und Medien, noch streichwütige 'Beitragspopulisten' in der Politik beschwichtigen. Im Gegenteil: Je weniger eigenes und qualitativ wertvolles Programm der HR im Hörfunk, Fernsehen und Online zu bieten hat, desto weniger werden die Menschen in Hessen bereit sein, das öffentlich-rechtliche System weiter zu finanzieren."
Der HR hatte im Juni massive Einsparungen bei seinen Hörfunkwellen angekündigt. Geplant sind etwa Kooperationen und ein klarer Fokus auf die Primetime am Morgen. Perspektivisch könnten von den aktuell sechs Radiosendern nur noch drei bestehen bleiben. Zwischen den Zeilen ließ sich erkennen, dass vor allem der Bedarf einer Jugendwelle wie You FM nicht mehr gesehen wird. Eine konkrete Entscheidung darüber, wie genau sich der HR künftig im Hörfunk aufstellen wird, ist aber noch nicht gefallen.