Die monatelangen Streiks in Hollywood liegen inzwischen zwar schon viele Monate zurück, trotzdem sieht man die Auswirkungen bis heute: Bei nahezu allen Serien kam es zu Verzögerungen der Produktionsarbeiten, neue Staffeln lassen also länger auf sich warten als sonst gewohnt - und ganz generell haben die Sender und Plattformen inzwischen ihre Produktionstätigkeit wieder ein Stück weit zurückgeschraubt. Die Auswahl an Serien ist natürlich nach wie vor gigantisch groß - doch an einer Zahl kann man ablesen, wie viel geringer sie im Vergleich zum Vorjahr war: 107 Produktionen wurden als Beste Drama-Serie bei der Television Academy eingereicht, ein Jahr zuvor waren es noch 163, vor zwei Jahren gar 171.

Positiv gesehen sinkt damit aber die Gefahr, in der Serienflut unterzugehen, ein Stück weit. Und weil von den acht im Vorjahr nominierten Dramaserien nur eine einzige in der zurückliegenden Season mit neuen Folgen zu sehen war, bot sich in diesem Jahr eine große Chance sowohl für neue als auch für bislang übergangenen Serien. Als Favorit geht dabei dieses Jahr eine neue Serie von FX ins Rennen: "Shōgun". Die Serie, in der ein englischer Seefahrer im Japan des frühen 17. Jahrhunderts strandet, wo er die japanische Lebensweise und Philosophie kennenlernt, hat eine unheimlich lange Vorgeschichte hinter sich, wurde schon 2018 in Auftrag gegeben, dann aber mehrfach überarbeitet. Doch das hat sich gelohnt, die Kritiken waren herausragend und obendrein ist "Shōgun" mit insgesamt 25 Emmy-Nominierungen nun auch die meistnominierte Produktion überhaupt, darunter natürlich auch in der Königskategorie "Beste Dramaserie", zudem sind u.a. auch Anna Sawai für die beste weibliche, Hiroyuki Sanada für die beste männliche Hauptrolle im Rennen.

Platz für bislang übergangene Serien

Die zweitmeistnominierte Drama-Serie ist mit "The Crown" die einzige auch im Vorjahr nominierte Serie, hier nun mit der finalen sechsten Staffel rund um Dianas Tod und den Folgen draus. 2021 hatte "The Crown" den Emmy als beste Drama-Serie auch schon gewonnen, als einzige der diesjährigen Nominierten. Netflix hat daneben noch ein zweites Eisen im Feuer: "3 Body Problem", die neue Serie des "Game of Thrones"-Duos David Benioff und D.B. Weiss hat ebenfalls eine Nominierung als beste Drama-Serie abgestaubt. Ebenfalls zwei Produktionen im Rennen hat Prime Video: Da wäre zum Einen die Serien-Adaption von "Mr. & Mrs. Smith" von und mit Donald Glover, der auch als Schauspieler sowie auch Autor persönlich nominiert ist, sein weiblicher Gegenpart Maya Erskine kann sich zudem ebenfalls Hoffnung auf eine Auszeichnung als beste Schauspielerin machen. Die zweite Amazon-Nominierung gab's für die Videospiel-Adaption "Fallout", die in einer postapokalyptischen Welt nach dem Atomkrieg spielt. Beide Prime-Video-Serien vereinen übrigens je 16 Nominierungen auf sich, sind also generell hoch gehandelt.

Ebenfalls auf 16 Nominierungen bringt es die dritte Staffel der Apple-TV+-Serie "The Morning Show". Die Serie mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon sorgte zwar für viele Schlagzeilen, war in der Vergangenheit aber noch nie als beste Drama-Serie nominiert und konnte insgesamt überhaupt nur einen Emmy gewinnen. Diesmal gab es nicht nur Nominierungen für Aniston und Witherspoon, sondern für einen großen Teil des Casts: Vier von sieben Nominierungen für die beste weibliche Nebenrolle gingen an Schauspielerinnen aus "The Morning Show", drei von sieben bei den Männern.

Und dann bleiben noch zwei Produktionen aus der Kategorie: Bislang zu unrecht übergangen. Da wäre zum Einen "Slow Horses" von Apple TV+. Gary Oldman spielt den so heruntergekommenen und zynischen wie genialen Jackson Lamb, der als Chef des "Slough House" einen Trupp von Agenten-Versagern führt, so gut, dass nicht nur die Serie, sondern auch er selbst eine Nominierung abbekommen hat. Die ersten beiden Staffeln waren noch völlig leer ausgegangen. Und mit "The Gilded Age" schaffte es zudem noch eine HBO-Serie auf die Liste, hinter der unverkennbar der Downton-Abbey-Schöpfer Julian Fellowes steckt, der das Publikum diesmal ins New York der 1880er Jahre mitnimmt. Hier ist nun Staffel 2 nominiert, nachdem die erste Staffel lediglich eine einzige Nominierung fürs Production Design ergattern konnte. Diesmal sind es immerhin sechs an der Zahl, "Slow Horses" kommt sogar auf neun.

"Only Murders in the Building" jagt den großen Favorit

Auch wenn man im Vorfeld darüber streiten konnte, ob "The Bear" nun eigentlich überhaupt eine Comedy ist: Die Serie gewann im letzten Jahr alles, was sie gewinnen konnte und legt in Sachen Nominierungen in diesem Jahr noch eine große Schippe drauf: 23 Mal steht "The Bear" auf dem Zettel, das hat in der 76-jährigen Geschichte der Emmys bislang noch keine andere Comedy-Serie geschafft. Die Serie rund um den im Vorjahr ebenfalls schon ausgezeichneten Jeremy Allen White, der natürlich auch diesmal wieder persönlich nominiert ist, geht daher wieder als großer Favorit ins Rennen. Abgestimmt wird übrigens über die zweite Staffel, die in den USA jüngst schon veröffentlichte dritte Staffel liegt außerhalb des diesjährigen Emmy-Zeitraums.

