Bei der diesjährigen Fußball-EM mussten sich die Fans in Österreich umgewöhnen: Erstmals war ein Turnier in weiten Teilen nicht im öffentlich-rechtlichen ORF zu sehen, sondern beim Privatsender ServusTV. Der hatte sich die Rechte an dem Turnier bereits vor Jahren gesichert - durch den milliardenschweren Red-Bull-Konzern im Hintergrund war das finanziell kein Problem. Später einigte man sich mit dem ORF auf die Vergabe von Sublizenzen. In den letzten Wochen verzeichnete ServusTV nicht nur Rekordquoten, sondern erhielt auch viel inhaltliches Lob für seine Übertragungen. 

Das Aus im Achtelfinale gegen die Türkei bescherte ServusTV, wo die Spiele des ÖFB-Teams exklusiv zu sehen waren, erwartungsgemäß extrem hohe Quoten. Während der ersten Halbzeit lag die Reichweite bei 2,37 Millionen, in den zweiten 45 Minuten waren es sogar 2,44 Millionen. Und das in einem Land, das etwas mehr als 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählt. 

Die Übertragung war damit die erfolgreichste TV-Sendung im österreichischen Fernsehen seit 18 Jahren und eine der reichweitenstärksten überhaupt in der Geschichte Österreichs. Gemeint sind hier nur solche Formate, die auf einem Sender zu sehen gewesen sind. Damals vor 18 Jahren, im Jahr 2006, erreichte ein Interview mit Natascha Kampusch kurz nach ihrer Befreiung im ORF etwas mehr als 2,5 Millionen Menschen. Im März 2020, als die Corona-Beschränkungen erlassen wurden, erreichte die "Zeit im Bild" sogar mal 2,72 Millionen Zuschauer, damals aber auf mehreren Sendern zusammengerechnet. 

Profitiert hat ServusTV am Dienstag wohl auch von der Tatsache, dass das Aufeinandertreffen zwischen Österreich und der Türkei nicht im deutschen Free-TV zu sehen war. Die Übertragungen dort erzielten in den vergangenen Wochen ebenfalls regelmäßig ansehnliche Quoten - und nahmen ServusTV bzw. dem ORF einen Teil des Publikums weg. 

ServusTV erreichte mit dem Achtelfinal-Aus 73 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum und sogar 83 Prozent in der Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen. Die Tagesmarktanteile von ServusTV lagen bei 37,5 (gesamt) und 51,4 Prozent (12-49). Bereits im Juni feierte der Salzburger Privatsender aufgrund der zahlreichen EM-Übertragungen den mit Abstand erfolgreichsten Monat seiner Geschichte (DWDL.de berichtete). Das Match gegen die Türkei war derweil auch bei ServusTV On sehr gefragt und mit 1,25 Millionen Video Views und 37 Millionen gesehenen Minuten das meistgestreamte Event auf der Plattform. 

Doch trotz der neuerlichen Quoten-Rekorde sind aus Salzburg Misstöne zu vernehmen. "Mit einigem Befremden" habe man ein "klares Foul des ORF registriert", heißt es in einer Pressemitteilung von ServusTV. Konkret geht es um einen Beitrag in der ORF-Nachrichtensendung "ZiB" um 13 Uhr, in der die Moderatorin sagte, ServusTV habe dem ORF die EM-Übertragungsrechte "um einen horrenden Preis" weggeschnappt. "Ich verstehe ja, dass die aktuelle Situation nach Jahrzehnten eines Monopols beim ORF für wenig Freude sorgt. Dass sich unser Sublizenznehmer und Kooperationspartner ORF aber deshalb so offen als schlechter Verlierer präsentiert, ist bedauerlich", sagt ServusTV-Chef Ferdinand Wegscheider.

Darüber hinaus kritisiert ServusTV, dass es in dem ORF-Bericht "weitere Falschinformationen" gegeben habe. Auf Nachfrage von DWDL.de will man diese nicht genauer konkretisieren. Allerdings beinhaltet der Bericht auch ein kurzes Interview mit ORF-Chef Roland Weißmann. Darin sagte er, dass man sich in Gesprächen mit ServusTV bezüglich der Übertragung weiterer Partien befinde. Diesen Gesprächen wolle er aber nicht vorgreifen, so Weißmann, der damit Hoffnungen schürte, es könnten doch noch weitere EM-Spiele im ORF zu sehen sein. Angesichts der Erfolge, die ServusTV mit den Übertragungen aktuell einfährt, ist das aber ein ziemlich unrealistisches Szenario. 

Wahr ist aber auch: Der ORF hat in seinen Nachrichtensendungen am Dienstag gleich mehrfach darauf hingewiesen, dass die Partie am Abend bei ServusTV zu sehen sein wird. Als die "Zeit im Bild"-Hauptausgabe um 19:30 Uhr im ORF zu sehen war, sprach man sogar vom "Partnersender ServusTV" - die Formulierung mit dem "horrenden Preis" fehlte. Dort hieß es in Bezug auf die Rechtekosten: "Der milliardenschwere Red-Bull-Sender konnte sie sich, anders als der öffentlich finanzierte ORF, leisten. Und zwar ohne für die hohen Kosten Rechenschaft ablegen zu müssen." 20 bis 30 Millionen Euro soll ServusTV nach ORF-Angaben für die Übertragungsrechte hingeblättert haben.