Katrin Vernau ist vom WDR-Rundfunkrat zur neuen WDR-Intendantin gewählt worden. Die bisherige Verwaltungsdirektorin setzte sich in der Stichwahl mit 36 von 55 möglichen Stimmen gegen Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell, durch. Wie eng das Rennen zunächst war, zeigt der Blick auf das Abstimmungsergebnis des ersten Wahlgangs: Zwar lag Vernau auch da schon vorne - allerdings denkbar knapp. 17 Stimmen entfielen dort auf sie, 16 auf Fuhst. 

Ein bitterer Nachmittag war es vor allem für Jörg Schönenborn: Der WDR-Programmdirektor lag mit 15 Stimmen äußerst knapp hinter Vernau und Fuhst, verfehlte damit aber die anschließende Stichwahl ebenso wie Elmar Theveßen, der Leiter des ZDF-Studios in Washington, der als Außenseiter nur sieben Stimmen auf sich vereinen konnte. 

Mit Vernau setzte sich am Ende nicht nur die einzige Frau im Rennen durch, sondern auch die einzige Bewerberin mit Erfahrung an der Spitze einer öffentlich-rechtlichen Anstalt: In Folge des Skandals um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger war Vernau als Interims-Intendantin zeitweise zum RBB gewechselt, verzichtete letztlich aber darauf, sich einer möglichen Wiederwahl zu stellen. 

"Der Rundfunkrat ist mit der heutigen Entscheidung einer seiner wichtigsten und gleichzeitig vornehmsten Aufgaben nachgekommen", sagte Corinna Blümel, die als stellvertretende Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, die Wahl geleitet hatte. "Wir sind davon überzeugt, dass Katrin Vernau durch ihre vielfältige Erfahrung innerhalb und außerhalb der ARD über ein hohes Maß an Expertise und Managementerfahrung verfügt, um den Herausforderungen im öffentlich-rechtlichen System zu begegnen und den WDR zukunftsfest aufzustellen. Katrin Vernau bringt den Mut und die Durchsetzungskraft mit, die für den Wandel und die Innovation im WDR unabdingbar sind."

Tom Buhrow © WDR/Herby Sachs Tom Buhrow
Tom Buhrow: "Ich gratuliere Katrin Vernau herzlich zur Wahl. Auf sie wartet ein wichtiges und spannendes Amt in herausfordernden Zeiten. Im WDR hat sie als Verwaltungsdirektorin bereits viele Herausforderungen gemeistert und Mut für schwierige Entscheidungen be- wiesen. In der ARD verdanken wir ihr, dass sie den RBB als Interims-Intendantin wieder in ruhiges Fahrwasser gebracht hat. Mit dieser Erfahrung und einer starken Geschäftsleitung an ihrer Seite wird Katrin Vernau den WDR erfolgreich in die Zukunft führen. Wir werden bis zu ihrem Amtsantritt im Januar 2025 für einen guten Übergang im WDR sorgen. Nur eine oder einer kann die Wahl gewinnen. Allen, die sich dieser Herausforderung gestellt haben und damit auch ein klares Statement für den WDR abgegeben haben, gilt mein großer Respekt."

Vernau selbst erklärte, es sei "eine große Ehre", das Amt zu übernehmen, "und als vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk Überzeugte - und nicht zuletzt als "Maus"-Fan - auch eine Herzensangelegenheit". Und weiter: "Der WDR braucht Mut, sich zu verändern, um auch im Hier und Jetzt glaubwürdig und relevant zu bleiben. Der WDR muss der Motor des Medienstan- dortes Nordrhein-Westfalen sein."

Vernaus Acht-Punkte-Programm

Bereits in ihrer Bewerbungsrede vor dem WDR-Rundfunkrat formulierte Katrin Vernau am Donnerstag im Kölner Gürzenich ein Acht-Punkte-Programm, das sie unter den Oberbegriff "Mut" stellte. Einer der Punkte: "Mut zu mehr Regionalität". Der WDR sei die Landesrundfunkanstalt von NRW, dort müsse man näher an den Menschen sein, daher wolle sie diesen Bereich als Intendantin auch finanziell stärken. Gleichzeitig brauche man mehr Mut, das Publikum sich seine eigene Meinung bilden zu lassen. "Die Menschen spüren, wenn sie belehrt werden sollen oder wenn Realität nur aus einem Blickwinkel beleuchtet wird. Wir sind keine Oberlehrer."

Als weitere Punkte nannte sie "Mut zu Tiefgang", "Mut, konstruktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen" sowie "Mut zu aktiver Gestaltung der ARD-Reformen und zur Absicherung unserer Finanzierung". Dazu brauche es eine Intendantin, die in der Lage sei, "zu erkennen, welche Strukturen uns wirklich strategiefähiger und wirtschaftlicher machen und dass sie auch eigene Lösungsansätze entwickelt". Hier spielte sie ihren wirtschaftlichen Hintergund aus. Zur Bewältigung der Herausforderungen brauche es mehr als journalistischen Background.

Sie wolle außerdem "Mut zu mehr Transparenz", der WDR solle also klarer kommunzieren, welche Schwerpunkt gesetzt werden und wofür das Geld ausgegeben wird. Ein weiterer Punkt: "Mut, uns zu öffnen." Man sei als WDR Teil der Gesellschaft, stehe nicht neben oder über ihr. Als Intendantin wolle sie daher Kooperationen ausbauen - etwa mit der privaten Medienwirtschaft, mit Verbänden und Kulturinitiativen. Als letzten Punkt nannte Vernau "Mut, der Magnet für die besten Talente zu sein". Darunter versteht sie, dass man es schaffen müsse, dass Produzenten und Kreative mit ihren Konzepten zuerst zum WDR kommen.

In ihrer Bewerbungsrede zog Vernau zugleich Parallelen zu ihrer Zeit beim RBB. "Es war eine Krise in einer Dimension, wie sie weder der RBB noch die ARD jemals zuvor erlebt hatte", erklärte sie. Auch der WDR müsse "sehr grundsätzliche Fragen beantworten, Fragen die übers Programm hinaus gehen", so Vernau, die darauf verwies, kostspielige Prestige-Projekte gestoppt und das Regionale und das Digitale gestärkt zu haben. "Das ist gelungen, weil ich von Anfang an wusste, dass ich die Menschen mitnehmen muss. Wenn du schnell sein willst, dann geh allein, aber wenn du ankommen willst, dann geh mit den anderen."

Tom Buhrow hatte dem Rundfunkrat vor einem halben Jahr mitgeteilt, sein Amt vorzeitig mit Ablauf dieses Jahres zu übergeben. Katrin Vernaus Amtszeit beginnt am 1. Januar 2025, gewählt wurde sie zunächst für die Dauer von sechs Jahren.

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