Das Landgericht Köln hat RTL in einem erstinstanzlichen Urteil verpflichtet, der Filmemacherin Jana Bernhardt "umfassend Auskunft über Erträge und Vorteile" zu erteilen, die im Zusammenhang mit der Ausstrahlung ihrer Produktionen erzielt wurden. "Hierzu zählen insbesondere auch Werbeeinnahmen", heißt es im vergangene Woche ergangenen Urteil. Hat der Richterspruch auch in weiteren Instanzen Bestand, dann ist es eine bemerkenswerte Stärkung insbesondere von kleineren Produktionsfirmen und Kreativschaffenden in der Zusammenarbeit mit Sendern - denn auf Basis dessen könnte sich eine unverhältnismäßig niedrige Bezahlung belegen lassen, so es diese denn gab.
Doch der Reihe nach: Die Wurzeln des Rechtsstreits reichen bis ins Jahr 2017 zurück. Damals stellte Bernhardt der RTL-Tochter infoNetwork einen fertigen Pilotfilm für ein Investigativ-Format vor, den sie nach eigenen Aussagen mit einem sechsstelligen Produktionsbudget auf eigene Faust hergestellt hatte. RTL war interessiert und stellte einen Sendeplatz in Aussicht - wollte allerdings nicht allzu viel zahlen. Bernhardt spricht von einem "Dumpingpreis, der nicht einmal annähernd die Produktionskosten gedeckt" habe. Sie habe sich nur deswegen auf den Deal eingelassen, weil man ihr ein eigenes Format in Aussicht gestellt habe, also die Beauftragung mehrerer Folgen.
Dazu kam es nie. Stattdessen wurde sie für weitere Einzelstücke engagiert, wofür sie aus ihrer Sicht ebenfalls nicht ausreichend entlohnt worden sei. "Ich wurde immer wieder vertröstet, ich solle die niedrige Vergütung als Investition betrachten", so Bernhardt. Sie ließ sich darauf ein - bis es 2020 zum Bruch kam. Jana Bernhardt wirft RTL vor, das von ihr entwickelte Format ohne sie in Serie geschickt habe. Den Vorwurf des "Formatklaus" bestreitet RTL - und gerichtlich dagegen vorzugehen, erscheint weitgehend aussichtslos.
Doch Jana Bernhardt blieb ein Ansatzpunkt: Die aus ihrer Sicht deutlich zu geringe Bezahlung ihrer Arbeit an den von RTL abgenommenen Produktionen. Und so nahm sich Jana Bernhardt die Drehbuchautorin Anika Decker zum Vorbild, die sich für ihre Arbeit an den Til-Schweiger-Filmen "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" deutlich zu schlecht entlohnt fühlte und die Produktionsfirmen daher zunächst darauf verklagte, ihr detailliert Auskunft über die erzielten Einnahmen zu erteilen - und darauf basierend unter Berufung auf den "Fairnessparagraphen" im Urheberrecht eine höhere Vergütung durchzusetzen. Dieser sieht einen "Fairnessausgleich" für Urheber vor, wen die Vergütung für die Übertragung von Nutzungsrechten in einem "auffälligen Missverhältnissen zu den Erträgen udn Vorteilen aus der Nutzung des Werkes" steht.
Genau diesen Auskunftsanspruch hat Jana Bernhardt nun auch gegen RTL erwirkt - und das Gericht ließ in seiner Begründung keinen Zweifel daran, dass es explizit um alle erzielten Werbeeinnahmen im Umfeld der Ausstrahlung geht. "Entgegen der Ansicht der Beklagten (RTL) besteht insoweit in hinreichender Zusammenhang zwischen der Ausstrahlung eines Werks und den im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausstrahlung erzielten Werbeerlösen", heißt es in der Urteilsbegründung.
Rechtsanwalt Henning Fangmann, der Jana Bernhardt in dem Rechtsstreit vertritt, sieht in dem Urteil einen "Meilenstein in der Rechtsprechung zu Auskunftsansprüchen" und spricht von einem "guten Tag für Kreativschaffende". "Das Landgericht hat nicht nur Farbe dahingehend bekannt, dass der Auskunftsanspruch auch länger zurückliegende Verwertungshandlungen erfasst. Es hat auch eindeutig klargestellt, welche Einkünfte im Fernsehbereich zu den Erträgen und Vorteilen zählen - nämlich insbesondere die Werbeeinnahmen und damit der 'Heilige Gral' der Privatsender." Mit der Auskunft über diese Einnahmen würden "Urheber in die Lage versetzt, angemessene Vergütungsbedingungen effektiv durchzusetzen. Dies dürfte mittelfristig zu faireren Vertragsbedingungen in der Film- und Fernsehbranche führen".
Bei RTL will man dem Urteil zumindest öffentlich hingegen möglichst wenig Bedeutung beimessen: "Es handelt sich nicht um einen Meilenstein, sondern um ein normales erstinstanzliches Urteil über einen Sachverhalt, den wir gänzlich anders bewerten", so ein Sprecher des Senders auf DWDL.de-Anfrage. Man werde gegen das Urteil "in vollem Umfang in Berufung gehen" und sehe daher auch keinerlei Auswirkungen auf die Praxis.
Zumindest auf den Rechtsstreit zwischen Jana Bernhardt und RTL wird es aber direkte Auswirkungen haben - denn der Auskunftsanspruchs lässt sich gegen eine Sicherheitsleistung von 20.000 Euro schon jetzt vorläufig vollstrecken. Und das will Jana Bernhardt auch schnellstmöglich tun, um im zweiten Schritt dann Nachvergütungsansprüche gegen RTL geltend zu machen. "Ich gehe davon aus, dass der Sender mich in den vergangenen Jahren unserer Zusammenarbeit weit unter den branchenüblichen Honoraren vergütet hat und in meinem Fall ein 'auffälliges Missverhältnis' vorliegt."
Vor allem erhoffe sie sich von dem Urteil aber eine "Signalwirkung", von der auch andere Produzentinnen und Produzenten profitieren sollen, die sich einen solchen langwierigen Rechtsstreit nicht leisten können. "Nach Jahren des Tauziehens sehe ich diesen Erfolg vor allem als Chance auf ein respektvolleres und faireres Miteinander zwischen Sender und Produzent:innen, auf branchenübliche Vergütung und transparentere Verhandlungen um Honorare."