Der Druck auf Louis Klamroth, so viel steht wohl fest, ist groß. Seit diesem Jahr moderiert er "Hart aber fair" nicht nur, er produziert im Hintergrund mit der Florida Factual auch mit. Und wie "Medieninsider" zuerst berichtete, hat der WDR dem Team hohe Ziele gesetzt: In der ARD-Mediathek sollen die Abrufzahlen des Talks auf 250.000 pro Ausgabe mehr als verdoppelt werden - und das bei einem gleichbleibenden Erfolg im linearen Programm. Gelingt das nicht, könnte der WDR den Stecker ziehen. Überstürzen wird man die Entscheidung in Köln aber wohl nicht.
Um die Zahlen in der Mediathek zu steigern, setzt das "Hart aber fair"-Team allen voran auf eine "to go"-Ausgabe, in der es noch einmal um die wichtigsten Szenen aus der Sendung geht - eingeordnet und hier und da angereichert durch Louis Klamroth. Und um es gleich vorweg zu sagen: Das ist noch lange nicht perfekt, schließlich muss man sich bei diesem neuen Format erst einmal herantasten an das, was funktioniert und was nicht. Nach zwei Ausgaben kann man Florida Factual und dem WDR förmlich dabei zusehen, wie sie an dem Format arbeiten - und es in die richtige Richtung treiben.
Spannend dürfte es in Zukunft werden, wie genau "to go" definiert wird. Die erste Kurz-Ausgabe von "Hart aber fair" in der Mediathek war satte 37 Minuten lang - und nur sechseinhalb Minuten davon waren originärer, neuer Content. Die restliche halbe Stunde zeigte man einfach Ausschnitte aus der Sendung des Vortags. Das war nun wirklich nicht "to go" und auch inhaltlich nicht sonderlich attraktiv. Ausgabe zwei war mit 28 Minuten schon deutlich kürzer und hatte mit über elf Minuten auch mehr eigenständigen Content, hier hat das Team an gleich zwei Stellen schnell nachgebessert.
Mehr Einordnung und Zusatz-Content
Grundsätzlich gab es in der zweiten "to go"-Ausgabe mehr Einordnungen durch Louis Klamroth sowie weiterführende Inhalte. So sprach der Moderator nicht nur mit einem Journalisten aus dem ARD-Hauptstadtstudio über die AfD und den richtigen Umgang mit der Partei, er ließ auch Menschen zu Wort kommen, die nicht Teil der eigentlichen Sendung waren. Klamroth sprach auch über die Frage, ob man AfD-Politiker überhaupt in die Sendung einladen soll und wieso er es in diesem Fall gemacht hat. Und er ging auf Kritik von Zuschauerinnen und Zuschauer ein, die von einem "Tribunal" gegen Leif-Erik Holm, AfD-Politiker in der Runde, sprachen.
Genau diese Inhalte machen "Hart aber fair to go" möglicherweise auch für solche Personen interessant, die die Sendung bereits linear gesehen haben. Aber auch für solche, die nur die Kurz-Version sehen, sind sie wichtig. Denn wahllos zusammengeschnittene Gesprächsfragmente aus der Sendung werden die Userinnen und User langfristig nicht bei der Stange halten. Insofern war die zweite "to go"-Sendung eine deutliche Steigerung gegenüber der Premiere.
Format bietet große Chancen
In der ersten Ausgabe der neuartigen Mediatheks-Ausgabe von "Hart aber fair" war grundsätzlich nicht nur wenig originärer Content dabei. Auch das, was Klamroth sagte bzw. nicht sagte, machte keinen guten Eindruck. Er moderierte vor allem die Sendungs-Ausschnitte an und gab sich höchstens punktuell selbstkritisch. Es gab zwar ein Gespräch mit einem Journalisten des "Spiegel", aber auf echte Kritik an der Sendung und offenen Fragen ging Klamroth damals noch nicht ein. So äußerte er sich nicht zur Kritik an der damals in der Sendung aufgetretenen Friseurmeisterin und sprach auch nicht über den Landwirt, der Teil der Sendung sein sollte, dann aber ausgeladen wurde - was natürlich zu Verschwörungserzählungen führte. Beides wären gute Möglichkeiten gewesen, um Transparenz zu schaffen und ein neues Selbstverständnis bei "Hart aber fair" zu zeigen.
Das hat man zum Auftakt noch verpasst, es in Woche zwei aber gleich besser gemacht. Das ist, wenn man das nach so kurzer Zeit schon sagen will, eine gute Entwicklung. Aber natürlich liegt vor dem Team noch viel Arbeit, wenn man "Hart aber fair to go" in der Mediathek zu einem echten Erfolg machen will. Das Potenzial jedenfalls ist da, nun muss man den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Und da reicht es eben nicht, die vermeintlich jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer in der Mediathek zu duzen und ansonsten weitestgehend auf die Sendungsinhalte des Vortags zu setzen. "Hart aber fair to go" ist eine Chance für mehr Transparenz und, wenn nötig, auch für Selbstkritik. Das kann letztendlich auch dem WDR und der gesamten ARD guttun.
"Hart aber fair to go" gibt es immer dienstags nach der regulären "Hart aber fair"-Ausstrahlung (montags) in der ARD-Mediathek zu sehen. Veröffentlicht wird die Folge in der Regel am Abend.