Übrigens: Wie "Shōgun" ist auch "The Bear" eine Serie des zu Disney gehörenden Senders FX, der zudem noch zwei weitere Comedyserien im Emmy-Rennen hat: Nominiert wurde auch die Vampir-WG-Mockumentary "What we do in the Shadows" (mittlerweile in Staffel 5) sowie mit "Reservation Dogs" eine Serie über vier indigene Teenager, die vor und hinter der Kamera fast ausschließlich auf indigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt und schon deshalb heraussticht. Zu streamen gibt es FX-Produktionen ja bei Hulu - und da ist auch diejenige Serie zu sehen, die "The Bear" rein gemessen an der Anzahl der Nominierungen am dichtesten auf den Fersen ist: "Only Murders in the Building" bringt es auf insgesamt 21 Nominierungen, auch der gesamte Hauptcast aus Steve Martin, Martin Short und Selena Gomez hat Chancen auf eine persönliche Auszeichnung, die ihnen für die ersten beiden Staffeln noch verwehrt blieb.

Den großen Erfolg des Disney-Konzerns im Comedy-Bereich rundet dann noch die Nominierung der ABC-Sitcom "Abbott Elementary" von und mit Quinta Brunson ab, die schon in den vergangenen Jahren allein auf weiter Flur das Fähnchen der Networks hochhielt und das auch in diesem Jahr erneut tut. Für einen Emmy als Beste Comedyserie reichte es zwar bislang nicht, Quinta Brunson könnte aber ihren Emmy als beste Hauptdarstellerin in einer Comedyserie verteidigen, zudem ist sie auch als Autorin nominiert.

Ein paar Produktionen, die nicht zu einer der Disney-Plattformen gehören, haben es aber auch noch auf die Nominierten-Liste geschafft. HBO/Max ist zum Einen mit der dritten Staffel von "Hacks" im Rennen, in der die ebenfalls nominierte Jean Smart eine legendäre Stand-Up-Comedienne spielt, die die (ebenfalls nominierte) Hannah Einbinder als junge Comedy-Autorin unter ihre Fittiche nimmt. Und natürlich darf auch "Curb your Enthusiasm" mit Larry David nicht sehen. Auch die zwölfte (und diesmal angeblich wirklich letzte...) Staffel ist wie alle Vorgängerinnen wieder nominiert - gewonnen hat die Serie den Emmy für die beste Comedy-Serie aber noch nie. Überhaupt ist die Ausbeute mit nur zwei Preisen sehr gering. Komplettiert wird die Liste von "Palm Royale". Die ebenfalls nominierte Kristen Wiig spielt darin die Außenseiterin Maxine Simmons, die sich in die High Society von Palm Beach einschleicht.

Bekannte Anthologie-Serien und ein Rentierbaby

Im Bereich der Mini- und Anthologie-Serien führt "True Detective: Night Country" die nunmehr vierte Iteration der HBO-Krimiserie mit insgesamt 19 Nominierungen das Feld an, auch die fünfte Staffel von "Fargo" von FX ist wieder mit im Rennen und bringt es auf die stattliche Zahl von 15 Nominierungen. Die meisten Schlagzeilen hat in den letzten Monaten aber eigentlich eine andere Serie gemacht, die ebenfalls Chancen auf eine Auszeichnung als beste Mini-Serie hat: "Baby Reindeer", hierzulande als "Rentierbaby" veröffentlicht. Die autobiografische Serie über Stalking und sexuellen Missbrauch des Comedians David Gadd warf auch dadurch Kontroversen auf, weil die angebliche Stalkerin schnell identifizierbar war. Gadd ist als Schauspieler und Autor übrigens zweifach auch persönlich nominiert.

Komplettiert wird das insgesamt fünf Produktionen umfassende Feld der Miniserien zum Einen von der Netflix-Serie "Ripley", die auf dem bekannten und schon verfilmten Roman "Der talentierte Mr. Ripley" basiert und schon allein durch ihre Produktion in Schwarz-Weiß auffiel. Und zum Anderen findet sich hier auch "Lessons in Chemistry", das Apple TV+ in Deutschland als "Eine Frage der Chemie" veröffentlichte. Die auch persönlich nominierte Brie Larson spielt darin eine Chemikerin in den 1960ern, die in der männerdominierten Wissenschaft zunächst keinen Job bekommt, stattdessen eine Kochshow übernimmt und schließlich von einem Starchemiker doch eine Chance bekommt und diesem dann auch persönlich näher kommt.

Herausragendes Jahr für FX und Apple, Netflix vorn

Abschließend noch ein kurzer Blick auf die Auswertung nach Sendern und Plattformen: Netflix führt das Feld mit 107 Nominierungen zwar an und konnte sich im Vergleich zum Vorjahr auch minimal steigern, die großen Aufsteiger hießen aber FX und Apple. FX bringt es auf sagenhafte 93 Nominierungen, das sind 37 mehr als im bisherigen Rekordjahr. Und wie schon erwähnt: Mit "Shogun" und "The Bear" sind die beiden meistnominierten Serien von dort. FX landet damit noch vor HBO / Max, das mit diesmal "nur" 91 Nominierungen die Streik-Auswirkungen zu spüren bekam.  Apple landet mit 70 Nominierungen dahinter und fuhr ebenfalls so viele Nominierungen ein wie noch nie.

Im Folgenden: Die Nominierungen in den wichtigsten Kategorien im Überblick