Mit großer Offenheit für alle denkbaren Ausspielwege einerseits, aber einer klaren Konzentration auf journalistische Moderation will sich der Stuttgarter Moderationspreis als Bühne und Förderer neuer Talente etablieren. Nach der Premiere im Vorjahr wurde die Zahl der Einreichungen in diesem Jahr um 50 auf 220 kräftig gesteigert. Am Donnerstagabend wurde er nun zum zweiten Mal in der baden-württembergischen Hauptstadt verliehen. Durch den Abend führte erneut Ingo Zamperoni, „Tagesthemen“-Moderator und Honorarprofessor an der Hochschule der Medien in Stuttgart, die den Preis über ihr Institut für Moderation auslobt.

Ausgezeichnet wurden Nicole Franz, Shanli Anwar, Jason Giuranna und Stève Hiobi für ihre Leistungen: die Moderationen einer investigativen Dokumentation, eines Video-Podcasts, einer TV-Kindersendung und eines Instagram- und TikTok-Kanals. Durch den Abend zog sich dabei thematisch immer wieder die Relevanz sozialer Medien, aus verschiedenen Perspektiven. Ohne sie wäre Stève Hiobi beispielsweise nicht zu seinem Preis gekommen. Er ist eigentlich IT-Berater aber mit seinen Kanälen bei Instagram und TikTok inzwischen mehrfach preisgekrönt. Zum Grimme Online Award 2023 kommt jetzt der Stuttgarter Moderationspreis 2024 in der Kategorie Sonderpreis Baden-Württemberg. 

Stève Hiobi © Nikolaus Frielitz
Der wird vergeben von den Studierenden der Hochschule der Medien in Stuttgart vergeben. Sie urteilen: „Hiobi vermittelt in seiner klaren und ruhigen Sprechweise Informationen, Nachrichten und Hintergründe rund um die Länder des afrikanischen Kontinents. Dabei präsentiert er Fakten und persönliche Meinungen auf verständliche und unterhaltsame Weise - passend zu seiner jungen Zielgruppe. „Jugendliche, die sonst nur schwer mit Nachrichten zu erreichen sind, erhalten von ihm Einordnungen historischer und aktueller Ereignisse und Wissen über die Kultur afrikanischer Länder. Seine Posts zeichnen sich durch gute Recherchearbeit, transparente Quellen und einen hohen Public Value aus.“ 

Im Gespräch mit Ingo Zamperoni erzählt der selbsterklärte „Afrofluencer“, wie seine inzwischen jeweils von fast 100.000 Abonnenten verfolgten Kanäle „Dein Bruder Steve“ durch Erkärvideos zum Erfolg wurden, mit denen er eigentlich nur unqualifizierte Kommentare über Afrika kontern wollte. Dass aus einem früheren Comedy-Account plötzlich ernste, aber unterhaltsam aufbereitete Information wurde - habe ihn erstmal Reichweite gekostet. Das hat sich längst geändert und Stève Hiobi, auch angesichts der ganz aktuellen Krise in Kenia, zu einer wichtigen Stimme des Vermittelns gemacht. 

Nicole Franz © Nikolaus Frielitz
Auch bei Nicole Franz geht es um soziale Medien und deren  Einfluss auf Meinungsbildung. Ihre Reportage „Hakenkreuz, Hitlergruß und Rechtsrocksongs – Rechtsextrem auf TikTok“ für die MDR-Marke Exactly gewinnt den Stuttgarter Moderationspreis 2024 in der Kategorie Journalistische Qualität. „Es erfordert Mut, als junge Journalistin für dieses Thema Gesicht zu zeigen. Die Dokumentation ist sehr gut recherchiert, umfasst verschiedene Perspektiven auf das Thema und macht die Relevanz eindrücklich klar. Nicole Franz ist selbst Teil der Zielgruppe. Ihr gelingt es, für diese zu vermitteln und sich gleichzeitig auch an Menschen zu richten, die gar kein TikTok haben“, urteilt die Jury.

In dieser wie in den beiden weiteren Kategorien des Abends haben nicht die Studierenden sondern eine interdisziplinäre Jury entschieden, der im zweiten Jahr in Folge neben Katrin-Anna Firle (SWR), Aycha Riffi (Grimme-Akademie), Prof. Dr. Wolfgang Schweiger (Universität Hohenheim) und Laura Terberl (Süddeutsche Zeitung) auch DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath angehört. Preisträgerin Nicole Franz, beruflich erfahren im Community Management, berichtet bei der Auszeichnung in Stuttgart von der Herausforderung, Anfeindungen bei der Recherche nicht zu nah an sich heran zu lassen. Sie warnt vor rechter Stimmungsmache wie sie die AfD mit vermeintlich leichten Lösungen auf plattform-affine Art scheinbar erfolgreich verbreitet.

Shanli Anwar © Nikolaus Frielitz
Der von Shanli Anwar moderierte Video-Podcast „Iran im Herzen“ des WDR-Radiosenders Cosmo, holt in sehr persönlichen aber immer journalistisch gut vorbereiteten Interviews den anhaltenden Kampf um Freiheit im Iran ins Bewusstsein des Publikums. Das Projekt greift die Aufmerksamkeit auf, die „Woman. Life. Freedom“ insbesondere durch die engagierte Vervielfältigung in sozialen Medien erhalten hat und vertieft das Thema. Zum Sieg in der Kategorie „Public Value“ sagt die Jury:  „Der Moderatorin gelingt der multiperspektivische Blick auf die Situation im Iran. Dabei wird immer ein Bezug zu Deutschland hergestellt und vermittelt, warum es für die Zuschauer:innen oder Hörer:innen hierzulande relevant ist. Die Moderatorin agiert trotz unfassbarer Fakten ruhig und mitfühlend mit ihren Gesprächsgäst:innen. Sie ist eine aktive Zuhörerin, Fragesteller:in und Übersetzerin für die Zielgruppe.“ 

„Der Preis hat Gewicht“: Mit der offenbar überraschend schweren Trophäe in der Hand beginnt Anwar ihre Worte des Danks auf der Bühne mit einem Lob an Mitpreisträger Stève Hiobi. „Der passt perfekt zu uns“, sagt die Medienmacherin von WDR Cosmo. Allen, die etwas zu erzählen haben, rät sie: „Einfach machen. Man muss heutzutage niemanden mehr überzeugen“ um loszulegen. Da seien manchmal Strukturen wie die der ARD eher schwierig, bis man dort entscheidende Stellen überzeugt habe. Über „Iran im Herzen“ hinaus mahnt Shanli Anwar den bewussten Umgang mit dem Iran an, benennt die anstehenden Wahlen im Land daher auch als Scheinwahlen. Dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Helikopter-Absturz von Präsident Raisi kondoliert hat, irritiert sie sehr und fragt das Publikum in Stuttgart: „Würden wir kondolieren, wenn Putin stirbt?“

Jason Giuranna © Nikolaus Frielitz
Der finale Preis des Abends in der Kategorie Präsentation und Sprache ging an Jason Giuranna für seine Leistung im Format „Jason und die Haustiere“, eine Produktion des Bayerischen Rundfunk für den Kika. Giuranna ist eigentlich Erzieher, aber inzwischen auch gefragter Moderator. Er ist gehörlos, beweist aber mit „Jason und die Haustiere“ wie natürlich und wertvoll eine Kombination aus Gebärdensprache und Voice Over sein kann. Die Jury sagt, seine „Moderation ist eine authentische Präsentation auf Augenhöhe mit der sehr jungen Zielgruppe. Er vermittelt Nähe durch das Zeigen von Emotionen. Das Format zeugt von Mut. Es ließ die YouTube-Viewzahlen der Serie trotz unüblicher Präsentation nicht einbrechen ließ. Das lag sicher auch an der beeindruckenden Moderation.“

Deswegen, so verrät Jason Giuranna in Stuttgart, gehe es auch mit drei weiteren Folgen weiter, die schon abgedreht sind. Es gebe demnächst auch noch mehr von ihm zu sehen, doch mehr als diesen Teaser wollte er erstmal nicht verraten. Giuranna ist - wie auch Stève Hiobi - über Umwege zur Moderation gekommen Eigentlich ist er Erzieher, jetzt aber auch Medienmensch, zwei sehr unterschiedliche Lebenswelten wie er schmunzelnd einräumt. Was ihn besonders freut an dem Format: Feedback aus Familien in denen manche Mitglieder hörend, andere gehörlos sind - und bei seiner Sendung gemeinsam schauen können. 

Prof. Stephan Ferdinand © Nikolaus Frielitz
„Die Gewinner:innen-Beiträge zeugen nicht nur von einer hohen journalistischen Kompetenz in der Moderation. Sie sind auch ein Lichtblick zwischen all dem, was im Netz mittlerweile demokratiezersetzend wirkt. Die Gewinner:innen - aber auch viele der anderen Einreichenden - leisten einen wertvollen Beitrag zu einem gehaltvollen Diskurs in der Gesellschaft“, erklärt Prof. Stephan Ferdinand, Direktor des Instituts für Moderation (imo) an der Hochschule der Medien Stuttgart, welches die Preisverleihung um einen Fachtag verlängert, der Themen aus dem Bereich der journalistischen Moderation wissenschaftlich vertieft.

Der zweite Stuttgarter Moderationspreis hat mit seinen Preisentscheidungen im zweiten Jahr ein sehr breites Spektrum journalistischer Moderationen abgebildet - und dabei den Blick auf manche Plattformen, Formate und Themen geworfen, die bei anderen Preisverleihungen manchmal aus Formgründen gar nicht im Rennen wären. Damit holt die noch junge Auszeichnung, wenn gleich von einer Hochschule ausgelobt, die Bewertung von Moderationsleistungen raus aus der Gefahrenzone einer elitären Debatte um Ausbildungen und Qualifikationen. Manche Talente kommen - das zeigte der Abend in Stuttgart - teils sogar zu ihrer eigenen Überraschung, zu einer medialen Karriere.